Ein Glas Nutella, 750 Gramm, kostet bei Rewe in Deutschland 4,99 Euro – bei der Österreich-Tochter Billa steht das gleiche Glas um 6,29 Euro im Regal, man zahlt also um 25 Prozent mehr dafür. Dabei sind Hersteller, Verpackungsgröße und Inhaltsstoffe ident. Die heimische Politik spricht von einem Österreich-Aufschlag, der unzählige Produkte, insbesondere Lebensmittel betrifft.

Hier dürften mehrere Faktoren eine Rolle spielen: Österreichs Lebensmittelhandel hat dichtere und damit teurere Filialnetze. Der deutsche Markt ist größer und lässt sich damit wohl nicht so hohe Herstellerpreise gefallen. Österreichische Kund:innen sind eher bereit, mehr Geld für Qualität auszugeben. Und zu all dem kommt ein System, in dem große Hersteller den Lebensmittelhandel in manchen EU-Ländern teurer als in anderen beliefern und gleichzeitig einen Import aus billigeren Regionen unterbinden. Aufgrund dieser territorialen Lieferbeschränkungen können also die Mutterkonzerne Rewe, Aldi und Lidl in Deutschland nicht ihre Töchter Billa, Hofer und Lidl in Österreich von ihren günstigeren Einkaufspreisen profitieren lassen. Der heimischen Handel stöhnt, Nutella-Hersteller Ferrero will sich auf Nachfrage der WZ dazu nicht äußern.

Vor allem kleine EU-Länder sind betroffen

Unter solchen Preisaufschlägen und Lieferbeschränkungen leiden auch Belgien, Griechenland oder Bulgarien. Betroffen sind also vor allem kleinere EU-Staaten. Der EU ist die Problematik bewusst: So zeigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union vor dem EU-Parlament am 10. September durchaus Bewusstsein für die Belastung durch steigende Lebenshaltungskosten. Allerdings will die EU-Kommission erst bis Ende 2026 konkrete Maßnahmen gegen solche Lieferbeschränkungen, die Preise in die Höhe treiben, vorschlagen – als Teil der EU-Binnenmarktstrategie.

Genau dieser EU-Binnenmarkt – also der gemeinsame europäische Wirtschaftraum, in dem alle EU-Konsument:innen gleichbehandelt werden – wird nämlich durch solche Preisaufschläge hintertrieben. Ein Mittel dagegen gäbe es schon jetzt: das bestehende EU-Wettbewerbsrecht. Die EU-Kommission hat auch bereits einige Bußgelder in der Höhe von mehreren hundert Millionen Euro gegen marktbeherrschende Konzerne wie den Lebensmittelmulti Mondelèz oder den weltgrößten Brauriesen AB InBev verhängt, weil diese den grenzüberschreitenden Handel mit ihren Produkten eingeschränkt hatten. Allerdings sind solche Verfahren langwierig, mühsam und ein Rechtsmittel, das eben nur im Nachhinein eingesetzt werden kann.

Verbot soll Preisaufschläge im Vorfeld verhindern

Österreichs Bundesregierung fordert deshalb ein generelles Verbot von Lieferbeschränkungen, um Preisaufschläge im Vorhinein zu unterbinden. Das könnte die EU-Kommission vorschlagen, beschließen müssten es dann das EU-Parlament und die 27 EU-Mitgliedstaaten im Rat. Nur: Würden jene EU-Länder, in denen die Hersteller mit den höchsten Preisaufschlägen ihren Sitz haben, es gegen deren Interessen durchsetzen? Schließlich profitieren sie von den Steuern auf die höheren Gewinne.

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