»Wir werden gesehen – wie wir es uns erhofft haben«, Dagmar Ruschensky, die Chemnitzer Bürgermeisterin für Soziales, Jugend, Gesundheit, Kultur und Sport, zeigt sich froh beim Pressetermin zur Ausstellung »Edvard Munch. Angst«. Bevor diese in den Kunstsammlungen am Theaterplatz eröffnete, vermeldete das Museum Gunzenhauser mit »European Realities – zu den Realismusbewegungen der 1920er und 1930er Jahren« (s. kreuzer 7/2025) über 35.000 Besuchende noch vor der letzten Ausstellungswoche. Zudem betonte die Kulturbürgermeisterin, wie wichtig Kultur als Standortfaktor einerseits wirkt und wie bedeutend die Kunstvermittlung andererseits ist, so dass diese perspektivisch ausgebaut werden soll.

Was bei solchen positiven Signalen Angst macht, ist die Pressemitteilung der Kunstsammlungen: Der in der Haushaltssitzung Mitte März 2025 beschlossene zusätzliche Schließtag der Kunstsammlungen wird mit dem neuen Jahr realisiert. Dann können die Häuser von Mittwoch bis Sonntag besucht werden. Für das Henry van de Velde Museum (Villa Esche) sowie das im Frühjahr eröffnete Karl-Schmidt-Rottluff-Haus stehen nur Besuchszeiten von Freitag bis Sonntag auf dem Programm. Aber jetzt im letzten Drittel des Kulturhauptstadtjahrs kann zum Beispiel die Munch-Ausstellung noch außer montags und mittwochs von 11 bis 18 Uhr sowie am Mittwoch bis 19.30 Uhr angeschaut werden. Ab November fällt die längere Öffnungszeit am Mittwoch schon weg.

Von diesen Sparmaßnahmen ist beim Pressetermin nichts zu hören – stattdessen vom Mut, im Kulturhauptstadtjahr Tabuthemen wie Angst und Einsamkeit in der Gesellschaft zu thematisieren.

Mit Edvard Munch (1863–1944) kommt ein Künstler nach Chemnitz, der 1905 auf Einladung von Herbert und Johanna Esche in deren Villa weilte. Vom Kunstmäzen und Mitinhaber der Strumpfwarenfabrik Moritz Samuel Esche sowie seiner Familie malte Munch Porträts. Das von Herbert Esche ist neben dem Gemälde »Landschaft bei Chemnitz« ebenso zu sehen wie Karl Schmidt-Rottluffs »Norwegische Landschaft« aus dem Jahr 1911. Schmidt-Rottluff wollte Munch für eine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe Brücke begeistern. Der ging darauf nicht ein.

1929 zeigte der Kunstverein Chemnitzer Kunsthütte eine Munch-Ausstellung. Organisiert unter dem Direktor Friedrich Schreiber-Weigand (1879–1953), der seit 1911 die Ausstellung des Kunstvereins leitete und seit 1920 die Städtische Kunstsammlung sowie für den Ankauf von 53 Druckgrafiken Munchs ebenso verantwortlich war wie auch 1928 für den Ankauf des Gemäldes »Zwei Menschen/Die Einsamen« (1906–08).

Unter seinem Nachfolger – Schreiber-Weigand wurde im April 1933 beurlaubt und im Oktober entlassen – Wilhelm Rüdiger wurde das Bild 1937 verkauft. Für die Ausstellung kehrt es nun erstmals aus den USA nach Chemnitz zurück. Während sich die darauf zu sehenden Frau und Mann dem Meer zuwenden, schaut der Mensch auf der Lithografie »Geschrei« aus dem Jahr 1895 mit den aufgerissenen Augen, Mund und den zugehaltenen Ohren das Publikum an und wendet sich von der Fjordlandschaft ab. So verhalten sich auch die Figuren der gegenüber gehängten Lithografie »Angst« (1896). Die Menschen am unteren Bildrand starren mit geschlossenen Mündern die Besucherinnen und Besucher an – wie die deutlich betonten Wangenknochen zeigen, offensichtlich mit viel Kraftanstrengung.

Die von Diana Kopka kuratierte Schau versammelt neben den zentralen Motiven von Munch wie Sturm, Vampir, Madonna auch Arbeiten, die sich diesen Themen nähern. So ist Andy Warhol mit zwei Siebdruckarbeiten vertreten, die er nach 1983 einem seiner Lieblingskünstler widmete – »Das Geschrei« (nach Munch) aus dem Jahr 1984.

Andere Arbeiten zeichnet eine Nähe zu Munchs Werken aus, wie »Totes Mädchen« von Jakub Schikaneder (1910–15) zu Munchs »Das kranke Kind« aus den Jahren 1885/86. Zeitgenössische Positionen greifen einerseits die Themenkomplexe auf oder wie der Chemnitzer Künstler Osmar Osten mit einem großformatigen Bild und dem Titel »Ein Schrei von Edvard Munk, der hält uns ewig junk!« (2025) eine eher ironische Sicht auf das Motiv, das seit Jahrzehnten einen wesentlichen Bestand in der Kulturindustrie darstellt. 

> »Edvard Munch. Angst«: bis 2.11., Kunstsammlungen am Theaterplatz, Di, Do–So 11–18, Mi 11–19.30 Uhr

> Familienführungen am 14.9., 13 Uhr

> Edvard Munch: Angst. Katalog. München: Hirmer 2025. 336 S., 38 € im Museumsshop (50 € im Buchhandel)