In Wuppertal wird seit dieser Woche Ukrainisch-Unterricht für Schüler mit ukrainischer Herkunft angeboten. In drei Lerngruppen mit je maximal 25 Schülern werden sie hierfür donnerstag- und freitagnachmittags im Johannes-Rau-Gymnasium unterrichtet. In zwei der drei Gruppen lernen Grundschüler nach Sprachniveau eingeteilt miteinander. In der dritten Gruppe werden Schüler von der fünften bis zur zehnten Klasse gemeinsam unterrichtet. Welche Schulform sie normalerweise besuchen, spielt hierbei keine Rolle. Die Bewertung, die sie im Ukrainischunterricht erhalten, wird die zuständige Lehrerin am Ende jedes Halbjahres an ihre Schulen weiterleiten, sodass sie als zusätzliche Leistung im Zeugnis steht, wie Iryna Shtern, stellvertretende Vorsitzende des Deutsch-ukrainischen Kulturzentrums Lerche erklärt.

Der herkunftssprachliche Unterricht an öffentlichen Schulen ist fester Bestandteil der nordrhein-westfälischen Integrationspolitik. Schüler mit internationaler Familiengeschichte, die mehrsprachig aufwachsen, sollen so neben dem Erwerb der deutschen Sprache in ihrer ethnischen, kulturellen und sprachlichen Identität gefördert werden. Außerdem bietet Mehrsprachigkeit ein wichtiges Potenzial für die kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Alle unterrichteten Herkunftssprachen unterliegen demselben Lehrplan und umfassen bis zu fünf Wochenstunden. Die Teilnahme am Unterricht ist kostenlos und die Lehrbücher werden von den Schulen zur Verfügung gestellt. Am Ende der Sekundarstufe I legen die Schüler eine Sprachprüfung ab, deren Ergebnis auf ihrem Abschlusszeugnis vermerkt wird. Die durchführenden Lehrkräfte sind Muttersprachler mit einer Lehrbefähigung nach deutschem Recht und beim Land NRW angestellt.

Schulministerium
winkte erst ab

An Wuppertaler Schulen wurde herkunftssprachlicher Unterricht bislang in 14 Sprachen angeboten – darunter Arabisch, Türkisch, Italienisch und Russisch – Ukrainisch aber nicht, im Gegensatz zu anderen Städten wie Düsseldorf, Solingen und Remscheid. In der Spielgruppe, die der Verein Lerche seit Mai 2022 für ukrainische Kinder ohne regulären Kitaplatz anbietet, kam die dort als Erzieherin tätige Iryna Shtern mit einer Mutter in Kontakt, die mehrfach vergebens versucht hatte, ihr Kind für herkunftssprachlichen Ukrainisch-Unterricht an der Schule anzumelden. Dort hieß es, dass aufgrund zu geringer Anmeldezahlen kein Unterricht zustande käme. „Ein Angebot existiert nur dann, wenn es genug Anmeldungen gibt“, sagt Shtern. Also wandte sie sich an das Schulministerium, wo ihr gesagt worden sei, dass ein Bedarf an herkunftssprachlichem Ukrainischunterricht derzeit nicht bestehe, da viele Eltern ihre ukrainischen Kinder für den Russischunterricht anmelden. Dies sei für manche Eltern jedoch nicht akzeptabel und die ukrainische Sprache sei ihnen wichtig, wie sie betont. Sie lernte eine Ukrainischlehrerin kennen, die seit 2022 in Remscheid und Solingen Herkunftssprecher unterrichtet und betrieb Werbung auf Facebook und Telegram, um genügend Anmeldungen zusammenzutragen. Interessenten schickte sie das Anmeldeformular. Rund 100 Anmeldungen kamen zusammen, woraufhin das Ministerium die drei Gruppen genehmigte.

Iryna Shtern findet es wichtig, dass die geflohenen Schüler unabhängig davon, ob sie nach dem Krieg in ihre Heimat zurückkehren, ihre Sprache nicht verlieren und dass sie dort nach dem Krieg wieder die Schule besuchen können, sagt sie. „Die Kultur fängt mit Sprache an. Wenn sie ihre Kultur behalten möchten, müssen sie ihre Sprache behalten.“

Zur allerersten Ukrainischstunde begrüßte Iryna Shtern die Schüler persönlich und beschenkte sie mit ukrainischen Büchern und Armbändern mit ukrainischen Symbolen. Aktuell sind etwa 30 Schüler auf der Warteliste. Iryna Shtern: „Wir würden uns freuen, wenn wir nächstes Jahr mehr Klassen anbieten könnten.“