. Über Monate hieß es für Leandro Gert und Kemal Catalbas mindestens einmal die Woche nach der Schule: Badesachen packen, losfahren zum Horner Bad und dann mindestens 45 Minuten Schwimmtraining. Dann haben sie es geschafft: Innerhalb von nur einer Woche konnten die beiden Achtjährigen die Prüfungen für die Abzeichen Gold und Totenkopfgold ablegen – Schwimmabzeichen, von denen viele nur träumen können.
Denn beide Prüfungen haben es in sich. Für Gold mussten die Jungen 30 Minuten am Stück schwimmen, sich in verschiedenen Schwimmtechniken beweisen, tauchen und vom Sprungturm springen. Besonders herausfordernd war für die besten Freunde vor allem eine Aufgabe: das Transportschwimmen. 50 Meter muss dabei eine andere Person im Wasser abgeschleppt werden. „Ich habe Leandro gezogen und er mich“, erzählt Kemal. „Das war schon schwer.“
Trotzdem waren die beiden nach dem Bestehen der Prüfung hoch motiviert, sich noch einer weiteren Herausforderung zu stellen. „Kemal hat nach der Goldprüfung sofort gefragt, was es denn jetzt noch gebe“, erzählt seine Großmutter Heidi Haberland. Für das goldene Totenkopfabzeichen mussten die Achtjährigen dann zwei Stunden ohne Pause schwimmen. „Zwischendurch wurden uns Wasserflaschen reingeworfen, die mussten wir dann beim Schwimmen trinken“, erzählt Leandro. „Es war richtig anstrengend.“
Immer weniger Kinder können schwimmen
Innerhalb von drei Jahren haben Kemal und Leandro damit alle Freizeitschwimmabzeichen – angefangen mit dem Seepferdchen – abgelegt. Für Leandros Eltern war von Anfang an klar, dass ihr Sohn so früh wie möglich und außerhalb der Schule schwimmen lernen sollte. „Ich finde es einfach so wichtig, dass Kinder gut und sicher schwimmen können“, betont sein Vater Alexander Kramer. „Ich möchte mein Kind nicht irgendwann tot aus dem Wasser ziehen müssen.“
Er erlebe immer öfter, dass Eltern ihren Kindern außerhalb der Schule das Schwimmen nicht beibringen würden. „Ich verstehe das überhaupt nicht. Die Kinder gehen ja auch schon vor dem Schwimmunterricht mal ins Freibad“, sagt der Borgfelder. Außerdem würde der Unterricht in der Schule nicht ausreichen. „Als Eltern kann man nicht überall seine Augen haben, deshalb muss das Kind selbst gut schwimmen können“, meint Kramer. „Ertrinken geht so viel schneller, als man denkt.“
Tatsächlich ist die Zahl der Kinder, die nicht sicher schwimmen können, nach Einschätzung von Fachleuten viel zu hoch. Laut einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) aus dem Jahr 2022 ist jedes fünfte Kind im Grundschulalter ein Nichtschwimmer, der Anteil hat sich damit innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Auch der Anteil von jungen Menschen, die beim Baden ertrinken, nimmt zu. Die Zwischenbilanz der DLRG für das Jahr 2025 verzeichnet insgesamt 236 Badetote, 49 davon in einem Alter zwischen elf bis 30 Jahren. 2024 lag der Wert zum gleichen Zeitpunkt bei 30 Personen. „Viele Opfer konnten kaum oder gar nicht schwimmen“, erzählt DLRG-Präsidentin Ute Vogt.
Seepferdchen reicht nicht aus
„Wir sehen immer öfter Kinder, denen es sichtlich schwerfällt, sich im Wasser zu bewegen oder gar wohlzufühlen“, berichtet auch Stefanie Meyer-Priewe von der DLRG-Ortsgruppe Lilienthal. „Wir würden uns wünschen, dass Eltern mit ihren Kindern wieder regelmäßig schwimmen oder planschen gehen oder einfach nur im Wasser toben.“ Viele Eltern seien der Ansicht, dass das Seepferdchen ausreiche. „Es ist aber lediglich der Nachweis, dass die Grundlagen beherrscht werden. Für die DLRG gilt erst ab Bronze, dass sicheres Schwimmen erlernt wurde“, sagt Meyer-Priewe. Gleichzeitig sei es auch wichtig, den Fokus nicht nur auf das Ablegen eines Abzeichens zu legen. „Es hilft nicht, wenn sie ihr Abzeichen erhalten und sich eigentlich nicht trauen, die Augen unter Wasser zu öffnen.“ Deshalb stehe eine gründliche Ausbildung im Vordergrund.
„Die Kinder lernen in den Kursen ja nicht nur das Schwimmen, sondern auch Baderegeln und vor allem, sich selbst und andere Gewässer besser einzuschätzen“, betont auch Kramer. Das beruhige ihn als Vater enorm. „Ich habe einfach gemerkt, es sind jetzt ein Verständnis und ein Verantwortungsgefühl da.“
Kemals Großmutter Heidi Haberland findet, dass das Ablegen der Abzeichen in gewisser Weise auch den Charakter fördert. „Man sieht, wie viel mehr Selbstbewusstsein vorhanden ist. Die Kinder sind stolz und laufen aufrechter durch das Leben, weil sie sich ‚bewiesen‘ haben.“ Auch wenn die Schwimmkurse mit viel Aufwand für Eltern und Kinder verbunden ist, sei für sie klar: „Es lohnt sich.“
Zur Sache
Der Weg zum Abzeichen
Häufig sind es auch die langen Wartezeiten oder die Kosten, die Eltern daran hindern, ihre Kinder zu einem Schwimmkurs anzumelden. Für diese Fälle gibt es sowohl von der DLRG als auch von den Bremer Bädern „Abzeichentage“, an denen ohne Abnahmegebühr und Anmeldung Abzeichen absolviert werden können. Mit „Kids in die Bäder“ bieten die Bremer Bäder in Kooperation mit der Bremer Sportjugend zusätzlich ein Programm für Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 18 Jahren, die schlecht bis gar nicht schwimmen können. Buchung und Kosten für einen Schwimmkurs werden übernommen. Reguläre Schwimmkurse bieten im Umkreis unter anderem die DLRG-Ortsgruppen Lilienthal, Worpswede und Osterholz an. Auch in den Hallenbädern in Lilienthal, Worpswede, Ritterhude und Hambergen sowie im Allwetterbad in Osterholz-Scharmbeck gibt es Angebote. Wie auch im Horner Bad, in dem Leandro und Kemal schwimmen gelernt haben, gibt es in den meisten anderen Bädern der Bremer Bäder Schwimmkurse. Detaillierte Informationen gibt es im Internet unter www.bremer-baeder.de/baeder.