Kontext

Stand: 13.09.2025 05:49 Uhr

Nach dem Alaska-Gipfel kursiert ein wohl KI-generiertes russisches Video, das für Aufregung gesorgt hat. Die Anfachung der Diskussion, ob Bilder authentisch sind, ist Teil der Propaganda-Strategie aus Russland.

Drei Tage nachdem sich US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin in Alaska trafen, verbreitete der russische Staatssender RT auf Telegram ein Video. Es machte schnell in sozialen Netzwerken die Runde und löste empörte Reaktionen aus.

Die Luftaufnahmen sind unscharf und wackelig: Ein gepanzerter Truppentransporter fährt über staubige Dorfstraßen und entlang dunkelbrauner Felder. Auf dem Panzer – ein amerikanisches Fahrzeugmodell, mit dem der Westen die Ukraine ausgestattet hat – flattern leuchtend hell eine amerikanische und eine russische Flagge.

Als „maximale Unverschämtheit“, bezeichnete der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, das Video. Auf russischer Seite erntete es Lob und Begeisterung.

Das Video eines Panzers, der mit amerikanischer und russischer Fahne beflaggt ist, wird vom russischen Staatssender RT verbreitet.

Faktenchecks gezielt forciert

Wenig später ging die US-amerikanische Faktencheck-Plattform Snopes dem Verdacht nach, dass die Fahnen mithilfe von KI im Video eingefügt sein könnten.

Dass Journalisten und Experten sich immer häufiger die Frage nach der Echtheit von Bildmaterial stellen müssen, sei Teil einer neuen russischen Propaganda-Strategie, erklärt der österreichische Experte für Desinformation Dietmar Pichler, Gründer der Initiative Disinfo Resilience Network.

Die niedrige Bildqualität des Videos sei möglicherweise beabsichtigt. So lasse sich der Einsatz von KI gut verschleiern. Sie entspreche einerseits den Sehgewohnheiten bei Telegram und X, welche zwei der Hauptverbreitungsplattformen für russische Propaganda sind. Andererseits wecke ein pixeliges Bild den Verdacht, dass hier etwas nicht stimme. In beiden Fällen bindet es Aufmerksamkeit beim Betrachter – und auch bei Berichterstattern.

Ist das Video manipuliert?

Tatsächlich gibt es mehrere Ungereimtheiten im Video. Abschließend belegen lässt sich der Manipulationsverdacht aber aufgrund der schlechten Bildqualität nicht.

Zwar lassen sich die Orte, durch die der Panzer laut RT in der besetzten Ostukraine fährt, auf Satellitenaufnahmen nachvollziehen. Panzer dieser amerikanischen Bauart wurden auch tatsächlich mehrfach von Russland erbeutet.


Bilderstrecke
Hinweise auf KI-Generierung

Doch die amerikanische Flagge erscheint zu Beginn des Films an einem Ende abwechselnd unterschiedlich zerfleddert. Als der Panzer in der folgenden Sequenz beschossen wird, ist die russische Flagge plötzlich nur noch weiß, dann leuchten kurz ein blauer und ein roter Streifen auf, anschließend ist sie wieder gänzlich weiß zu sehen. Kurz darauf sind beide Flaggen völlig vom Fahrzeug verschwunden. Dies könnten Hinweise darauf sein, dass eine Künstliche Intelligenz mit der Darstellung überfordert war.

KI-Verdacht als Propaganda-Strategie

Dass das Video so viele Fragezeichen bei den Zuschauern hinterlässt, sei wohl gewollt, erklärt Pichler. Er habe das Video als reine Provokation empfunden, das ganz bewusst zeitlich passend zum Aufeinandertreffen von Putin und Trump beim Alaska-Gipfel verbreitet worden sei.

„Es geht bei einem solchen Video darum, den Gegner zu demoralisieren“, erklärt er. „Russland will der Ukraine zeigen: ‚Wir können uns einfach euer Militärgerät nehmen‘. Und alle, die momentan noch auf der Seite der Ukraine stehen, sollten ihren Widerstand infrage stellen, angesichts derart dominanter Gegner wie den russischen Truppen.“

Propagandaziel: Vertrauen zerstören

Für die Forscherin Katja Muñoz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist die Fragestellung, ob ein Video KI-generiert ist, nachrangig bei dessen emotionaler Wirkung. Vielmehr trage die Frage „KI oder nicht?“ zu einem wachsenden Zynismus bei denjenigen Menschen bei, die glauben, dass man den Nachrichten nicht mehr vertrauen könne, so Muñoz.

Viele Menschen nähmen die Welt nur noch durch ihre eigene Wahrnehmungsblase wahr – diese bestimme wiederum, wie sie den Inhalt solcher Clips bewerten. „Desinformationsakteure nehmen den KI-Verdacht willentlich in Kauf“, erklärt Muñoz, die an der Schnittstelle von Demokratie und künstlicher Intelligenz forscht. „Denn sie haben zwei Ziele: Sie wollen ihre eigenen Narrative streuen, und sie wollen das Vertrauen in die Informationsräume zerstören.“

Aufmerksamkeitsdominanz

Auf russischer Seite werde genau abgewogen, ob die Verbreitung von potenziell verdächtigen Fotos oder Videos mehr Schaden durch ihre mögliche Unglaubwürdigkeit beim Publikum anrichten könnten oder ob der Nutzen ihrer Botschaft obsiegt, sagt Pichler.

Dass es vor allem um Aufmerksamkeit geht, zeigt auch die Tatsache, dass RT eine Woche nach dem ersten Video nachgelegt hat. Die Chefredakteurin des Senders reagierte auf den KI-Verdacht mit Spott und lieferte weitere angebliche Beweisvideos des Fahrzeugs.

Frei von Ungereimtheiten sind aber auch diese Filme nicht – so stecken hier die Fahnen auf dem Panzer seitenverkehrt im Vergleich zum ersten Film. Zudem sind ungewöhnlich sauber für angebliche Aufnahmen aus einem aktiven Kriegsgebiet.

Wie umgehen mit KI-Propaganda?

Alexandre Alaphilippe leitet das EU Disinfo Lab in Brüssel, das sich dem Schutz vor Desinfomationskampagnen verschrieben hat. Er warnt davor, von nun an jeden Schnipsel potenzieller KI-Propaganda auf seinen Wahrheitsgehalt zu analysieren.

Bereits in der Vergangenheit habe man gesehen, dass russische Akteure versucht hätten, Journalisten und Faktenchecker weltweit mit so viel Falschinformationen zu überfluten, dass diese mit den Richtigstellungen nicht mehr hinterherkämen. „Auch Redaktionen befinden sich in einer Art Verteidigungssituation in diesem Krieg“, sagt er. „Und man muss genau darauf achten, wofür man seine journalistischen Ressourcen verwendet.“

Bei den Flaggen auf dem Panzer gehe es nicht darum, ob sie echt seien, oder nicht – sondern vielmehr darum, wie sich diese Geschichte verbreitet habe, und welche Botschaft Russland versuche, damit zu senden. „Wenn wir uns in einem weltweiten Krieg befinden, dann in einem, bei dem es darum geht, wer den Kampf ums Narrativ gewinnt“, so Alaphilippe.