Jüchen hatte die Wahl – aber eine Entscheidung gibt es noch nicht: Das Rennen um das Bürgermeisteramt zwischen den Kandidaten Harald Zillikens und Philipp Sieben geht in die Stichwahl. Während bei Zillikens’ CDU im Haus Katz merklich gedrückte Stimmung herrschte, wurde ein paar Ecken weiter im Roten Salon der SPD gefeiert. Zillikens schaffte es auf 48 Prozent der Wählerstimmen. Sieben auf 43,7. Eine Überraschung ist Tobias Hekermann, der für Die Partei angetreten war, ohne Jüchen wirklich zu kennen. Er kam auf 8,3 Prozent der Stimmen.

Um kurz nach 18 Uhr, als es im Haus Katz noch ziemlich leer ist, lässt sich Philipp Sieben dort das erste Mal blicken. Noch sind keine Ergebnisse bekannt, doch der parteilose, von der SPD unterstützte Bürgermeisterkandidat blickt dem Abend optimistisch entgegen: „Ich hatte viele gute Gespräche mit Bürgern. Es liegt eine Wechselstimmung in der Luft“, sagt er.

Dem CDU-Vorsitzenden Justin Krönauer steht die Anspannung schon zu Beginn des Abends ins Gesicht geschrieben. „Es war ein harter, fordernder Wahlkampf. Jetzt bin ich nervös“, sagt er. Doch er ist sich sicher: „Wir haben die richtigen Themen gesetzt, die die Leute hier bewegen: Sicherheit und Schulen.“ Als bereits eingelöstes Wahlversprechen bezeichnet Krönauer den in die Wege geleiteten Neubau der Rettungswache.

Mit Blick auf das Kreistagswahlergebnis für Jüchen äußert Krönauer große Besorgnis. Die gut 14 Prozent für die AfD, die damit ihr Ergebnis von vor fünf Jahren mehr als verdoppeln konnte, bezeichnet der Jüchener CDU-Chef als „erschreckend“. Die Lehre, die er daraus zieht: „Wir müssen den Menschen zeigen, dass wir ihre Probleme lösen.“ Bei der Rats- und Bürgermeisterwahl in Jüchen durfte die AfD bekanntlich aufgrund eines Verfahrensfehlers nicht teilnehmen. Möglich, dass einige Wähler stattdessen aus Protest ihr Kreuz bei der Satirepartei „Die Partei“ machten.

Von einer Wechselstimmung spricht der SPD-Co-Vorsitzende Norbert John. Nach 75 Jahren, in denen die CDU in Jüchen regiert habe, einen Kandidaten der Christdemokraten in die Stichwahl zu zwingen, sei wirklich gut. Nun will die SPD auch um die verbleibenden neun Prozent in Jüchen kämpfen, genauso wie die CDU. Besonders freut sich die Partei, dass man in Bezirken wie Jüchen-Ost gut abschneiden konnte. „Das macht uns optimistisch, dass wir noch etwas draufsetzen können“, so John.

Das Ratsergebnis ist für die SPD ebenfalls erfreulich, sie konnte mehr Ratsmandate einfahren (von sieben auf elf Sitze). John freut sich ebenfalls, dass seine Partei sechs bis sieben Prozent über dem Bundestrend liegt. Er weist zudem auf die Diskrepanz von Rats- und Bürgermeisterwahl hin: Während die SPD bei der Ratswahl nur 24 Prozent der Stimmen erhielt, bekam ihr Bürgermeisterkandidat fast 44 Prozent. Offensichtlich konnte Philipp Sieben auch viele Wähler von sich überzeugen, die eigentlich Harald Zillikens unterstützen.

„Wir sind zufrieden, ich bin zufrieden“, sagt Sieben. Nun wolle man weiter kämpfen. Mit den vielen Stimmen für „Die Partei“ habe er nicht gerechnet. Nun gelte es, den Menschen ein ernsthaftes inhaltliches Angebot zu machen. In die Stichwahl gehe Sieben zuversichtlich, sagt er: „Wir werden den Gasbrenner zünden.“

Für Harald Zillikens ist es kein einfacher Abend. „Ich hätte mir über 50 Prozent erhofft“, sagt er. Über die Gründe für das Ergebnis könne man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Bei der letzten Wahl 2020 hatte Zillikens noch über 70 Prozent bekommen. Nun blickt er nach vorne: „Wir werden uns noch heute Abend zusammensetzen“, kündigt er an. Am Montag soll eine Besprechung auf Kreisebene folgen, denn auch CDU-Landratskandidatin Katharina Reinhold muss in die Stichwahl. „Wir müssen uns jetzt überlegen, was wir tun können, um die Wähler zu mobilisieren und sie von uns zu überzeugen“, so Zillikens.

Als Philipp Sieben auf Zillikens zutritt und ihm die Hand reicht, ist dies das faire Ende eines spannenden Abends – und zugleich der Auftakt zur anstehenden zweiwöchigen Wahlkampf-Zugabe.