Philharmonie Essen/Außenaufnahme/ Foto: Bernadette Grimmenstein
Unter dem Titel „TIKWAH“ richtet die Philharmonie Essen gemeinsam mit der Alten Synagoge Essen ein großes Festival jüdischer Musik aus. Das Programm erstreckt sich vom 23. September 2025 bis zum 30. Mai 2026 und somit über die nahezu gesamte Spielzeit 2025/2026. „TIKWAH“ kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Hoffnung“ – ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten. Weitere Kooperationspartner des Festivals sind das Schauspiel Essen, das Aalto Musiktheater, die Folkwang Musikschule, das Festival klezmer.welten Gelsenkirchen und die Lichtburg Essen. TIKWAH hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt jüdischer Musik und Kulturen abzubilden, wie sie international, aber auch regional verankert sind. Dabei gilt es, den vordergründig so klaren Begriff der „Jüdischen Musik“ zu hinterfragen und keine allgemeingültige Deutungshoheit in Anspruch zu nehmen. Das Spektrum der insgesamt 24 hochkarätig besetzten Veranstaltungen reicht von Konzerten über Diskussionen und Vorträge bis hin zu Theaterprojekten und Filmen.
„Mit TIKWAH verlassen wir einengende Vorstellungen davon, was jüdische Musik ist und sein kann“, betonen Marie Babette Nierenz, Intendantin der Philharmonie Essen, und Dr. Diana Matut, Leiterin der Alten Synagoge. „So erwartet uns jüdische Musik vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, von synagogalen Klängen über Folk- and Worldmusic, Kabarett und Infotainment bis zur Klassik. Wir laden unser Publikum ein, mit allen Sinnen zu entdecken – durch Konzert, Tanz, Gespräch, Film, Oper oder Schauspiel.“
„Das Festival TIKWAH steht in der langen Tradition unserer Stiftungsarbeit zur Förderung der deutsch-jüdischen Verständigung. Besonders freut uns, dass sich acht Partner aus Essen und dem Ruhrgebiet zusammengeschlossen haben, um mit vereinten Kräften und geballter Expertise jüdische Kultur sichtbar zu machen und Brücken in die Gesellschaft zu bauen.“, so Dr. Michaela Muylkens, Mitglied des Vorstands der Krupp-Stiftung.
Evgeny Kissin /Foto: Sheila Rock
Das Festival beginnt in der Philharmonie Essen am jüdischen Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“ (22. bis 24. September 2025): Die Pianisten-Legende Evgeny Kissin erinnert am 23. September gemeinsam mit dem Schauspieler Veniamin Smekhov an jiddische Dichter, die Opfer von Stalins Diktatur geworden sind. Als weiterer Star-Pianist ist Igor Levit am 01. November 2025 zusammen mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Lahav Shani zu erleben.
Und zum Abschluss des Festivals porträtieren Geiger Daniel Hope und Bariton Thomas Hampson am 30. Mai 2026 das schicksalhafte Jahr 1938.
Unterhaltsame Einblicke in die jüdische Musikkultur bietet die Philharmonie Essen darüber hinaus mit der Klezmer-Band Dobranotch (19.10.25), dem Tanz-Abend „Tants-Hoyz“ (23.10.25), einem „Yiddish Cabaret“ (15.01.26) sowie dem Trio KROKE (08.05.26).
