In der nach unten offenen Skala des Zynismus im Nahost-Konflikt ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. „Gaza brennt“, verkündet Israels Verteidigungsminister Israel Katz angesichts des Angriffs auf Gaza-Stadt mit so bürokratischer Zufriedenheit als gelte es, einen Einkaufszettel abzuarbeiten. Gaza brennt, das bedeutet: Menschen sterben, werden verletzt, müssen fliehen, stehen Ängste aus, verlieren Angehörige, Freunde, ihre Wohnung. Und wenn Gaza brennt, geht dort auch kein Kind mehr zur Schule.
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Mag sein, dass es danach ein paar aktuelle Hamas-Kämpfer weniger gibt, wie es die israelische Regierung sich zum Ziel gesetzt hat. Aber unter dem Eindruck des Leids werden sich schnell Nachfolger finden. Und dass die seit nunmehr knapp zwei Jahren in Gaza festgehaltenen Geiseln freikommen oder überhaupt überleben, wenn noch mehr gebombt und geschossen wird, ist eine so kühne wie wohl auch illusorische Ansage von Israels Regierung.
Dabei gilt es festzuhalten, dass diejenigen die größte Schuld tragen, die die Eskalation angezettelt haben. Die Hamas hat in ihrem blinden ideologischen Hass gegen Israel und die westliche Lebensweise Hunderte Zivilisten niedergemetzelt. Für so viel Niedertracht und Brutalität gibt es keine Entschuldigung, die Gaza-Freiheits-Demonstrationen verharren da in erstaunlich selbstvergessener Einseitigkeit.
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Die Rolle der USA
Es ist keine gute Entwicklung, dass sich in dieser Lage US-Außenminister Marco Rubio dazu hinreißen lässt, öffentlich eine diplomatische Lösung des Gaza-Konflikts zu bezweifeln. Die USA geben Israels Premierminister Benjamin Netanjahu damit einen Freibrief, die Gaza-Offensive noch einmal zu verschärfen. Die haben selbst israelische Militärs abgelehnt, doch sie hält Netanjahu im Amt, weil sie seine rechtsradikalen Regierungspartner dem Ziel einer Annexion des Gaza-Streifens näher bringt.
Die USA erweisen sich als unwillig oder auch unfähig, Netanjahu einzuhegen. Schon die Angriffe auf Katar im vorgeblichen wie vergeblichen Versuch, Hamas-Führer zu treffen, hat Israel offenbar nicht mit US-Präsident Donald Trump abgestimmt. Die außenpolitische Schwäche der USA zeigt sich nicht nur im laxen Umgang mit dem Kriegsverbrecher und russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern auch im Nahen Osten.
Worauf die Hoffnung liegt
Wenn es in dieser unendlich scheinenden Geschichte der Gewalt und Gegengewalt, in der Ideologie über Vernunft triumphiert, ein bisschen Hoffnung gibt, dann liegt diese in der vergleichsweise großen Besonnenheit der arabischen Staaten von Katar bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Selbst der Angriff Israels auf Katar, das Vermittlerland im Konflikt, hat nicht zur Eskalation geführt. Man begnügte sich mit strengen Worten, Krisentreffen und der Forderung nach Sanktionen. Die USA, die EU und auch die Bundesregierung sollten diese Forderungen ernst nehmen.
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Wenn die Hamas sich die Hände reibt
Denn wie kurz der Geduldsfaden mancher geworden ist, zeigt sich an Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der Israel nun wieder als „Feind“ bezeichnet – zum ersten Mal seit fast 50 Jahren. Von der Staatsführung Katars wird Israel mittlerweile als „Schurkenstaat“ bezeichnet. Die Hamas und ihr Unterstützer Iran können sich die Hände reiben, ihre Schuld wird in dieser Debatte mehr und mehr überdeckt.
Das müsste auch ein umsichtiger israelischer Premierminister sehen, dem es um mehr geht als um sein – vergleichsweise kurzes – politisches Überleben, nämlich um Frieden in der Region.
Gaza brennt. Ein Brand ist kein Grund zum Jubeln. Sondern um die Feuerwehr zu schicken. Und denen die Streichhölzer aus der Hand zu nehmen, die zündeln. Auf allen Seiten.