Berlin – Es ist vielleicht die ungewöhnlichste Serie des Jahres. In „Call My Agent“ (jetzt bei Disney+) spielen Stars wie Iris Berben, Emilia Schüle und Moritz Bleibtreu sich selbst.

Exklusiv mit BILD sprechen sie über Selbstironie, Unsicherheiten in der heutigen Zeit, Altersdiskriminierung und einen ungewöhnlichen Wunsch von Moritz Bleibtreu – schwanger zu sein.

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BILD: An welchen Stellschrauben haben Sie gedreht, um sich selbst zu überhöhen?

Iris Berben: „Die vielen Jahrzehnte, die ich in dem Beruf verbracht habe, waren für mich manchmal eine Achterbahnfahrt. Daraus ist für die Figur der Wunsch entstanden: Ich will zurück zu den Anfängen. Eine Zeit, in der man unbeobachtet war, viel ausprobiert hat und – ja – auch sehr oft auf die Schnauze gefallen ist. Und trotzdem immer wieder aufgestanden ist. Hauptsache, man macht etwas Neues. So sehe ich mich schon: immer weitermachen. Ich gehe heute allerdings anders mit meiner Zeit um. Das ist vor allem dem Alter geschuldet. Ich möchte mich nicht mehr wiederholen. Und ich hoffe, immer noch Kolleginnen und Kollegen zu treffen, die mich auf eine andere Bahn schicken, von der ich heute noch nicht weiß, ob ich aus der nicht rausfliege.“

Moritz Bleibtreu: „In meiner Folge geht es ja um die Urangst aller Schauspieler: keine Rollen mehr zu bekommen. Ob nun der Grund ist, dass man älter wird, wie in meinem Fall, ob man die Haare verliert, wie Billy Zane, oder ob man einfach überhaupt nicht mehr angesagt ist, weil man drei schlechte Filme gemacht hat.“

Moritz Bleibtreu, Iris Berben und Emilia Schüle (v. l.) mit BILD-Autor Michael Schacht

Bleibtreu, Berben und Schüle (v.l.) mit BILD-Autor Michael Schacht

Foto: © Frank Zauritz

Haben Sie diese Ängste auch?

Berben: „Ja, natürlich!“

Emilia Schüle: „Wer hat die nicht?“

Bleibtreu: „Denn egal, wo du stehst, wie erfolgreich du bist: In unserem Beruf weißt du nie, was morgen kommt. Die jetzige Zeit ist übrigens ein gutes Beispiel.“

Berben: „Wir machen gerade extrem unsichere Zeiten durch. Ich höre von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen, dass sie keine Angebote bekommen. Dass sie nicht wissen, wie und ob es weitergeht. Es gibt viel Stillstand, viel Abwarten. Das alles führt dazu, dass es für uns alle keine Sicherheit mehr gibt. Hinzu kommt, dass wir in einer Welt mit einer unglaublichen Geschwindigkeit leben. Menschen sind heute sehr schnell gelangweilt, sie wollen ständig gefüttert werden. Und es wird ihnen suggeriert, dass sie diese Geschwindigkeit auch wirklich brauchen. Das war tatsächlich mal anders. Ich konnte Stück für Stück auf etwas aufbauen, mich weiterentwickeln. Aber wenn wir an TikTok denken, wissen wir ja, wie kurz die Aufmerksamkeitsspanne geworden ist. Wo bleibt da der Film?“

Schüle: „Und es kommt noch hinzu, dass die Algorithmen bestimmen, was wir zu sehen bekommen – und was nicht. Und damit bestimmen sie auch, was gefragt ist. Das ist schlecht für uns alle.“

Berben: „Das alles führt dazu, verunsichert zu bleiben bis zur nächsten Anfrage.“

Bleibtreu: „Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich renne seit zwanzig Jahren durch die Gegend, und die Leute glauben, ich sei Multimillionär, weil ich im Fernsehen oder auf der Leinwand bin. Das bedeutet für viele immer noch: Ergo, der ist reich.“

Berben: „Ein Klischee! In Deutschland kannst du als Schauspieler kein Multimillionär werden.“