Polina Shepherd/Foto: Shendl Copiman
Die Vielfalt jüdischer Musik zeigt sich auch im Programm der Alten Synagoge Essen, wenn etwa das Ensemble Lucidarium alte jüdische Musik wiederentdeckt – am 09. Oktober 2025 von spanischen Exil-Juden nach 1492 sowie am 15. Februar 2026 von Juden im venezianischen Ghetto vor 1600. Zwei Komponistinnen, die während der NS-Zeit in die Vereinigten Staaten emigrierten, waren Ruth Schonthal und Ursula Mamlok. Einen Eindruck ihres Schaffens vermittelt der Liederabend am 22. Februar 2026. Die Performerin und Komponistin Polina Shepherd lädt am 19. Oktober 2025 zu einem offenen Singen jiddischer Lieder ein. Der Kunst von Salomone Rossi, Zeitgenosse Monteverdis, widmet sich am 08. Februar 2026 das Ensemble „Profeti della Quinta“. Unter dem Motto „Between Sacred and Profane“ steht am 17. Februar 2026 ein Gesprächskonzert mit jüdischen Kantor*innen. Ein besonderes Vergnügen ist am 01. März 2026 ein Purimball: Bei dem buntesten, fröhlichsten und ausgelassensten Fest des jüdischen Jahres feiert die jüdische Gemeinschaft die Errettung vor der Verfolgung im persischen Exil. Zum Mittanzen sind alle herzlich eingeladen – mit oder ohne Kostüm!
Als Festival-Partner innerhalb der Theater und Philharmonie Essen präsentiert das Aalto Musiktheater den Abend „Oper und Judentum“ in der Reihe „Blaue Stunde“ am 03. November 2025. Das Thema wird durch Expert*innen aus den Bereichen Musikwissenschaft, Judaistik und Kulturwissenschaft beleuchtet und durch musikalische Ausschnitte ergänzt. Das Schauspiel Essen wiederum lädt am 09. November 2025 unter dem Titel „Lebendige Stolpersteine“ zu einem von der israelischen Regisseurin Sapir Heller konzipierten theatralen Gang durch die jüdische Geschichte Essens ein.
Die Lichtburg Essen beteiligt sich am Festival TIKWAH mit einer Dokumentarfilmreihe, die sinnlich und informativ die Dimensionen jüdischer Musik erschließt. Die Beiträge reichen von Leben und Musik der jüdischen Rembetiko-Sängerin Roza Eskenazi über arabisch-jüdische Musiktraditionen der Familie Al-Kuwaiti hin zum israelisch-deutschen Chorprojekt der jungen Kadyas und jüdischer Musik an den Höfen der Renaissance.
Ensemble Lucidarium /Foto: Martina Barbon
Mit weiteren Programmpunkten bietet TIKWAH jungen Menschen die Gelegenheit, jüdische Musik und deren Verbindungen zu benachbarten Kulturen kennenzulernen. So lädt die Folkwang Musikschule alle zwischen 11 und 30 Jahren zu einem Klezmer-Workshop ein (20.-26.20.25), während Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 Jahren im Pavillon der Philharmonie ihren eigenen Balkan-Beat entwickeln (22.-24.10.25). „Zlateh, die Ziege“ heißt eine Wunder-Musik-Geschichte des Literaturnobelpreisträgers Isaac B. Singer für Kinder ab drei Jahren am 22. und 23. November 2025 ebenfalls im Pavillon.
Im Vorfeld des Konzertes mit Daniel Hope und Thomas Hampson findet am 29. Mai 2026 an Essener Schulen ein Trialog-Projekt statt, das sich an Schüler*innen ab Klasse 8 richtet. Es handelt sich um ein multiperspektivisches Gesprächsformat über den Nahostkonflikt, das von Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann initiiert wurde. Vor dem Konzert „Berlin 1938 – Das Schicksalsjahr“ am 30. Mai 2026 gibt es ein öffentliches und kostenloses Panel, an dem Shai Hoffmann und Nadine Migesel, ausgewählte Schüler*innen aus dem Projekt vom Vortag und Daniel Hope teilnehmen. Ziel soll hier ein Brückenschlag aus der aktuellen politischen und medial wie emotional aufgeladenen Situation in Nahost zur Situation in Deutschland 1938 sein. Alle 60 teilnehmenden Schüler*innen sind zum Konzert eingeladen sowie im Anschluss zu einem zwanglosen Austausch mit den Künstlern*innen des Abends.