Berlin – Verteidigungsalarm in Deutschland!
Nach der Drohnen-Provokation Russlands gegen Polen hat sich die Sicherheitsbewertung der Behörden „massiv verschärft“.
„Russland schafft die personellen und materiellen Voraussetzungen dafür, um innerhalb weniger Jahre in der Lage zu sein, Nato-Territorium angreifen zu können“, so der dramatische Befund der Staatskanzlei-Chefs der Länder.
Sie beschlossen deshalb auf ihrer Jahrestagung in Chemnitz, die „Fähigkeiten zur gesamtstaatlichen Verteidigung“ nachhaltig zu verbessern. Das Protokoll liegt BILD vor. Dabei geht es besonders um die „Stärkung der heimischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“.
Dabei wurde auch diskutiert, ob Deutschland bis 2035 260.000 aktive Soldaten aufbieten kann, wie man es der Nato zugesichert hat. Als Ausweg gilt, dass die Wehrpflicht wiederkommt.
Greift er Nato-Staaten an? Russen-Despot Wladimir Putin (71, Mitte) bei einer Parade mit Veteranen
Foto: REUTERS
Rüstung
Die Länder verlangen nach einer hochmodernen Bewaffnung: „Starkes Augenmerk muss auf der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien und Fähigkeiten, vor allem für Luftverteidigung sowie Überwasser- und Unterwasserschiffbau für die Marine, weitreichender Präzisionswaffen, Beschaffung und Bevorratung von Munition, Satellitenfähigkeiten, Drohnen, autonomen Systemen in allen Dimensionen und Künstlicher Intelligenz liegen.“
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Die Staatskanzlei-Chefs pochen darauf, dass beim Militär-Ausbau insbesondere deutsche Unternehmen berücksichtigt werden sollen. „Dies trägt nicht nur zur Stärkung der Bündnis- und Interoperabilitätsfähigkeit bei, sondern entfaltet auch positive wirtschaftspolitische Effekte.“
Zustimmung kommt aus der Industrie. Coralie Zilch (49), Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Hessenmetall, sagt zu BILD: „Angesichts des Strukturwandels ist es wichtig, die Arbeitsplätze dieser Fachkräfte in Deutschland zu sichern. Wir bauen jetzt die vorhandenen Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten aus.“
„Die Bundeswehr betrachtet und bewertet die aktuellen Ereignisse in Polen sehr genau. Wir sind wachsam, bereit und strukturell sehr gut sowie flexibel aufgestellt, um jederzeit zügig, umfassend und lageangepasst reagieren zu können.
Als eine Maßnahme wurde die Alarmrotte in Rostock/Laage um 2 zusätzliche Eurofighter verstärkt und verlängert, erklärte eine Sprecherin des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr.
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„Die Organisation des militärischen Verkehrs von West nach Ost ist im Bündnisfall einen entscheidenden Faktor für die Verteidigungsfähigkeit dar“, heißt es in dem brisanten Protokoll der Staatskanzleichefs. Die Länder fordern „leistungsfähige Korridore für den Transport von Truppen, Material und Nachschub“. Die Landesminister verlangen eine „Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur für die militärische Mobilität“. Heißt es im Klartext: Auch braucht u.a. Autobahnen, über die im Rotterdamer Hafen anlandende US-Truppen ostwärts Richtung Front mit ihrem Material fahren können.
Fahrzeuge der Bundeswehr rollen im dichten Verkehr über die Autobahn A2
Foto: picture alliance/dpa
Verkehrswege
Aus dem Verkehrsministerium hieß es: „In Ergänzung zu den zuständigen Sicherheitsbehörden hat das BMV Fragen der Sicherheit aller unserer Verkehrsinfrastrukturen im Blick. Denn unsere Infrastruktur hat eine sehr hohe Sicherheitsrelevanz. Deshalb brauchen wir eine engmaschige Sicherheitsarchitektur, um unsere Infrastrukturen zu schützen. Dort, wo es zu Sabotage-Angriffen kommt, müssen wir schnell handeln, um Sicherheit zu gewährleisten. Daher sind auch im Verkehrsbereich entsprechende Sicherungsinstrumente und -mechanismen etabliert.“
Lieferketten für Lebensmittel
Ernährungsminister Alois Rainer (60, CSU) will Dosengerichte einlagern:
„Selbstverständlich beobachten auch wir die Situation in Polen sehr genau“, sagte sein Sprecher. Für den Fall einer Versorgungskrise – etwa durch militärische Konflikte – habe das Ministerium schon in den 1960er-Jahren begonnen, Produkte wie Reis, Hülsenfrüchte und Getreide einzulagern. Aber: „Vor dem Hintergrund zunehmend unsicherer Zeiten will Bundesminister Alois Rainer die bisherige staatliche Lagerung landwirtschaftlicher Rohprodukte durch eine Lagerung direkt verzehrbarer Fertigprodukte ergänzen, zum Beispiel fertige Dosengerichte“.
Was wäre, wenn…? Während Russland-Diktator dem Westen droht, bereitet sich Deutschland zunehmend auf alle Eventualitäten vor
Foto: picture alliance / Amazing Aerial Agency
Philipp Hennerkes, Geschäftsführer des Deutschen Lebensmittelverbands, sieht keinen Grund zur Sorge vor einer Lebensmittelknappheit im Falle eines Angriffs der Russen. „Die Lebensmittelversorgung ist maximal stabil“, sagt er zu BILD. Auch von Panikkäufen könne keine Rede sein.
Die Truppe übt schon
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In zwei Wochen trainiert das Landeskommando Hamburg vier Tage lang den Ernstfall: Das Szenario: Ereignisse an der Ostflanke erfordern Verlegung von Personal und Panzern ins Baltikum – mitten durch die Hansestadt.
Die Übung „Red Storm Bravo“ trainiert das Zusammenspiel von rund 500 Soldaten, der zivilen Wirtschaft in Deutschlands größtem Seehafen und den Behörden der Stadt. Auf BILD-Anfrage heißt es, dass die Übung auch nach den Ereignissen in Polen am vergangenen Mittwoch wie geplant steigt.