Bielefeld. Im Hauptzollamt Bielefeld herrscht nach Angaben von Mitarbeitern eine Atmosphäre der Angst. In Briefen von Ende 2024 und Anfang 2025 an die Leitung der Behörde, die dieser Redaktion vorliegen, prangert eine Gruppe von Zollbediensteten Machtmissbrauch, Diskriminierung, Bloßstellungen und Strafen an. Die Vorwürfe wiegen schwer und richten sich gegen die Leitung sowie die Personalabteilung, die Gleichstellungsbeauftragte und den Personalrat.

„Jeder Mitarbeiter, der Kritik äußert, muss als Strafe mit schlechten Beurteilungen und Versetzungen rechnen, unabhängig von der persönlichen Lebenssituation“, moniert eine Zöllnerin, die aus Angst vor Repressalien anonym bleiben möchte. „Die Sorge vor schlechten Beurteilungen, die im mittleren Dienst alle zwei Jahre durchgeführt werden, ist sehr groß, weil sie Beförderungen unmöglich machen.“ Kritische Kollegen würden so kaltgestellt, sagt die Mitarbeiterin. „Das zeigt den anderen Kollegen, was ihnen drohen kann, wenn sie Kritik äußern.“

Trotzdem versuchen die Zollbedienstete und ihre Mitstreiter, gegen die Missstände anzugehen. „Wir haben Leitung, Personalabteilung, Gleichstellungsbeauftragte und Personalrat bereits zwei Mal ausführlich in Briefen informiert und um Aufklärung und Verbesserungen gebeten, doch darauf gab es bislang keine Antworten.“ Lediglich der Personalrat habe auf das zweite Schreiben reagiert. „Allerdings hieß es nur, dass wir unsere Namen preisgeben sollen, wenn wir ernst genommen werden wollen.“ Dazu sei jedoch niemand bereit, erklärt die Mitarbeiterin. „Mit Feigheit hat das nichts zu tun. Die Angst ist zu groß und genau das haben wir in den Briefen erklärt.“

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Gleichstellungsbeauftragte soll sich nicht an Schweigepflicht halten

Besonders schwer wiegen die Vorwürfe gegen die Personalabteilung und die Gleichstellungsbeauftragte. „Mehrere Kollegen mussten erleben, dass intime Details aus Gesprächen in den beiden Abteilungen öffentlich gemacht wurden“, moniert die Zöllnerin. „Das Brechen der Schweigepflicht scheint offenbar zur allgemeinen Unterhaltung zu dienen, denn mitunter werden die Probleme von Kollegen in großer Runde ins Lächerliche gezogen.“ Dadurch gebe es keine Schutzräume. „Der Vertrauensverlust ist gewaltig.“ Das gelte auch für den Personalrat. „Niemand steht für uns ein. Das ist keine Interessenvertretung.“

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Die Mitarbeiter kritisieren zudem fehlende Mitbestimmung, Ungleichbehandlungen und Verzögerungen. „Viele Kollegen erhalten nicht einmal Rückmeldungen auf ihre Anliegen“, erklärt die Mitarbeiterin. „Wer sich nicht mit der Gleichstellungsbeauftragten und der Personalabteilung gut stellt und spurt, wird systematisch übergangen.“ Dieses Klima fördere Frust und Resignation.


Im Hauptzollamt Bielefeld kritisieren Bedienstete eine Atmosphäre der Angst. - © Andreas Zobe

Im Hauptzollamt Bielefeld kritisieren Bedienstete eine Atmosphäre der Angst.
| © Andreas Zobe

Anwärter soll als „osmanischer Hilfsarbeiter“ angesprochen worden sein

Kritik üben die Mitarbeiter auch an der Leitung der Behörde. „Über Machtmissbrauch und Fehlverhalten wird einfach hinweggesehen“, kritisiert die Zollbedienstete. Das gelte auch für Diskriminierung von Bediensteten mit Migrationshintergrund. „Ein junger Anwärter wurde vor Zeugen von einem Kollegen mit der Frage begrüßt: ‚Bist Du der neue osmanische Hilfsarbeiter?‘ Konsequenzen gab es aber nicht“, sagt die Zöllnerin. Entgleisungen dieser Art seien keine Einzelfälle, doch Betroffene würden sich aus Angst nicht bei ihren Vorgesetzten beschweren. „Es kann doch nicht sein, dass so etwas geduldet wird. Im Zollamt repräsentieren wir doch alle den Staat.“

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Empört sind die Mitarbeiter auch über den Umgang mit Kollegen, die als Waffenträger in Bereichen wie der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, regelmäßig Selbstverteidigung im Dienstsport trainieren müssen. „Am Standort Herford wurden einzelne Kollegen vor dem gesamten Team von den Trainern angeschrien und gedemütigt“, erklärt die Mitarbeiterin. „Außerdem werden Strafen für alle verhängt, wenn nach Ansicht der Trainer ein Teilnehmer eine schlechte Leistung abliefert. Dann wird die gesamte Gruppe zu zusätzlichen Liegestützen oder anderen Übungen verdonnert.“

Zudem würden die Teilnehmer im Dienstsport dazu gezwungen, ihre Diensthosen zu tragen. „Die Hosen schränken aber die Bewegungsmöglichkeiten ein, sind nicht atmungsaktiv, fördern Scheuerstellen und erhöhen das Verletzungsrisiko“, erklärt die Mitarbeiterin. Trotzdem gelte die Vorschrift. „Während die Trainer Sporthosen tragen.“

Streit über Kleiderordnung im Zollamt gipfelt in Schuhkontrollen

Das Hauptzollamt Bielefeld äußert sich nicht zu den Vorwürfen. Auf Anfrage erklärt Sprecher Ralf Wagenfeld, dass die Behörde „zu internen Personalvorgängen“ keine Stellung nehmen kann, Kritik aber „ernst nimmt“. Zum verpflichtenden Dienstsport und der einsatzorientierten Selbstverteidigung erklärt Wagenfeld, dass diese nach den gültigen Vorschriften und Vorgaben durchgeführt würden.

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Neu sind Probleme im Hauptzollamt Bielefeld nicht. 2018 machten Mitarbeiter Missstände öffentlich, nachdem das Tragen von Birkenstock-Sandalen verboten wurde. Danach folgten Schuhkontrollen. Mitarbeiter wurden dazu aufgefordert, schriftliche Stellungnahmen abzugeben und Kollegen zu denunzieren, um herauszufinden, wer diese Redaktion über den Streit um die Kleiderordnung informiert hat.

Zöllner müssen ohne Schulung und Waffen an Razzien teilnehmen

Im April machten Zollbedienstete aus dem Bereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit zudem auf fehlende Schulungen aufmerksam, sodass Zöllner ohne Waffen und passende Vorbereitung an Razzien teilnehmen mussten. Auch in diesem Fall sucht die Leitung des Hauptzollamtes nach Angaben von Mitarbeitern wieder die Bediensteten, die die Redaktion über die Missstände informiert haben. „Die Suche nach dem Maulwurf läuft und das ärgert uns massiv, denn alle beteiligten Führungskräfte sollten ihre Zeit und Energie lieber in die Lösung der Probleme investieren“, fordert die Mitarbeiterin. „Wir wissen nicht mehr weiter.“