Bleibtreu: „Im Gegenteil: Ich habe Filme gemacht, bei denen ich Geld mitbringen musste.“

Berben: „Auch das kenne ich.“

Beeindruckendes Ensemble: Seyneb Saleh (37), Benny O. Arthur (27), Vladimir Korneev (38), Gabrielle Scharnitzky (69), Dana Herfurth (27), Florence Kasumba (48), Moritz Bleibtreu (54), Michael Klammer (45), Iris Berben (75), Karin Hanczewski (43), Heike Makatsch (54), Lucas Gregorowicz (49),Frederick Lau (36), Emilia Schüle (32), Heiner Lauterbach (72), Veronica Ferres (60), Taynara Wolf (28), Jana Klinge (44) und Janina Elkin (42, v. l.)

Beeindruckendes Ensemble: Seyneb Saleh (37), Benny O. Arthur (27), Vladimir Korneev (38), Gabrielle Scharnitzky (69), Dana Herfurth (27), Florence Kasumba (48), Moritz Bleibtreu (54), Michael Klammer (45), Iris Berben (75), Karin Hanczewski (43), Heike Makatsch (54), Lucas Gregorowicz (49), Frederick Lau (36), Emilia Schüle (32), Heiner Lauterbach (72), Veronica Ferres (60), Taynara Wolf (28), Jana Klinge (44) und Janina Elkin (42, v. l.)

Foto: Getty Images

Bleibtreu zur Schauspielerei: „Wir lieben das Spiel.“

Und dennoch würden Sie alle keinen anderen Beruf ergreifen wollen, oder?

Schüle: „Ja, sicher. Aber ich kann für mich auch sagen: Die Liebe und die Leidenschaft zum Beruf koexistieren mit der Angst.“

Bleibtreu: „Ich habe relativ frühzeitig die Entscheidung getroffen: all in! Ich glaube, das kann ich für uns alle drei sagen: Die Liebe zum Spiel ist das Einzige, das uns so weit gebracht hat. Keiner von uns hier wollte reich oder berühmt oder beides werden. Wir lieben das Spiel.“

Berben: „Ich sage jungen Kolleginnen und Kollegen deshalb auch immer, wenn sie mich nach dem Beruf fragen, dass sie sich darüber im Klaren sein müssen, ob sie Schauspieler werden wollen oder berühmt. Das kann zusammenfinden, im besten Fall. Taugt aber nicht als Grundidee.“

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Zurück zu Ihrer Serie: In „Call My Agent“ ist es übrigens der Mann, der Altersdiskriminierung ausgesetzt ist. Moritz Bleibtreu soll zum Schönheitschirurgen. Ist Ihnen das schon einmal passiert?

Bleibtreu: „Das habe ich so zum Glück noch nie gehört. Ich denke, es gibt nach wie vor einen großen Unterschied zwischen Frauen und Männern.“

Schüle: „Zu mir hat man schon bei meinem ersten Film gesagt, mit 15, dass ich besser nicht diesen Muffin essen sollte.“

Berben: „Das ist mir nie passiert.“

Schüle: „Ich habe mir auch nichts daraus gemacht. Aber trotzdem fallen diese Sätze ständig.“

Bleibtreu: „Ich glaube, jeder von uns macht irgendwann ein klassisches Age-Gap durch. Schon bei Shakespeare gab es die junge Heldin und die Amme. Dazwischen kam nicht mehr viel. Das ist für Frauen besonders schlimm. Gerade bist du noch Liebhaberin, und dann bist du eigentlich schon alt.“

Berben: „Nur im Theater hast du als ältere oder auch als alte Frau immer noch ein großes Repertoire an Rollen.“

Bleibtreu: „Absolut. Beim Film ist es viel schlimmer.“

Berben: „In Film und Fernsehen ist bei Besetzungsgesprächen der entsetzliche Begriff fuckable aufgetaucht. Dieses vulgäre Wort beschreibt, ob jemand sexuell attraktiv ist. Man ist fassungslos!“

Schüle: „Und leider kann man immer noch sagen, dass Frauen ab 40 viel zu wenig stattfinden.“

Heike Makatsch besucht ihre (fiktive) Agentur

Heike Makatsch (M.) besucht ihre (fiktive) Agentur

Foto: 2025 The Walt Disney Company


Ihr Verhältnis ist nicht immer einfach: Frederick Lau und seine (fiktive) Agentin (Karin Hanczewski)

Ihr Verhältnis ist nicht immer einfach: Frederick Lau und seine (fiktive) Agentin (Karin Hanczewski)

Foto: 2025 The Walt Disney Company


Was antwortet man darauf, wenn dieses Wort fällt? Wie reagiert man?

