Die Deutsche Bahn (DB) plant einen tiefen Einschnitt im Fernverkehr. Interne Unterlagen zum Fahrplan 2026, die dem „Tagesspiegel“ vorliegen, zeigen: Der Staatskonzern will Züge von touristischen Nebenstrecken abziehen und sein Angebot auf profitablere Hauptachsen und Geschäftskunden konzentrieren. Für Reisende in vielen Regionen bedeutet das: weniger Direktverbindungen, längere Umwege – und steigende Ticketpreise.
Während die Bahn von „baubedingten Anpassungen“ spricht und das Verkehrsministerium jede Ausdünnung dementiert, kritisieren Länder, Gewerkschaften und Fahrgastverbände die Pläne scharf.
Welche Bahnverbindungen 2026 gestrichen werden sollen
Die Liste der Streichungen liest sich wie ein Schlag gegen den Tourismus:
- Berlin – Sylt: Die Direktverbindung von der Hauptstadt auf die Ferieninsel nach Westerland soll entfallen.
- Hamburg – Berchtesgaden/Oberstdorf: Auch die Alpendestinationen verlieren ihre Züge.
- Frankfurt – Stuttgart – Lindau – Arlberg: Der beliebte Railjet nach Österreich wird eingestellt.
- Bodensee und Garmisch-Partenkirchen: Die Zahl der Verbindungen halbiert sich.
- Stuttgart – Norddeich: Wichtig für den Fährverkehr zu den Nordseeinseln, soll ebenfalls gestrichen werden.
- Frankfurt – Rostock: Die ICE-Verlängerung entfällt.
Damit würden Städte wie Lübeck oder Tübingen vollständig vom Fernverkehr abgehängt – für eine Universitäts- und Tourismusstadt ein schwerer Verlust. Vor allem die Nord-Süd-Verbindungen, ohne umsteigen zu müssen, sind bei älteren Fahrgästen beliebt – Stichwort „Kukidentexpress“, wie es scherzhaft heißt.
Traditionslinien vor dem Aus: „Prinz Eugen“ und ICE 20
Besonders schmerzhaft ist die mögliche Einstellung traditionsreicher Linien. So soll der „Prinz Eugen“, seit Jahrzehnten Symbol der Direktverbindung zwischen Hamburg und Wien, verschwinden. Auch die ICE-Linie 20 verliert ihre Durchbindung in die Schweiz: Künftig wäre in Basel Schluss, ohne Weiterfahrt Richtung Zürich.
In München sollen zudem zahlreiche Direktverbindungen nach Österreich wegfallen. Kiel wiederum verliert die Züge nach Köln, München und Basel.
Intercity-Streckenkürzungen: weniger Takt, weniger Auswahl
Nicht nur touristische Verbindungen stehen auf der Streichliste, auch klassische Intercity-Linien geraten zunehmend unter Druck. Besonders betroffen ist die Linie 26 von Hannover über Marburg und Gießen nach Frankfurt. Was früher ein stabiler Zweistundentakt war, soll künftig nur noch alle vier Stunden bedient werden.
Auch die traditionsreiche Linie 34, die Dortmund mit Siegen und Frankfurt verbindet, wird schrittweise ausgedünnt. Zunächst fällt ein Zugpaar aus dem Fahrplan, doch die Perspektive ist noch drastischer: Ab 2027 plant die Bahn die komplette Einstellung der Strecke.
Damit zieht sich die Bahn ausgerechnet dort zurück, wo die Infrastruktur ohnehin nicht mit den Metropolen mithalten kann. Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu den politischen Zielen der Bundesregierung, mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf die Schiene zu bewegen.
Deutsche Bahn Fahrplan: Dementis aus Berlin, Protest aus den Ländern
Die Bahn selbst spricht von „temporären, baubedingten und saisonalen Anpassungen“. Interne Listen seien „in Teilen fehlerhaft“. So soll es nach Abschluss der Generalsanierung der Strecke Hamburg–Berlin ab Mai 2026 wieder Direktzüge von Berlin nach Sylt geben.
Auch das Bundesverkehrsministerium versucht, die Wogen zu glätten. Eine Ausdünnung des Angebots sei nicht Teil der Strategie, betont ein Sprecher. Minister Patrick Schnieder will seine Pläne für die Zukunft der Bahn am 22. September 2025 öffentlich vorstellen.
In den Ländern jedoch wächst der Widerstand. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) kritisiert die Bahnpläne scharf: „Damit sind wir selbstverständlich nicht zufrieden.“ Unterstützung erhält er von Fahrgastverbänden, die vom Bund klare Vorgaben einfordern. Der Eigentümer müsse festlegen, „welcher Fernverkehr gewünscht ist und wie dieser finanziert wird“, mahnt Lukas Iffländer, Vizechef des Fahrgastverbandes Pro Bahn.
Bahnpreise steigen bis 2026: Fahrgäste müssen mehr zahlen
Während über die Streichung von Verbindungen gestritten wird, kommt auf Bahnreisende eine zweite Belastung zu: höhere Preise. Nach Berechnungen der Bahngewerkschaft EVG fehlen der DB Fernverkehr rund 95 Millionen Euro. Grund dafür sind vor allem steigende Trassenpreise, also die Nutzungsgebühren für das Schienennetz.
EVG-Chef Martin Burkert warnt, dass die Bahn diesen finanziellen Druck an ihre Kunden weitergeben werde. Im Fernverkehr sei mit einer Fahrpreiserhöhung von etwa zehn Prozent zu rechnen – und das schon im kommenden Jahr.
Politischer Widerstand regt sich bereits. „Viele Menschen können sich das nicht mehr leisten“, sagt der Linken-Verkehrspolitiker Luigi Pantisano. Er warnt vor einer doppelten Zumutung: Einerseits kürze die Bahn ihr Angebot, andererseits verlange sie von den Fahrgästen mehr Geld. Die Akzeptanz für eine solche Politik sei minimal.
Und die Probleme hören damit nicht auf. Auch im Regionalverkehr stehen große Aufgaben bevor – in Berlin nun unter der Leitung des neuen VBB-Chefs Christoph Heuing. Warum der Job zu ihm passt und wieso er mehr Konsens im Verkehr sieht, als viele vermuten, lesen Sie hier: VBB-Chef: „Wird viele Nerven, viel Geduld und sehr viel Geld brauchen“
Deutsche Bahn und Fernverkehr: Widerspruch zwischen Politik und Realität
Offiziell weist die Deutsche Bahn alle Vorwürfe eines „Kahlschlags“ im Fernverkehr zurück. Doch die internen Pläne zeigen: Für viele Regionen bedeutet der neue Fahrplan ab 2026 weniger Züge, längere Umwege und teurere Tickets.
Damit gerät die Bahn in einen grundlegenden Widerspruch. Im Auftrag der Bundesregierung soll sie eigentlich mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf die Schiene bewegen und so die Verkehrswende vorantreiben. In der Praxis jedoch werden ganze Städte und touristische Regionen vom Fernverkehr abgehängt oder nur noch stark eingeschränkt angebunden.
Ob Minister Schnieder am 22. September eine Kurskorrektur verkünden wird, entscheidet, ob der „Kahlschlag im Fernverkehr“ Realität wird – oder doch nur ein Entwurf in den Schubladen der Bahn bleibt.
mit dts