Wiesbaden. Man möchte gerne auf Besserung hoffen. Nicht nur bei Nuancen. Wir wünschen dem Jahn Woche für Woche das Licht am Ende eines langen Tunnels. Was die Regensburger beim SV Wehen-Wiesbaden abliefern, ist aber an Dürftigkeit kaum mehr zu unterbieten.

Jahn-Trainer Michael Wimmer hat keine Fernbedienung, um die Fehler seiner Jungs abzustellen. Foto: jrh

Man schaut und staunt – und weiß kaum, wo man mit der Fehleranalyse beginnen soll. In der ersten halben Stunde kann man noch halbwegs zufrieden sein, dass den Regensburgern keine allzu großen Böcke unterlaufen. Dank der vergleichbar uninspirierten Leistung des SV Wehen Wiesbaden passiert vor beiden Toren so gut wie gar nichts.

Dann der erste Aufreger: Ein Elfmeterpfiff, der nicht zwingend ertönen muss: Nach starker Parade von Felix Gebhardt gegen Nikolas Agrifiotis stellt Felix Strauss gegen den Wehener Kapitän den Körper rein, der pfeiffreudige Schiedsrichter Kevin Behrens entscheidet auf Strafstoß – Fatih Kayas Schuss ein Rohrkrepierer, den Gebhardt festhalten kann (37.). Statt aus diesem Momentum positive Impulse zu ziehen, lassen sich die Gäste jetzt überrennen. Es brennt im Strafraum, nur Gebhardt steht einer mittlerweile überfälligen Führung des letztjährigen Relegationsgegners im Weg.

Mehr zufällig als gekonnt herausgespielt dann die einzige echte Regensburger Torchance Sekunden vor dem Pausenpfiff: Nach Ecke kommt Noel Eichinger an die Kugel, zieht ab, die Kugel trudelt harmlos durch den Fünfer – bis Florian Dietz am schnellsten reagiert und aus kürzester Distanz ins rechte Eck grätscht. SVWW-Keeper Florian Stritzel taucht ab, pariert sensationell.

Das pure Grausen nach der Pause

Was dann folgt, ist das pure Grausen: Schon im Spielaufbau merkt man den Oberpfälzern die Angst vor der eigenen Courage, vorm entscheidenden Fehlpass an. Gebhardt, Strauß und Poldi Wurm suchen vergeblich nach Anspielstationen. Im Zweifel noch einmal hintenrum zum Keeper, der lange Ball ins Ungefähre – oder Ballverlust nach drei Stationen. Es kommt, wie es kommen muss.

Im beidseitigen Fehlpassfestival schafft es Wehen noch etwas besser, den Ball in die Box zu transportieren – auch und vor allem, weil bei fast jedem Spielzug, jeder Regensburger, angefangen von der Offensive bis zum letzten Mann, immer einen Schritt zu spät kommt. Bis schließlich im Strafraum ein unhaltbarer Drehschuss zum 1:0 (70.) reicht: Tarik Gözüsirin schickt Lukas Schleimer auf die Reise, bleibt selbst am Gas und marschiert bis in den Strafraum. Kein Regensburger Verteidiger in Sicht –Schleimer kann seelenruhig zurücklegen. Gözüsirin nimmt Maß und jagt die Kugel aus zwölf Metern flach ins linke Eck.

Auch Fatih Kayas Schützenhilfe mittels Rohrkrepierer-Elfer nützt dem Jahn nichts. Foto: jrh

Aufbäumen ohne jede Präzision

Ja, es ist den Rot-Weißen nicht abzusprechen, dass sie anschließend den Ausgleich wollen: Es reicht aber nicht, hektisch nach vorne zu rennen, man muss auch Pässe über mehr als drei Meter an den Mann bringen. Fußballspiele haben es an sich, dass auch mal ein Ball versehentlich durchrutscht – dadurch ergeben sich einige Halbchancen, vor allem nach dem Vierfachwechsel in der letzten Viertelstunde durch Dejan Galjen, der einmal am Pfosten scheitert.

