Wenn am Montag die Schule beginnt, starten die Fünft- und Sechstklässler in Baden-Württemberg mit dem neuen neunjährigen Gymnasium. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Am Ende ist alles ganz schnell gegangen. Im Januar 2025 hatte der Landtag die Schulreform und damit auch das neue neunjährige Gymnasium beschlossen. Dieses startet am Montag, 15. September, und zwar mit den Klassen 5 und 6. Was wird für diese und nachfolgende Schülergenerationen anders als bisher?

Wie sieht die neue Stundentafel aus?

Ein Ziel des neuen neunjährigen Gymnasiums ist es, die Kinder zu entlasten und ihnen mehr Zeit für ihre Persönlichkeitsentwicklung zu geben. Sie sollen weniger Unterricht und wieder mehr freie Nachmittage haben. Ein Vergleich der Schulstunden pro Woche im alten G8 und im neuen G9:

  • 5. Klasse: 28 statt 29 Wochenstunden und damit eine weniger als bisher
  • 6. Klasse: 29 Wochenstunden statt 31 und damit zwei weniger als bisher
  • 7. Klasse: 31 Wochenstunden statt 29 und damit zwei mehr als bisher
  • 8. Klasse: 30 Wochenstunden statt 35 und damit fünf weniger als bisher
  • 9. Klasse: 31 Wochenstunden statt 35 und damit vier weniger als bisher
  • 10. Klasse: 32 Wochenstunden statt 36 und damit vier weniger als bisher
  • In der 11. Klasse wird es 34 Wochenstunden geben

Allerdings sind bei dieser Aufstellung die Poolstunden, die jede Schule in einem gewissen Rahmen entsprechend ihres Profils einsetzen kann, nicht berücksichtigt.

Das neue G9 soll zeitgemäßer werden, sagt Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne). Foto: Bernd Weißbrod/dpa Ist das neue G9 dann nur ein gestrecktes G8?

Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hat von Anfang an betont, dass das neue G9 nicht nur ein gestrecktes G8 sein, sondern zeitgemäßer werden soll. Kindern sollen wichtige Kompetenzen und Fähigkeiten mitgegeben werden, damit sie „die Herausforderungen der Zukunft meistern können“. So ist es auf der Internetseite des Ministeriums formuliert. Demnach sehe das neue G9 zentrale Innovationselemente vor. Gestärkt werden:

  • Die Grundlagenfächer Deutsch und Mathematik in der 5. Klasse mit jeweils einer Wochenstunde mehr. Es sind also künftig fünf statt bisher vier Wochenstunden.
  • Die erste Fremdsprache mit insgesamt zwei zusätzlichen Wochenstunden. Künftig sind es also 24 Wochenstunden, verteilt auf die Klassen 5 bis 11. Bisher waren es 22 Wochenstunden, verteilt auf die Klassen 5 bis 10. Poolstunden können hinzukommen.
  • Der naturwissenschaftliche Bereich
  • Die Demokratiebildung
  • Die berufliche Orientierung
  • Die Lern- und Leistungsentwicklung durch ein individuelles Mentoring

Welche Kritik gibt es an der neuen Stundentafel?

Manfred Birk, geschäftsführender Rektor der Stuttgarter Gymnasien, und Kai Buschmann, der scheidende Rektor der Waldschule Degerloch und Sprecher der Privatschulen in Stuttgart, sehen die neue Stundentafel kritisch. So gibt es zwar in Mathematik und Deutsch künftig jeweils eine Wochenstunde mehr in der 5. Klasse. Das war’s dann aber auch.

Davon abgesehen sei die Stundenzahl in den Hauptfächern einfach nur gestreckt worden. Man habe ein Schuljahr mehr, aber es gebe kein zusätzliches Geld, um ein ganzes Jahr mehr Unterricht zu machen, hatte Kai Buschmann im Interview mit unserer Zeitung gesagt. Darum seien Mathe, Deutsch, Englisch, Französisch und die Profilfächer ab Klasse 8 sehr häufig von vierstündigen zu dreistündigen Fächern in der Woche geworden. „Durch viele Ausfallzeiten werden die Fächer zukünftig dann nur zweistündig in der Woche unterrichtet. Das wird man in Mathe, Deutsch und Englisch garantiert merken nach ein paar Jahren“, so Kai Buschmann.

