Kiel. „Der Geschichtsunterricht kann sehr autoritär sein“, sagt Luisa Galli. Sich mit einem konkreten Menschen und nicht nur mit Bildern und Zahlen auseinanderzusetzen, schaffe Spielräume für einen anderen Zugang zur Geschichte, findet die 17-Jährige.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Dieser konkrete Mensch ist Anne Frank. Eine Jugendliche, die von den Nationalsozialisten ermordet wurde, weil sie Jüdin war. Ab Sonntag ist die Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“, die sich ihrem Leben widmet, in der Nikolaikirche in Kiel zu sehen.

„Deine Anne“: Berliner Ausstellung in der Nikolaikirche in Kiel

Gerade jetzt, wo es immer weniger Zeitzeugen gibt, müsse man sich überlegen, wie man die Erinnerung an den Nationalsozialismus wachhält, sagt Galli. Sie engagiert sich im Rahmen der Ausstellung als Peer-Guide.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Die Peer-Guides begleiten Gleichaltrige durch die Ausstellung. Mitarbeiter des Anne-Frank-Zentrums Berlin bereiten die etwa 20 Schülerinnen und Schüler an diesem Wochenende auf ihre Aufgabe als Guides vor.

Es geht für mich in dieser Ausstellung ganz zentral um die Würde des Menschen.

Maren Schmidt

Pastorin der Offenen Kirche St. Nikolai

Kathrin Gomolzig von der Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein erklärt die Besonderheit des Konzepts: „Jugendliche können sich in dieser Ausstellung mit Gleichaltrigen identifizieren.“ Und das gleich zweifach – mit Anne Frank und den Peer-Guides, die gemeinsam mit ihnen durch die Ausstellung gehen.

Während Luisa Galli sich schon lange unter anderem im Bereich Kinder- und Jugendbeteiligung engagiert, hat Jannis Köser die Lektüre des Tagebuchs der Anne Frank im Unterricht motiviert, Peer-Guide zu werden. „Ich finde wichtig, dass man sich engagiert und nicht nur zuschaut“, sagt der 15-Jährige mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und das Erstarken rechtsextremer Kräfte. Für den Schüler vom Friedrich-Schiller-Gymnasium in Preetz ist es wichtig, dass man auf Augenhöhe über das Thema ins Gespräch komme.

Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“

Die Ausstellung des Anne-Frank-Zentrums Berlin vermittelt entlang von Anne Franks Lebensgeschichte mit Stellwänden, Fotos, Videos und anderen Multimedia-Elementen historische Fakten zur Weimarer Republik, zum Nationalsozialismus und Holocaust. Ebenso schlägt sie Brücken zur Gegenwart.
Zu sehen ist die Ausstellung vom 14. September bis 9. Oktober in der Offenen Kirche St. Nikolai (Montag bis Freitag 10 bis 16 Uhr, Sonnabend 10 bis 13 Uhr, Sonntag 10 bis 14 Uhr). Schulklassen ab Klasse sieben, Jugend- und junge Erwachsenengruppen können sich für zweistündige Führungen auf der Website der Aktion Kinder- und Jugendschutz anmelden – insbesondere nachmittags gibt es noch freie Termine.

Anne Frank wurde 1929 in Frankfurt geboren. Ihre Familie emigrierte 1933/34 nach Amsterdam, wo sie sich ab 1942 in einem Hinterhaus verstecken musste. Dort schrieb Anne Tagebuch. Die Untergetauchten wurden 1944 verraten, verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Anne Frank starb 1945 im Alter von 15 Jahren im KZ Bergen-Belsen.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

„Es geht für mich in dieser Ausstellung ganz zentral um die Würde des Menschen“, sagt Maren Schmidt, Pastorin der Offenen Kirche St. Nikolai, diese mache sich nicht an Herkunft oder Religionszugehörigkeit fest. „Anne Franks Geschichte ist eine Mahnung, die uns heute noch dazu aufruft, uns gegen jede Form von Intoleranz, Diskriminierung und Hass einzusetzen“, sagt der Landesbeauftragte für politische Bildung, Christian Meyer-Heidemann.

Peer-Guides: Begleiten statt belehren

Ab Montag sind Luisa Galli und Jannis Köser mit Schülerinnen und Schülern in der Ausstellung unterwegs. Was machen sie mit gelangweilten Schülern? „Erstmal geht es ja nicht darum, dass wir die Schulklassen führen oder belehren, sondern nur begleiten“, sagt Galli. Es würde also niemand vollgetextet. Köser ergänzt: „Das Tolle ist, dass die Ausstellung neben dem historischen auch einen aktuellen Teil hat“, davon werden sich sicher viele angesprochen fühlen.

Ein Beispiel: Was kann man selbst tun, wenn man in der Schule Hakenkreuze sieht? Wie gehe ich mit Diskriminierungen um? „Wir wollen auch Handlungsperspektiven aufzeigen“, sagt Galli. Sie hat auch eine konkrete Botschaft an Schülerinnen und Schüler: „Begreift euch auch als Kontinuität von Geschichte.“ Wenn es gelingt, das mit der Ausstellung zu vermitteln, würde sie sich sehr freuen, sagt sie.

Luisa Galli und Jannis Köser jedenfalls kommen ins Handeln und tragen mit ihrem Engagement dazu bei, dass Anne Franks Geschichte weitererzählt wird und viele Jugendliche sich mit ihrer Verantwortung in Zeiten von erstarkendem Antisemitismus und Rechtsextremismus auseinandersetzen.

KN