Man möchte eigentlich keine Namen nennen, zumal die gesamte Mannschaftsleistung armselig ist. Natürlich glaubt hier niemand, dass die jungen Spieler nicht wollen oder völlig unbegabt durch eine Lotterie in das Team gelost wurden. Wir können nur den aktuellen Leistungsstand beurteilen. Und der ist schlicht unterirdisch. In diesem Kontext darf man bei allem Respekt anmerken: Von Routiniers wie Adrian Fein oder auch – formbedingt mit Abstrichen – von Dietz, muss man mehr erwarten dürfen.

Das Fan-Pärchen des SV Wehen Wiesbaden kann zufrieden sein. Foto: jrh

Überfordert, unfertig, verunsichert

Es kann ja sein, und es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Mehrheit dieser Spieler noch signifikant weiterentwickelt. Stand jetzt muss Chef-Coach Michael Wimmer eine völlig überforderte, unfertige, und auch schon wieder verunsicherte Mannschaft schleunigst in die Spur bekommen – Sandhausen lässt grüßen. Wie grün das Team hinter den Ohren ist, macht das vorentscheidende 2:0 deutlich: Nicolas Oliveira läuft Schleimer am Fünfer ab, blockt den Ball bis zur Grundlinie, lässt ihn sich wieder abnehmen – Pass nach innen, Moritz Flotho schiebt ein, Game over (84.).

Dass mein bester Spielbeobachter jetzt fast täglich nach Konsequenzen ruft, ist verständlich. Allein, ich glaube nicht an Aktivismus und schon gar nicht an Wunder – ein x-beliebiger anderer Übungsleiter an der Seitenlinie, wird die Anfängerfehler der Jungs nicht per Fernbedienung abstellen. Und das ganze Team umtauschen ist nicht vorgesehen. Es hilft alles nichts: Augen zu, hoffen und das Duo Beierlorzer & Wimmer machen lassen – soll nicht heißen: Weiter so, sondern schuften, trainieren und üben, bis zumindest die Grundlagen intus sind!

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Wiesbaden nutzt die Jahn-Geschenke

Jahn-Chefcoach Michael Wimmer hatte vor Anpfiff noch Mut zugesprochen, es fehlten nur noch Nuancen – Nuancen so groß wie Felsbrocken. Ausgerechnet bei Wehen-Wiesbaden, wo der SSV Jahn zum letzten Mal auswärts ein Pflichtspiel gewinnen konnte – und den Aufstieg in Liga 2 perfekt machte. Was die Regensburger heute zeigen, reicht definitiv nicht mal für Liga 3.

Der Jahn auswärts: ein Trauerspiel mit Tradition. Vorne harmlos, hinten schlafmützig. Dabei beginnt es gar nicht so übel. Schon nach 15 Sekunden grätscht Florian Dietz knapp an der Führung vorbei, allerdings vergeblich – Abseits. Wenig später taucht Nikolas Agrafiotis auf der Gegenseite auf, ehe Felix Gebhardt im Tor erstmals glänzen darf: Fatih Kaya prüft ihn per Kopf, der Keeper pariert bärenstark.

Gebhardt als trauriger Elfmeterheld

Die erste Halbzeit lebt von gelegentlichen Wiesbadener Angriffswellen und dem einzig ligatauglichen Akteur des heutigen Tages in Rot-Weiß: Gebhardt. Erst lenkt er einen Kopfball zur Seite, dann hält er den Elfmeter von Kaya (37.). Gebhardt ahnt die Ecke und hält die Oberpfälzer im Spiel.

Kurz vor der Pause fast die kalte Dusche für die Gastgeber: Noel Eichinger und Florian Dietz sorgen plötzlich für Alarm, SVWW-Keeper Florian Stritzel muss artistisch abtauchen, um das 0:1 zu verhindern. Zur Pause: Chancenwucher hier, Überlebensinstinkt da.