Die zweite Pflichtfremdsprache wird in Klasse 6 eingeführt. Und dann durchgängig bis einschließlich 11. Klasse dreistündig unterrichtet. Poolstunden können hinzukommen, in der Regel sind es aber 18 Wochenstunden wie bisher auch, nur eben gestreckt auf neun, statt bisher acht Schuljahre. Manfred Birk findet das problematisch. „Für eine neu zu lernende Fremdsprache sind drei Wochenstunden nicht günstig“, sagt der Pädagoge.

Was verändert sich im naturwissenschaftlichen Bereich?

Die Zahl der Wochenstunden in den Fächern Biologie, Chemie und Physik steigt von 25 auf 27, es sind also zwei Wochenstunden mehr. Dabei wird das Fach „Biologie, Naturphänomene und Technik“ (BNT), das bisher in Klasse 5 und 6 jeweils dreistündig unterrichtet wird, aufgelöst. Künftig gibt es in der 5. Klasse zwei und in der 6. Klasse eine Stunde Biologie. Die physikbezogenen Inhalte, die früher in den Klassen 5 und 6 mit „Naturphänomene und Technik“ abgedeckt waren, sollen in einem projektorientierten Physikunterricht in Klasse 7 gelehrt werden. Das dürfen und sollen dann auch Biologielehrkräfte machen.

Wie wird das neue Fach „Informatik und Medienbildung“ unterrichtet?

Im neuen G9 gibt es mit „Informatik und Medienbildung“ ein neues Fach. Aus Sicht vieler Schulen ist das der größte Unsicherheitsfaktor. Klar ist, dass es von Klasse 5 bis 11 durchgängig einstündig unterrichtet wird. Das Ziel ist laut Kultusministerium, „die beiden Anteile Informatik und Medienbildung zusammenzudenken“. Das heißt, dass bei jedem großen Thema in der Medienbildung künftig berücksichtigt werden soll, welchen Beitrag die Informatik leisten kann – und umgekehrt.

Das Ministerium arbeitet an einem Bildungsplan für das Fach „Informatik und Medienbildung“. Solange der noch nicht fertig ist, wird nach den bestehenden Bildungsplänen unter Verwendung einer sogenannten Lesehilfe unterrichtet. Zudem gibt es für Lehrkräfte Materialien zur Vorbereitung und Fortbildungen.

Wie bekommt die Demokratiebildung im neuen G9 mehr Gewicht?

Die Demokratiebildung soll mit einem neuen Konzept gestärkt werden. In den Klassen 5 und 6 wird das Thema verbindlich in den Klassenlehrerstunden aufgegriffen. Darauf folgt der Schwerpunkt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) als Projektunterricht, angebunden an das Fach Geografie. Klasse 11 vertieft die Demokratiebildung mit dem zusätzlichen Projektkurs Demokratiebildung, angedockt an das Fach Gemeinschaftskunde. Dabei soll außerschulisches Engagement einbezogen werden.

Wie wird die berufliche Orientierung gestärkt?

Das Fach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ (WBS) beginnt weiterhin in Klasse 8 und wird um neue, verbindliche Praktika zur beruflichen Orientierung erweitert. So soll die Berufswahlkompetenz der Jugendlichen erhöht werden.

Wie sieht das individuelle Mentoring aus?

Im neuen G9 soll die fachübergreifende individuelle Lern- und Leistungsentwicklung gefördert werden, und zwar durch ein systematisches und individuelles Mentoring. Dieses ist an allen Gymnasien verbindlich. Die Schulen entscheiden selbst, ob sie es in Klasse 7 oder 10 durchführen. Das Kultusministerium gibt lediglich vor, dass es „an einer der beiden Schnittstellen der Bildungsbiographie stattfindet: am Übergang von der Unter- zur Mittelstufe oder am Übergang von der Mittel- zur Oberstufe“.