Remscheid. Der eritreische Familienvater nennt Ewelina Kamrowski einen Leuchtturm. „Sie haben mich zu einem Busfahrer gemacht“, dankt der 36-jährige Ostafrikaner der Caritas-Mitarbeiterin. Ein Lob, das gut tut. Es ist ihr aktuelles Beispiel, erzählt die Migrationsberaterin mit Stolz, denn es zeigt, wie wichtig die von Mittelkürzungen bedrohte MBE, Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer ab 27, ist.
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Kamrowski drehte in der Not an der richtigen Schraube. Die sechsköpfige Flüchtlingsfamilie des Mannes zählt zu ihren Klienten. Deren Integration in Remscheid hat die Beraterin begleitet.
Pflichtbewusst, ruhig, angenehm.
Ewelina Kamrowski
über den eritreischen Familienvater
Drei Jahre arbeitete der Ingenieur als Paketzusteller. Als „pflichtbewusst, ruhig, angenehm“ beschreibt ihn Ewelina Kamrowski. Dann verlor der 36-Jährige seinen Job. Treppauf, treppab im Eiltempo die Post abliefern ging nicht mehr. Sein Körper streikte. Eine schwere Lungen-OP zwang zum Umdenken. Der Eritreer suchte händeringend einen Beruf, den er im Sitzen ausüben kann. „Ich muss doch ein Beispiel für meine vier Kinder abgeben und arbeiten“, erklärte er Kamrowski.
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Die Caritas-Fachfrau erinnerte sich an den Bedarf bei den Stadtwerken und stellte den Kontakt über das Job-Center her. Nach einer Qualifizierung ist der Eritreer nun seit dem Sommer Busfahrer im ÖPNV.
Ohne Migrationsberater wären viele Zugewanderte aufgeschmissen
MBE stieß die entscheidende Tür auf. Ohne die Migrationsberater wären viele Zugewanderte aufgeschmissen. MBE-Zielgruppe sind Personen über 27 Jahre mit einer Aufenthaltserlaubnis, Migranten, die sich dauerhaft in Remscheid aufhalten, EU-Bürger, Drittstaatenangehörige und anerkannte Flüchtlinge. MBE bringt Licht in den gefürchteten deutschen Bürokratie-Dschungel, der Neuankömmlinge heillos überfordert und ohne Hilfe scheitern ließe.
Die Berater unterstützen beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen, bei der Suche nach Wohnung, Stromanbieter und Arbeit, dem Abschließen von Versicherungen und Handyverträgen, Rundfunkgebühren, Kinderbetreuung, dem Finden von Kita- und Schulplätzen oder der Klärung von Sozialleistungen und Aufenthaltsfragen.
Vor allem legen die Brückenbauer den Besuch von Integrationskursen nahe, einer Kombi aus Sprachvermittlung und Gesellschafts-/Staatskunde. Für Zugewanderte ist der Erwerb dieses Zertifikates das A und O, Grundstein für eine dauerhafte Niederlassung in Deutschland.
Mittelkürzungen bereiten große Sorgen
Letztes Jahr blickten Migrationsberatung und der Jugendmigrationsdienst (JMD), zuständig für 12- bis 27-Jährige, auf 20 Jahre hierzulande. Mittelkürzungen bereiten mittlerweile große Sorgen. Sie spiegeln sich im Personal wider. In Remscheid bietet der Spanische Verein Hilfe mit zwei Ansprechpartnern, der JMD (Am Bruch 21-23), der zum Internationalen Bund gehört, 2,25 rechnerische Stellen, verteilt auf vier KollegInnen.
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Die Caritas (Blumenstraße 30) hält eine 0,75-Stelle vor, ausgefüllt von Ewelina Kamrowski. Auch die Ressourcen bei Stadtteil e.V. (Neuer Lindenhof, Honsberg) sind überschaubar. Mit Katica Andric erlaubt die finanzielle Ausstattung durch den Bund nur noch eine Vollzeitstelle.
