Ein medizinischer Wundnaht-Faden und die Bavaria auf der Theresienwiese haben nichts gemeinsam. Aber die Patrona Bavariae dient Betriebsleiter Michel Belcijan von der Aicher Group als Größenvergleich: Die Bavaria – und zwar nur die Statue – ist 18,52 Meter hoch. 310 Meter Faden, was ungefähr der 16-fachen Höhe des Münchner Wahrzeichens entspricht, sind 2024 im Sanitätszentrum des Münchner Oktoberfests von den Ärzten vernäht worden.

Wie lange der Faden bei der 190. Wiesn werden wird, die in ein paar Tagen startet, wird sich zeigen. Fest steht schon jetzt: Das kleine, aber hochmoderne Wiesn-Krankenhaus und der Sanitätsdienst sind nach mehrmonatiger, akribischer Vorbereitungszeit „bestens gerüstet“, sagt Geschäftsführer Peter Aicher bei der Pressekonferenz des Sanitätsdienstes am Montag.

Ziel ist es, mit einer guten medizinischen Versorgung auf der Theresienwiese die Notaufnahmen der Krankenhäuser in München zu entlasten. 5800 Wiesn-Besucher seien hier zuletzt versorgt worden, sagt Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Christian Scharpf. Das helfe den Kliniken sehr. „Nirgendwo wird man wohl in diesen 16 Tagen schneller behandelt als hier.“

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110 Sanitäter werden im Einsatz sein sowie 55 Ärztinnen und Ärzte, jeweils im Schichtbetrieb. Personalmangel habe die Klinik auf der Wiesn nicht, erklärt Chefarzt Philip Kampmann. An die 100 Ärzte hätten sich diesmal beworben, „mehr als sonst“. Ein Spezialist für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie sei unter anderem dabei, auch ein Kinderarzt. Das medizinische Material ist bereits da, die Lager voll. Nun steht für die kleine Klinik an der Theresienwiese nur noch die hygienische Krankenhausabnahme an.

Zum sechsten Mal ist die Aicher Ambulanz als Sanitätsdienstleiter auf der Wiesn. Vieles hat sich in dieser Zeit bewährt und wird wieder genutzt. Zwölf fahrbare Tragen werden erneut eingesetzt, die mit einem fünfköpfigen Sanitätsteam schnell vor Ort sein können. Auch gibt es den mobilen Computertomografen wieder, der in Zusammenarbeit mit der radiologischen Abteilungder Ludwig-Maximilians-Universität München am Campus Großhadern betrieben wird und bei Kopfverletzungen schnell klare Diagnosen ermöglicht. 234 Mal ist er im vergangenen Jahr zum Einsatz gekommen. Elektrische Treppenstühle werden bei Einsätzen wieder helfen, Patienten zum Beispiel von Zelt-Emporen sicher abtransportieren zu können.

Die Sanitätswache ist wie immer rund um die Uhr besetzt. Dort können Wiesnbesucher mit zu viel Promille im Blut ihren Rausch ausschlafen. Früher, sagt Belcijan, seien die Patienten spät noch mit Bussen in die Kliniken gefahren worden. „Aber es ergibt keinen Sinn, dass die Kliniken damit belastet werden.“ Und so stehen 19 Betten im Überwachungsraum der kleinen Klinik bereit. Mit Decken und Kissen.

Zwölf fahrbare Tragen bringen die Hilfsbedürftigen zur Ambulanz.Zwölf fahrbare Tragen bringen die Hilfsbedürftigen zur Ambulanz. (Foto: Florian Peljak)Betten sind genug da für Verletzte und auch solche, die eine Mass zu viel getrunken haben.Betten sind genug da für Verletzte und auch solche, die eine Mass zu viel getrunken haben. (Foto: Florian Peljak)

Ein Wiesnbesucher benötigt ärztliche Hilfe. Und die Angehörigen oder Freunde wollen wissen, wie es um ihn steht. Schon 2024 hat sich die Website find-my-buddy bewährt. Über einen QR-Code und eine Patientennummer konnten sich die Angehörigen über den Behandlungsstatus erkundigen. Diese Website wurde erweitert. Jetzt wird laut Belcijan in Echtzeit online angezeigt, ob der Patient entlassen oder in welche Klinik er gebracht worden ist. Das Tool kann in sechs Sprachen genutzt werden, unter anderem auf Chinesisch.

Auf mehr Zelte erweitert wird auch die Save-Now-App. Sie hilft den Einsatzkräften, den Standort der Patienten genau zu lokalisieren. Zudem ist eine neue, weitere App jetzt in das Einsatzleitsystem des Sanitätsdienstes integriert. Sie ermöglicht diePositionsübermittlungen der Einsatzkräfte mit der Genauigkeit einer Fläche von drei mal drei Metern.

Drei Sanitätscontainer gibt es zusätzlich auf der Wiesn. Die Standorte sind in der Nähe der U-Bahn-Station Theresienwiese (U4/U5) an der Schaustellerstraße, am Esperantoplatz und auf der Oidn Wiesn. Alle Sanitätscontainer verfügen jetzt über EKG- und Defibrillator-Geräte. Die Möglichkeit der Telemedizin wurde ausgeweitet. Die Vitalwerte können nun auch von den Containern direkt an die Sanitätswache im Servicezentrum übertragen werden. „Damit kann“, sagt der Betriebsleiter, „ein Arzt gleich in die Versorgung eingreifen“.

97 Wiesnbesucher waren 2023 akut vital gefährdet, 462 Personen wurden genäht, und in den fünf Jahren, seit die Aicher Ambulanz den Sanitätsdienst übernommen hat, insgesamt 32 400 Menschen behandelt. „Ich wünsche mir eine gesunde Wiesn“, sagt Chefarzt Philip Kampmann. Und damit das geschehe, könnten die Oktoberfestbesucher etwas tun: „für eine gute Grundlage sorgen, bevor man die erste Mass trinkt“, sagt der 52-Jährige.