Marine Le Pen überlässt nichts dem Zufall. Während der neue französische Premierminister Sébastien Lecornu in Paris mit Blick auf die künftige Regierungsbildung mehrere Parteienvertreter konsultiert, hielten die Frontfrau des rechtsextremen Rassemblement National (RN) und der Vorsitzende Jordan Bardella ihre erste große Veranstaltung nach den Sommerferien in Bordeaux ab.
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Lange galt der Westen des Landes als unerreichbares Terrain für Frankreichs Rechtsnationale. Inzwischen legen sie auch dort konstant zu.
Der Auftritt sei ein „Symbol“ für diese Dynamik, versicherte Le Pen im Gespräch mit der Regionalzeitung „Sud Ouest“. Die klassischen RN-Hochburgen liegen im Norden und Osten des Landes, wo die Deindustrialisierung schwere soziale Folgen hatte, sowie im Südosten, der besonders stark vom Thema Einwanderung geprägt ist.
Nun aber will die Partei auch in einer reichen, bürgerlichen Region wie jener um die Weinstadt Bordeaux punkten. Speziell RN-Chef Bardella versucht, mit einem seriösen Auftreten Unternehmerkreise und bürgerlich-konservative Wähler anzusprechen.
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Le Pen fast „sozialistisch“?
Das gelingt mit gemischtem Erfolg. Zwar gibt es Gespräche und Austausch. Doch aufgrund des Fachkräftemangels stehen Vertreter der Wirtschaft der Einwanderung, die der RN bekämpfen will, aufgeschlossen gegenüber. Le Pen forderte immer einen starken Sozialstaat, sodass manche Konservative sie schon als „sozialistisch“ bezeichneten. Das Wirtschaftsprogramm der Partei nannte Pierre Gattaz, Ex-Vorsitzender des mächtigen Arbeitgeberverbandes Medef, „schlecht, unpräzise und zweideutig“.
Beispielsweise gebe es keine klare Linie in Bezug auf die Beibehaltung der unbeliebten Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron. Auch warnte Le Pen zwar vor der hohen staatlichen Verschuldung, doch ihre Einsparvorschläge bestehen im Wesentlichen aus dem Entzug von Geldern für Ausländer, wie für die medizinische Notversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung, der Entwicklungshilfe oder der kaum umsetzbaren Verringerung der EU-Zahlungen.
Partei steht für Unstabilität
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu, seit die RN-Fraktion im vergangenen Jahr gemeinsam mit den linken und grünen Oppositionsparteien den damaligen Regierungschef Michel Barnier und in der letzten Woche dessen Nachfolger François Bayrou stürzte: Die Partei gilt als ein Faktor der Instabilität. Nachdem Marine Le Pen 2011 sie von ihrem inzwischen verstorbenen Vater Jean-Marie Le Pen übernommen hatte, verfolgte sie eine Normalisierungs-Strategie, verbot offen rassistische, homophobe oder antisemitische Parolen oder Symbole, auch wenn diese weiterhin vorkommen.
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Die 57-Jährige inszenierte sich als verantwortungsbewusste Politikerin, bis sie im März wegen der massiven Veruntreuung von EU-Geldern zu einer hohen Geld- und einer Haftstrafe und dem sofort geltenden Verbot, in den nächsten fünf Jahren bei Wahlen anzutreten, verurteilt wurde. Ab da griff Le Pen die Justiz an und ging in die Frontalopposition.
Le Pen baut auf Neuwahlen
Bayrous Sturz betrieb sie mit dem Ziel einer Auflösung der Nationalversammlung, die neue Parlamentswahlen nach sich gezogen hätte, auch wenn die aktuelle RN-Fraktionsvorsitzende dann nicht mehr kandidierten dürfte. In Bordeaux versprach sie ihren Anhängern einen neuen Urnengang „in wenigen Wochen oder Monaten“.
Anders als Barnier, der bis zuletzt mit ihr zu verhandeln versucht hatte, schließt Lecornu sie daher von vorneherein als bedeutsame Gesprächspartnerin aus. Stattdessen möchte er die Zusicherung der Sozialisten gewinnen, seine künftige Regierung zu dulden – gegen Zugeständnisse. Sollte das gelingen, könnte er einen Sturz zumindest vorerst verhindern.
Demgegenüber sei ihre Partei „nicht bereit, sich für ein Linsengericht zu verkaufen“, versicherte Le Pen. Damit gab sie aber zu, dass sie an Einfluss verloren hat, auch wenn Lecornu sie in den vergangenen Monaten zweimal diskret getroffen hat. Er selbst sagte nun in einem Interview, es hätte zwar „keinen Sinn, nicht mit den RN-Abgeordneten zu sprechen, die von einem Drittel der Franzosen gewählt wurden“. Eine politische Einigung mit den Rechtsextremen suche er aber nicht, die damit klar in der Opposition bleiben.