Nikola Jokic für Serbien, Luka Doncic für Slowenien und Giannis Antetokounmpo für Griechenland: Die Basketball-EM, die mit dem DBB-Team als Europameister zu Ende gegangen ist, wartete in den vergangenen zweieinhalb Wochen mit drei Spielern auf, die derzeit wohl zu den besten fünf Basketballern der Welt gehören.

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Jokic bestimmte mit seiner enormen Präsenz das Spiel der Serben, schied aber aufgrund von Verletzungsproblematiken im Team früh aus. Doncic trug seine Mannschaft beinahe alleine durchs Turnier, erzielte zum Beispiel beim Achtelfinalsieg gegen Italien mit 42 Zählern die Hälfte der Punkte seines Teams. Antetokounmpo beeindruckte trotz 2,11 Meter Körpergröße mit enormer Beweglichkeit und Zug zum Korb.

Die drei Europäer bestimmten aber nicht nur bei der EM das Geschehen auf dem Feld. Auch in der US-amerikanischen NBA sind sie die Schlüsselfiguren – nicht nur in ihren Teams, sondern in der gesamten Liga, die als die beste der Welt gilt. Jokic wurde in den vergangenen sieben Jahren dreimal als MVP ausgezeichnet, als wertvollster und bester Spieler der Saison. Antetokounmpo gewann den Award in dieser Zeit zweimal. Doncic triumphierte bisher (noch) nicht, war in den vergangenen Jahren aber immer einer der Kandidaten (einmal Dritter).

Bemerkenswert: Seit 2019 wurde nur einmal ein Amerikaner zum MVP der heimischen NBA gewählt – Joel Embiid im Jahr 2023. Erst ein Jahr zuvor bekam er allerdings die US-Staatsbürgerschaft. Ursprünglich kommt der 2,13 Meter große Center aus Kamerun.

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Wurde 2007 erster MVP der NBA aus Europa: Dirk Nowitzki.

Fünfmal Europa, einmal Kanada (Shai-Gilgeous Alexander 2025) und einmal die USA heißen also die Titelträger des MVP-Awards in den letzten sieben Jahren. In den 63 Jahren zuvor ging die Auszeichnung ganze sechs weitere Male an einen Nicht-Amerikaner. Nur einmal gewann vorher ein Europäer – Dirk Nowitzki 2007.

Die US-Profis bestimmten seit der Gründung 1946 über Jahrzehnte das Geschehen in der besten Basketball-Liga der Welt. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Die Spieler anderer Nationen, ganz besonders jene aus Europa, haben aufgeholt. „In der Spitze ist die USA nicht mehr so gut besetzt wie früher“, sagt Ex-Nationalspieler und TV-Experte Per Günther im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Europäer dagegen seien so stark wie nie. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

Das Dream Team von 1992

Für den Beginn der positiven Entwicklung des europäischen Basketballs sorgten die US-Amerikaner selbst. Es lohnt ein Blick ins Jahr 1992. Die NBA, wo sich damals schon die besten Spieler der Welt, fast ausschließlich Amerikaner, tummelten, war für Europa noch weit weg. NBA-TV-Übertragungen gab es kaum. Das Internet stand noch in den Startlöchern. Die Olympischen Spiele in Barcelona 1992 waren für viele Menschen dann die Möglichkeit, die NBA-Stars erstmals live zu erleben.

Und die USA reiste mit dem bestmöglichen Aufgebot an. Es war das erste olympische Basketballturnier, bei dem NBA-Spieler teilnehmen durften. Mit Michael Jordan stand der beste Basketballer seiner Zeit genau so im Kader wie Magic Johnson, Larry Bird und Charles Barkley. US-Journalist Jack McCallum, der die USA während des Turniers in Spanien begleitete, sagte vor einigen Jahren: „Die waren fast wie Mythen. Du wusstest, dass es sie gibt, aber vielmehr auch nicht. Und dann kommen sie nach Barcelona und sind sogar noch besser, als du dachtest. Sie haben unglaublich gespielt.“

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Der Anführer des US-Dream-Teams: Michael Jordan (r.).

Die USA gewannen mit extrem dominanten Auftritten olympisches Gold und begeisterten die Massen mit spektakulären Dunks. André Voigt, Ex-DAZN-Experte und Chefredakteur des Basketball-Mediums „Got Nexxt“ spricht mit Blick auf das Dream Team von einem „Urknall“ für den globalen Basketball. Voigt war in Deutschland selbst Profi und erinnert sich. „Es war in der Zeit, wo ich selbst gespielt habe. Man konnte diese Dunks, von denen alle redeten, auch endlich sehen. Das war faszinierend. Du hast gesehen: Da sind sie. Es ist möglich. Und dann kann man auch träumen“, sagt der 52-Jährige dem RND. „Ich kann mich erinnern, dass wir auch in Deutschland einen Boom hatten von Kids, die in die Hallen kamen.“

Die NBA profitierte zudem enorm, mehr ausländische Spieler kamen in den Jahren danach in die Liga. 1992 spielten 23 ausländische Akteure in der NBA, mittlerweile sind es mehr als 120.

Europäische Vorbilder

Die deutsche Basketball-Legende Dirk Nowitzki war während der Spiele von 1992 14 Jahre alt und hatte erst kurz zuvor mit dem Basketball angefangen. Der ehemalige NBA-Star der Dallas Mavericks erzählte mal, dass die US-Mannschaft von 1992 „einen riesigen Einfluss“ auf ihn hatte. „Ich wollte so sein wie diese Jungs und in die NBA. Das war ein großartiger Moment.“ Nowitzki schaffte es einige Jahre später in die Topliga. Genau wie der Spanier Pau Gasol, der Franzose Tony Parker oder der Serbe Peja Stojakovic, die ebenfalls vom Dream Team inspiriert wurden und Anfang der 2000er-Jahre zu NBA-Legenden aufstiegen.