Berben: „Mich persönlich hat dieses Problem nie getroffen. Vielleicht liegt das daran, dass ich schon relativ früh alte und ältere Frauen gespielt habe. Frauen, die 20 oder sogar 30 Jahre älter waren als ich. Ich habe von Anfang an versucht, mich breit aufzustellen. Dass mir jemand sagt, ich sei zu dick, zu klein, zu alt ist mir vielleicht deshalb nie wissentlich passiert. Aber das Problem besteht.“

Wie kann es gelingen, dass das, was über einen gesagt wird, egal ist?

Berben: „Selbstbewusstsein kann man nicht lernen, aber trainieren. In manchen Situationen hilft es vermutlich sogar, Selbstbewusstsein zu spielen. Ich denke, jeder von uns ist auch von Verunsicherung getrieben. Die Unsicherheit ist ein Teil von uns, den ich sehr spannend finde, weil man irgendwann anfängt, zu analysieren, warum man unsicher ist.“

Bleibtreu wollte schon mit 7 ein Baby bekommen

Zum Schluss: Was würden Sie tun, wenn Sie jeweils einen Tag in der Rolle des oder der anderen sein könnten?

Schüle: „Ich glaube, ich würde sehr gern einen Tag lang nur die Schafe von Iris füttern.“

Bleibtreu: „So, so, du willst einfach schön zu Iris ins Haus.“

Schüle: „Ja, ich will einfach nur Iris sein.“ (lacht laut)

Berben: „Schön! Und ich möchte einfach sehr gern einmal Moritz sein, weil ich das unendlich spannend fände, zu wissen, wie es ist, ein Mann zu sein, was das bedeutet. Um zu wissen, zu verstehen, ob der kleine Unterschied, der nun mal vorhanden ist, wirklich so klein ist. Ja, ich wäre einfach gern mal ein Kerl, wie du, Moritz, möchte fühlen, wie du durch die Straßen gehst, was du siehst, was du denkst.“

Moritz Bleibtreu hat einen 16-jährigen Sohn aus einer früheren Beziehung

Moritz Bleibtreu hat einen 16-jährigen Sohn aus einer früheren Beziehung

Foto: © Frank Zauritz

Bleibtreu: „Ich verstehe das total. (lacht) Und wenn ich die Möglichkeit hätte, ein Baby zu bekommen, dann würde ich gerne sofort schwanger sein. Ohne Scheiß. Das sage ich schon, seit ich ganz klein bin. Ich habe nicht geglaubt …“

Schüle: „Was? Dass du als Junge nicht schwanger sein kannst?“

Bleibtreu: „Genau. Ich war sieben Jahre alt und wollte unbedingt ein Baby. Meine Mutter hat mir dann gesagt, dass das nicht funktionieren kann. Von wegen Eierstöcke und so. Und ich habe nur gesagt: ‚Woher willst du das denn wissen?‘“

Schüle: „Du hast es also trotzdem nicht akzeptiert?“

Bleibtreu: „Genau. Deshalb würde ich diese Erfahrung auch heute immer noch gerne machen, weil ich den Gedanken einfach so faszinierend finde.“

Berben: „Man behauptet ja, dass Männer den Schmerz einer Geburt nicht ansatzweise aushalten können.“

Schüle: „Wahrscheinlich halten Männer sogar den Menstruationsschmerz nicht aus. Was wir Frauen alles durchmachen unser Leben lang und gleichzeitig auch noch schlechter bezahlt werden, ist doch eigentlich absurd.“

Bleibtreu: „Genau deshalb will ich ja schwanger sein … “(lacht laut)