Berlin – Der Tag des offenen Denkmals ist eine ganz hervorragende Idee: Man sieht Gebäude von innen, die man sonst nicht betreten kann. Man sieht alles mit anderen Augen. Am Wochenende war das Internationale Kongresszentrum (ICC) geöffnet und seitdem frage ich mich, weshalb es geschlossen wurde – und vor allem, warum man es nicht längst wieder geöffnet hat, denn es ist und bleibt eine Legende.
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Im ICC habe ich meine Frau kennengelernt, das ist mehr als 30 Jahre her. Seitdem ist es für uns ein ganz besonderer Ort. Wir bekamen um 11 Uhr einen Platz in der „Pullmann Lounge“. Die liegt über dem Haupteingang hinter den oberen Fenstern, die leicht nach vorn geneigt sind, wie die Fenster der Kommandobrücke auf einem Schiff.
Erste Überraschung: Auf dem Weg zum ICC müssen wir den berüchtigten Fußgängertunnel unter dem Messedamm nehmen. Der ist plötzlich ganz sauber: Wände gewaschen, Boden gereinigt, kein Müll, kein Gestank, keine Obdachlosen. Aha, es geht also!
In der Pullmann Lounge bewirtet uns das Pop-up Bistro „Herrlich Dining“ von Hannah Kleeberg. Es gibt Bagel mit Schnittlauch-Butter, Kartoffelsalat, frittierte Austernpilze auf der Waffel und Tiramisu. Die Einrichtung ist gepflegt, die grünen Kacheln an den Wänden glänzen, das Holzfurnier ist poliert, der berühmte Veloursteppich mit den grau-grünen Kreisen auf schwarzem Grund hat keine Flecken und ist gar nicht abgelaufen.
So ist es überall im Gebäude: saubere Teppiche, blitzblanke Toiletten. Auch im berühmten Saal 1 mit den 5000 (!) Sitzen und der enorm hohen Decke ist alles in Ordnung. Hunderte von neugierigen Besuchern setzen sich dahin und staunen über die Größe.
Die älteren erzählen sich Geschichten von damals, als das ICC mit seinen 213.000 Quadratmetern Grundfläche zu den größten und begehrtesten Kongresszentren Europas gehörte. Der Saal 1 war auch eine Showbühne. Ich sah dort Marcel Marceau.
Warum wurde das ICC eigentlich geschlossen? Weil die Messe Berlin behauptete, dass es nicht mehr rentabel sei, die Ausgaben würden die Einnahmen übersteigen. Die Messe Berlin gehört dem Senat, der nickte den Ausstieg aus dem ICC ab und suchte einen privaten Investor für die Sanierung und den Weiterbetrieb, aber nur halbherzig: Man wollte das ICC nicht ganz in private Hände geben, die Investoren sollten nur mitmachen.
Das aber lehnten sie ab, es fand sich weltweit niemand. 2019 stellte der damalige Kultursenator Lederer (Linke) das ICC unter Denkmalschutz. Nun wurde es noch schwieriger. Deshalb beschloss der CDU-SPD-Senat 2023, das ICC für einen Euro und per Erbbaurecht an denjenigen zu übertragen, der es sanieren und betreiben werde.
Wirtschaftssenatorin Giffey (SPD) meldete, es seien nun endlich in einem „Interessenbewerbungsverfahren“ Investoren gefunden, unter denen in einem „Dialogverfahren“ der passende ausgesucht werden könne, aber erst 2026. Dann steht das ICC 12 Jahre leer.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de