Der SV Wehen Wiesbaden wechselt mit Moritz Flotho, den Schützen zum 2:0, die Vorentscheidung ein. Foto: jrh

Gözüsirin bricht den Bann

Nach dem Seitenwechsel das alte Bild: der SVWW drückt ein wenig mehr, der Jahn lauert – aber ohne Stachel. Ein Zauberpass von Niklas May, starker Abschluss von Fabian Johansson, wieder ist Gebhardt zur Stelle. Doch aller Dusel hat ein Ende: Tarik Gözüsirin wird von Lukas Schleimer bedient und versenkt trocken ins linke Eck – 1:0 (70.).

Der Treffer überfällig, die Regensburger Antwort zaghaft. Zwar wirft Wimmer frisches Personal in die Schlacht, doch im Sechzehner steht immer ein Wiesbadener Bein im Weg. Nur einmal wird’s brenzlig, als Dustin Forkel Stritzel überspitzeln will, der Keeper aber mit den Fingerspitzen rankommt.

Flotho setzt den Deckel drauf

Die Schlussoffensive des Jahn: ein laues Lüftchen. Dejan Galjen setzt immerhin ein Ausrufezeichen, als er David Suárez am Fünfer mit einem geschickten Haken ins Leere schickt und den Außenpfosten trifft (83.). Doch statt Ausgleich, die Entscheidung auf der anderen Seite: Schleimer profitiert von der kollektiven Schläfrigkeit der Gästeabwehr, serviert quer, und Moritz Flotho muss nur noch einschieben – 2:0 (84.).

Nick Seidel prüft in der Nachspielzeit noch einmal Stritzel mit einem Dropkick, doch der Wiesbadener Keeper hält die Null fest umklammert. So endet auch der sechste Spieltag wie so viele davor: mit einem ratlosen Jahn, einem jubelnden Gegner und einer Frage, die immer drängender wird – wann endet der Auswärtsfluch?

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Jahn-Trainer Michael Wimmer hat keine Fernbedienung, um die Fehler seiner Jungs abzustellen. Foto: jrh
Jahn-Trainer Michael Wimmer hat keine Fernbedienung, um die Fehler seiner Jungs abzustellen. Foto: jrh

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh
Oh weh, SSV: Quo vadis Jahn, nach dieser unterirdischen Leistung beim SV Wehen Wiesbaden? Foto: jrh

Und jetzt auch noch beim SSV Ulm 1846

Anstoß: Sonntag, 19.30 Uhr, Donaustadion Ulm
Historie:

  • Letzter Auftritt der Regensburger im Donaustadion? Ein 0:5-Desaster in Liga 2 – die Spatzen begannen damals, an der Jahn-Substanz zu picken. Der Anfang vom Ende des Klassenerhalts.
  • Zahllose Tage ohne Auswärtssieg drücken zusätzlich aufs Gemüt.

Formkurve:

  • Ulm: Zwei Siege, vier Niederlagen – zuletzt 0:1 in Saarbrücken, wenig Durchschlagskraft in der Offensive (8:11 Tore).
  • Regensburg: Ein Sieg, ein Remis, vier Niederlagen – zuletzt 0:2 in Wiesbaden, die Defensive weiter wacklig (5:11 Tore).

Tabelle (nach 6 Spielen):

  • Ulm (13. Platz, 6 Punkte, -3 Tore)
  • Regensburg (16. Platz, 4 Punkte, -6 Tore)

Besonderes:

  • Beide Teams tun sich schwer: Ulm mit Ladehemmung, der Jahn mit Auswärtstrauma.
  • Ein Kellerduell mit Déjà-vu-Gefahr: Die Erinnerung an das 0:5 spukt im Kopf, doch die Realität heißt jetzt „Abstiegskampf pur“.