Auch dank dieser europäischer Stars ist der Einfluss des europäischen Basketballs weiter gestiegen. Die aktuellen deutschen Nationalspieler Franz und Moritz Wagner nennen Nowitzki ein „Idol“. Moritz, derzeit verletzt, sagt über den 2,13 Meter Riesen: „Ich hatte sein Poster an meiner Wand, was mich jeden Tag motiviert hat. Ich habe oft gedacht: Wenn er es geschafft hat, wieso sollte ich es nicht auch schaffen?“ Den Wagner-Brüdern gelang der Sprung in die NBA. Sie waren mitverantwortlich dafür, dass Deutschland 2023 erstmals Weltmeister wurde und aktuell zu den besten Basketball-Nationen der Welt gehört.

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Ausnahme-Erscheinungen aus Europa

Ein weiterer Grund für die positive europäische Entwicklung im Basketball sind Ausnahme-Erscheinungen wie Giannis Antetokounmpo, die es in Europa so vorher nicht gegeben hat. „Das ist ein Spieler, den du einmal in Hundert Jahren findest. Das ist die totale Ausnahme“, sagt Voigt.

Der Grieche begeistert mit einer Athletik, die die NBA in den letzten Jahren nur von Amerikanern, wie Kevin Durant oder LeBron James kannte. Mit seiner Körpergröße, seinen langen Armen und seiner Dynamik pflügt der Grieche seit Jahren für die Milwaukee Bucks durch die Liga. DBB-Profi Franz Wagner sagt über den 30-Jährigen: „Man muss sich damit begnügen, dass man nicht alles von ihm verteidigen kann.“

Ausnahme-Athlet von den San Antonio Spurs: Der Franzose Victor Wembanyama.

Antetokounmpo ist, wie auch der junge Franzose Victor Wembanyama (21), der seit 2023 in der NBA spielt und unter vielen Experten als kommender MVP gilt, ein Spieler, der nicht nur durch eine Top-Basketballausbildung zu einem MVP-Kandidaten wurde, sondern vor allem dank seiner körperlichen Voraussetzungen.

Europäische Ausbildung

Anders sieht das bei Doncic und Jokic aus. Sie sind zwar ebenfalls groß, haben aber nicht diese herausragende Physis wie ein Antetokounmpo. Und dennoch sind sie schon jetzt – Doncic ist 26, Jokic 30 – NBA-Legenden, dank ihres Spielwitzes, ihrer Technik und ihres Verständnisses für das Spiel. Jokic agiert mit 2,11 Metern Körpergröße teilweise wie ein Spielmacher, verteilt in der NBA rund zehn Assists im Schnitt pro Partie. Das schafft sonst kein Spieler seiner Statur.

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Doncic wirkt nicht immer komplett austrainiert und ist dennoch häufig bester Punktesammler seiner Mannschaft. Der Spielmacher schafft es mit klugen Bewegungen fast in jedem Angriff einen platzierten Wurf Richtung Korb zu bringen oder einen Assist zu verteilen.

„An den beiden drückt sich aus, dass man derzeit in Europa die beste basketballerische Ausbildung bekommt, die es auf der Welt gibt“, sagt Voigt mit Blick auf die Fähigkeiten Doncics und Jokics.

Zunächst aber ein Blick auf die Ausbildung in den USA: Diese ist eng mit Schule und Studium verbunden. In den USA ist es ausschließlich in Schulteams und Uni-Mannschaften möglich, im geregelten Spielbetrieb Basketball zu spielen. „Du musst dich gegen alle anderen Schüler auf deiner Schule durchsetzen, um überhaupt dabei zu sein. Jedes Jahr aufs Neue“, sagt Voigt.

In Europa erhalten deutlich mehr Kinder und Jugendliche die Chance, Basketball im Wettkampfmodus zu spielen. „Wenn du in Europa nicht in der ersten Mannschaft eines Nachwuchsteams spielst, kannst du es in der zweiten Mannschaft versuchen. Man hat trotzdem eine Ausbildung“, erklärt Voigt. Es gebe viele Spieler, die erst im höheren Jugendalter den Sport richtig verstehen und erst dann ihr körperliches Potenzial ausschöpfen können. In den USA haben einige dann schon keine Chance mehr.

Der Ex-Zweitligaprofi war als Teenager selbst ein Jahr in einem US-Highschoolteam aktiv. „Da begann im August die Saison und im März war Schluss. Das heißt, du hast vier Monate keinen geregelten Spielbetrieb“, erinnert sich Voigt.

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Investitionen in den Jugendbereich

Die Europäer haben im weltweiten Vergleich auch aufgeholt, weil mehr Geld in die Hand genommen wird. Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball Bundes, erklärte im Interview mit dem RND kürzlich, dass die deutschen Vereine viel mehr in den Nachwuchs investieren als noch vor einigen Jahren. Auch Trainer-Offensiven hätten dazu beigetragen, dass sich die Basketball-Ausbildung verbessert hat.

Weiss sieht Deutschland in den nächsten zehn Jahren weiter auf einem hohen Niveau Basketball spielen. „Wir sind mit der U19 der Männer Vizeweltmeister geworden. Das ist ein Indiz für eine erfolgreiche Zukunft“, sagt er.

Europa hat sich, auch dank Deutschland, zu einer Basketball-Großmacht entwickelt. Der größte Pool an NBA-Spielern (rund 300 der insgesamt etwa 450 Profis) kommt aber weiter aus den USA. Die Tendenz zeigt allerdings, dass sich die Verhältnisse in den kommenden Jahren weiter verschieben könnten.