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Die Kreditwürdigkeit Frankreichs sinkt an den Finanzmärkten. Das stellt die neue Regierung in Paris bei der Haushaltplanung vor ein unlösbares Dilemma.

Ein „A“ weniger. Die Ratingagentur Fitch hat die Bonität Frankreichs in der Nacht auf Samstag von AA- auf A+ gesenkt. Es ist die dritte Abstufung seit 2012, als Frankreich das begehrte Triple-A (Dreifach-A) verloren hatte.

Die Folgen des Bonitäts-Verlustes halten sich für Frankreich vorerst in Grenzen. Fitch bescheinigt Frankreich ein nach wie vor „sehr geringes Ausfallrisiko“. Die Märkte haben den Entscheid antizipiert. Wenn die beiden anderen großen Agenturen, Moody’s und S&P, im traditionellen Herbst-Rating nachziehen, müsste Frankreich allerdings immer höhere Kreditzinsen zahlen. Der „Spread“, das heißt der Zinsabstand zu Deutschland, wächst unaufhörlich.

Newly appointed France’s Prime Minister Sebastien Lecornu (C) attends a meeting as he visits the departmental health center in Macon, central eastern France, on september 13, 2025. (Photo by JEFF PACHOUD / AFP)Premierminister Sebastien Lecornu am Samstag beim Besuch eines Gesundheitszentrums. © Jeff Pachoud/AFP

Und die Aussichten für Frankreich sind düster. Das unüblich hohe Budgetdefizit von 5,4 Prozent dürfte 2026 nur unwesentlich sinken; die Staatsschuld könnte dagegen laut Fitch von aktuell 114 Prozent auf 121 Prozent im Jahr 2027 klettern.

Frankreichs Staatsführung hat keinen Ausweg aus der Finanzkrise

Gravierend ist für die französische Staatsführung nicht nur die Rückstufung, sondern die erbarmungslose Analyse der Finanzlage Frankreichs durch Fitch. Sie zeigt auf, dass die französische Staatsführung eigentlich gar keinen Ausweg aus der Finanzkrise hat. Entweder kürzt sie die Sozialausgaben drastisch und riskiert noch heftigere Straßenproteste. Oder sie limitiert die Einsparungen und wird dafür von den Finanzmärkten abgestraft.

Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Europäischen Union hinter Deutschland droht laut Fitch in beiden Fällen eine „zunehmende Instabilität“. Der jüngste Regierungssturz und Wechsel des Premierministers – der fünfte seit Beginn des letzten Jahres – haben laut der britisch-amerikanischen Agentur zur Folge, dass „kein Plan“ für eine Senkung der Schuldenlast erkennbar sei. „Diese Instabilität schwächt die Fähigkeit des politischen Systems, eine substanzielle Haushaltskonsolidierung zu erreichen“, folgert Fitsch.

Kürzungen beim Sozialen oder Abstrafung durch Finanzmarkt: Ratingagentur räumt Dilemma ein

Die Agentur räumt ein, dass der neue Premier Sébastien Lecornu in einem unentrinnbaren Dilemma zwischen Sozialforderungen und Finanznot stecke. Eigentlich müsste er aus der Sicht der Agentur wie sein Vorgänger François Bayrou am Budget 2026 milliardenschwere Abstriche vornehmen. Lecornu schickte allerdings zuerst ein innenpolitisches Signal: Am Samstag erklärte der konservative Regierungschef, er werde die von Bayrou geplante und in der Bevölkerung sehr unpopuläre Streichung von zwei Feiertagen (Ostermontag und der 8. Mai für das Ende des Zweiten Weltkrieges) zurücknehmen.

„Ein Land, dessen ,Eliten‘ es dazu bringen, die Wahrheit abzulehnen, ist dazu verurteilt, den Preis dafür zu zahlen.“

Der Entscheid ist politisch klug. Kompensiert Lecornu den taktischen Rückzieher aber nicht anderweitig mit Einsparungen oder Steuererhöhungen, würde der Haushalt im kommenden Jahr zweifellos ein ähnlich hohes Defizit von mehr als fünf Prozent aufweisen – ein klares Zeichen fehlenden Sparwillens. Das wäre inakzeptabel für die EU und die Europäische Zentralbank und würde die Zinsen an den Finanzmärkten hochtreiben.

Lecornu könnte Kürzungen beim Sozialen durch Steuererhöhungen für Superreiche entgehen

Lecornu kann aber die Landesblockade von letzter Woche und die Streiks und Massenproteste der nächsten Tage nicht einfach ignorieren. Auch die Linksopposition verlangt mehr, nicht weniger Sozialleistungen. Für den Fall, dass Lecornu dennoch auf dem Sparpedal steht, hat sie am Wochenende bereits mit einem neuen Regierungssturz gedroht.

Vieles deutet darauf hin, dass Lecornu letztlich versuchen wird, sich mit Steuererhöhungen aus der Affäre zu ziehen. Vermutlich werden die Großverdiener:innen den Kopf hinhalten müssen: Lecornu will dem Vernehmen nach diesen „ultrariches“ (Superreiche) eine Sondersteuer auferlegen. Fitch warnt aber, dass Frankreich mit einer Abgabequote von jetzt schon 46 Prozent (bei 40 Prozent im EU-Schnitt) das Maximum einer zumutbaren Steuerbelastung erreicht habe. In Frankreich ist allerdings die Meinung verbreitet, dass es bei der Besteuerung der höchsten Einkommen noch eine Marge gibt.