Die Haushaltsdebatte ist trocken, doch am Sonntagabend bei Caren Miosga im Ersten wird sie zum Schlagabtausch über Reichtum, Armut und politische Glaubwürdigkeit. Schon im ersten Schlagabtausch mit Heidi Reichinnek, Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, zeigt die Moderatorin ihre Strategie: konfrontieren, nachhaken, keine Ausflüchte durchgehen lassen. 

„Nur drei Prozent in NRW trauen der Linken zu, die Probleme zu lösen“, hält sie ihr vor. Reichinnek bleibt kämpferisch, spricht von „Vertrauen aufbauen“, nachdem die Linke am Boden gelegen hätte, und verteidigt ihre Forderung nach Vermögens- und Erbschaftssteuern sowie einer sanktionsfreien Mindestsicherung. Doch immer wieder drängt Miosga sie in den Verteidigungsmodus. 

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In der Kritik: Reaktion der Linken auf den Tod von Charlie Kirk

Besonders deutlich wird das, als es um linke Sichtweisen auf Reichtum geht. „Ich habe das Gefühl: Alle Milliardäre sind immer kriminell“, sagt Miosga – eine These, an der Reichinnek abprallt. Sie will den Blick zurück auf Armut lenken, doch die Moderatorin insistiert. 

Auch beim Umgang der Linken mit polarisierenden Social-Media-Posts konfrontiert Miosga ihre Gästin. Als Reichinnek über den ermordeten rechten Aktivisten Charlie Kirk spricht und sagt „Ich bin überrascht, dass dieser ultrarechte Mensch nun so betrauert wird“, unterbricht Miosga: „Selbstverständlich muss man Mitleid haben, unabhängig von der politischen Gesinnung.“ Reichinnek wirkt in diesen Momenten erklärungsbedürftig. Auch wenn sie – angesprochen auf die Posts einiger junger Linken-Mitglieder – klarstellt, dass sie damit nicht einverstanden ist, diese gelöscht wurden und es Maßnahmen geben soll. 

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This handout released by the Utah Governor's Office on September 13, 2025 shows the booking photo of Tyler Robinson, the suspect in the shooting death of right-wing activist Charlie Kirk. Authorities announced on September 12 that they had taken into custody Tyler Robinson, the person believed to have assassinated Charlie Kirk, a right-wing activist and close ally of President Donald Trump. He was shot while speaking at an event on September 10 at Utah Valley University (UVU), in the city of Orem, Utah. (Photo by Utah Governor's Office / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT

Bröcker attackiert linke Steuerpläne als „Wohlstandsvernichtung“

Michael Bröcker, Chefredakteur von „Table.Media“, greift Reichinneks Vorlagen im anschließenden gemeinsamen Gespräch dankbar auf. Linke Steuerpläne seien „ein Wohlstandsvernichtungsprogramm und damit ein Demokratiegefährdungsprogramm“, warnt er. Unter anderem fordert die Partei eine Steuer von einem Prozent ab einem Vermögen von einer Million. Auch bei der Erbschaftsteuer, bei der die Linke 60 Prozent Steuern ab einem Erbe von drei Millionen Euro erheben will, sieht er „populistische und absurde“ Ansätze, auch wenn sie im Ansatz richtig seien. 

Bröcker argumentiert konsequent aus wirtschaftsliberaler Perspektive, verweist auf mittelständische Betriebe und internationale Investoren. Seine Zuspitzungen liefern die erwartbare Gegenposition – inhaltliche Differenzierung bleibt dabei zweitrangig. 

SPD-Ökonomin Sigl-Glöckner widerspricht: Linken-Ideen nicht absurd

Philippa Sigl-Glöckner, Direktorin der Denkfabrik Dezernat Zukunft und SPD-Mitglied, sorgt für die nötige Balance. Sie ordnet ökonomisch ein, verweist auf Norwegen als Beispiel für eine funktionierende Vermögenssteuer und kritisiert Bröckers Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Den linken Vorschlag eines öffentlichen Finanzregisters bezeichnet sie als „gar nicht so ungewöhnlich“ und betont, dass Erbschaften im aktuellen System tatsächlich Schlupflöcher böten. Ihre Beiträge zeigen, dass linke Ideen nicht zwangsläufig jenseits ökonomischer Rationalität liegen, sondern durchaus Anschluss an moderne Steuerpolitik finden. 

Union und Linke: Streit um Unvereinbarkeit – und Spahn im Gespräch?

Nachdem die ökonomischen Linien abgesteckt sind, wechselt Miosga die Ebene – weg von Steuersätzen, hin zur Frage politischer Mehrheiten: Es geht um die anstehende Wahl der neuen Richter am Bundesverfassungsgericht. Nach dem Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf hat die SPD-Fraktion Sigrid Emmenegger als neue Kandidatin vorgeschlagen. 

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Bundesverfassungsgericht

„Bisher hat niemand mit uns geredet“, äußert Reichinnek ihren Unmut über den Unvereinbarkeitsbeschluss der Union. Die CDU/CSU schließe Kooperationen mit der Linken offiziell aus, während auf Landesebene faktisch gemeinsam abgestimmt werde, argumentiert sie, und warnt: Die Union manövriere sich damit in eine Ecke, aus der sie „spätestens nächstes Jahr“ nicht mehr herauskomme. Ob Reichinnek sich ein Gespräch mit Jens Spahn, dem Fraktionsvorsitzenden der Union, bei einem Café vorstellen könne? Reichinnek lächelt: „Wenn Sie das vermitteln, gerne.“ 

Die Rollen sind klar verteilt: Miosga als kritische Instanz, Reichinnek in der Dauerverteidigung, Bröcker als scharfer Gegenspieler, Sigl-Glöckner als Stimme der Vernunft. Für das Publikum bleibt ein ambivalentes Bild. Wer eine harte Auseinandersetzung mit der Linken sehen wollte, kam auf seine Kosten. Wer nach differenzierten Antworten zur Finanzpolitik suchte, musste genau zuhören – vor allem bei den Zwischentönen von Sigl-Glöckner.