Träger schlagen Alarm
Die Träger schlagen im Rahmen einer Aktionswoche im September Alarm. „Unser Gesamtbudget ist nicht mehr auskömmlich. Kosten steigen, Tarife steigen, alles ohne Refinanzierung“, klagt Ralf Noll, Geschäftsführer von Stadtteil e.V. Dessen Dachverband, die AWo, hat bereits in einigen Städten auf die Bremse treten müssen.
Michael Groß, Präsident der AWo und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, warnt vor Kürzungen im Bundeshaushalt: „Sollten sie durchgesetzt werden, droht die drastische Reduzierung unserer Angebote und die Schließung vieler Einrichtungen.“
Groß spricht von verheerenden Folgen für die hilfsbedürftigen Menschen, aber auch für die Kommunen, die das „Wegbrechen etablierter und professioneller Beratungsstrukturen nicht auffangen können“. 2023 wurden die MBE bundesweit mit 81,5 Millionen Euro von der Regierung gefördert, 2024 nur noch mit 77,5 Mio. Euro.
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Der Koalitionsvertrag in Berlin sieht zwar eine Fortführung vor, aufgrund der Kostensteigerungen führe aber eine gleichbleibende Finanzierung zwangsläufig zur Reduzierung der Beratungen, rechnet Ralf Noll mit dem Schlimmsten.
Sitzen Politiker einem Irrglauben auf?
Dr. Oxana Fuchs, Leiterin Migration beim Internationalen Bund in Remscheid, sieht eine steigende Zahl von Klienten bei gleichzeitiger Einschränkung der Mittel, verbunden mit der Abschaffung sinnvoller Instrumente wie den Jugendintegrationskursen, die auslaufen.
Fuchs ist sicher, dass die Politiker einem Irrglauben aufsitzen: „Deren Wunsch ist es, dass die Integration von Neuankömmlingen in zwei Jahren abgeschlossen sein kann. Das ist aber fern der Realität.“ Katica Andric, seit dem Frühjahr 2020 MBE im Neuen Lindenhof, kann dies aus ihrem fordernden Alltag bestätigen. Ihr Diensthandy klingelt oft außerhalb der Bürozeiten.
Case-Management ist aufwändig und frisst Zeit, gerade für sie als Sozialpädagogin: „Denn wir müssen alle sich oft verändernden Gesetze und Bestimmungen kennen. Das ist hochkomplex. Es dauert, sich in jede Materie einzuarbeiten.“ Aber auch ihr Umgang mit Klienten kostet Energie: „Der Wust an Erledigungen und Verpflichtungen in der neuen Heimat überfordert viele. Wir beginnen unsere Arbeit oft mit einem Problem, aus dem weitere erwachsen.“
Migrationsberater kennen auch die skrupellosen Arbeitgeber
Ein zäher Prozess, räumt Andric ein. Aber: Die „Hilfe zur Selbsthilfe“ verhindere, dass Unkundige ahnungslos in finanzielle Schräglage und einen Schuldenstrudel geraten, aus dem es nur schwerlich ein Entrinnen gibt.
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Migrationsberater kennen auch die skrupellosen Arbeitgeber, die billige Kräfte ausbeuten. Den Betroffenen Rechtsbeistand zu vermitteln, gehört zu ihrem Job. Der ist gerade bei den MBE von Ungewissheit geprägt, weil sich Zeitvertrag an Zeitvertrag reiht. Eine Erkenntnis beruhigt jedoch alle BeraterInnen. „Wir sind die, die Integration machen“, meint Katica Andric selbstbewusst.
Beratungsgespräche bei der MBE sind nach vorheriger Vereinbarung möglich, im Neuen Lindenhof unter 02191/938043 (Katica Andric), bei der Caritas unter 02191/69447023 (Ewerina Kamrowski) oder beim JMD unter 02191/6941310 (Dr. Oxana Fuchs, Heike Roggenbuck, Alfons Herweg, Kerstin Weckbecker-Jahn).
RGA