Millennials, die zu Beginn der 2010er Jahre eine Obsession für Blogging-Plattformen hatten, erinnern sich vielleicht: Es war die Zeit endloser Nächte, zerkratzter MacBook-Oberflächen und unerschöpflicher Feeds. Die neue Blogkultur hielt viele wach – man kuratierte mit verwaschen-dunklen Fotos, zitierten Songzeilen und lyrischen Eigenkreationen ein ganz eigenes digitales Schmuckkästchen. Wer sich in der Melancholie des klassischen „Tumblr-Grunge“ verortet fühlt, wird inmitten der Arbeiten der britischen Künstlerin Issy Wood ein besonderes Wiedersehen erleben. 

Issy Wood zählt mit Anfang dreißig zu den gefragtesten Künstlerinnen ihrer Generation und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Malerei, Musik und Literatur. Ihre größte Inspiration schöpft sie aus ihrem Blog „committothedish“, welcher sich wie ein rätselhaftes Tagebuch liest. Sie tastet sich in ihren Arbeiten an die emotionale Bedeutung von Objekten heran und wie diese eigene Unsicherheiten widerspiegeln können.

Wie viel Selbstzweifel stecken in einem knuffigen Kitschobjekt? Und wieso erleben wir das Bild eines Autos nun gleich als eine Art männliche Machtfantasie? In Woods Kosmos sind Dinge keine stummen Requisiten, sondern sie sind mit menschlichen Begehren, Scham und Identität aufgeladen.

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Wood malt nicht nur auf Leinwände, sondern auch auf Möbel, Kleider und im Fall ihrer Klanginstallation im Schinkel-Pavillon auf Instrumente und Verstärker. Schrill kracht ihre Musik aus den Marshall-Boxen, die mit Würfeln bemalt sind. Ein Symbol für Glück und Zufall, das sich durch ihre jüngsten Werke zieht. Man könnte stundenlang den geisterhaften Klängen lauschen und dabei in Gedanken schwelgen, wie leichtfertig der Zufall damals ganze Nächte füllen konnte – und wie nah diese Stimmung hier plötzlich wieder ist.

Die Ausstellung

„Issy Wood: Magic Bullet“, Schinkel Pavillon, Oberwallstraße 32, bis 31. Januar 2026, Eintritt: 6 Euro, ermäßigter Eintritt: 4 Euro. Öffnungszeiten während der Berlin Art Week: Do–Fr 14–19 Uhr, Sa–So 11–19 Uhr.

Das komplette Programm der Berlin Art Week gibt es hier: berlinartweek.de.

Auf Kuschelkurs mit dem Kunstmarkt hat sie kein Interesse. Die Mega-Galerie Gagosian warb um ihre Repräsentation und Star-Produzent Mark Ronson wollte ihre Musik über Sony Music groß herausbringen. Doch Wood servierte beide ab. Offenbar braucht sie die Hilfe der ganz Großen nicht, sondern setzt stattdessen auf ihr eigenes Universum. Vom Blog bis zur Leinwand gilt: Nur was sie will, kommt rein.