Mit bislang 22.379 übermittelten Pertussis-Fällen verzeichnet Deutschland im Jahr 2024 die höchste Fallzahl seit Einführung der bundesweiten Meldepflicht im Jahr 2013. Die aktuelle Situation betrifft insbesondere vulnerable Gruppen wie Säuglinge und Jugendliche. Eine suboptimale Durchimpfung in Teilen der Bevölkerung gilt als entscheidender Risikofaktor.
Epidemiologischer Rückblick: Nach Pandemie wieder Anstieg
Zwischen 2020 und 2022 war die Keuchhusteninzidenz aufgrund der COVID-19-Schutzmaßnahmen stark rückläufig. Seit Ende 2023 ist jedoch ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen: Die durchschnittliche wöchentliche Inzidenz im Jahr 2024 ist mit 0,6 Fällen pro 100.000 Einwohner doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 (0,3/100.000/Woche).
Nahezu alle gemeldeten Fälle (98 %) wurden durch Bordetella pertussis verursacht. Die aktuellen Fallzahlen lassen sich epidemiologisch durch den erwarteten zyklischen Verlauf, eine nachlassende Immunität nach Impfung oder Infektion sowie eine verminderte Erregerzirkulation während der Pandemie erklären.
Säuglinge und Jugendliche am stärksten betroffen
Die höchste Inzidenz findet sich mit 121,7 Fällen pro 100.000 Einwohner in der Altersgruppe der unter Einjährigen. Die Krankheitsverläufe in dieser Gruppe sind oft atypisch, häufig mit Apnoen und einem hohen Komplikationsrisiko verbunden. Etwa die Hälfte der erkrankten Säuglinge musste stationär behandelt werden – ein Anteil, der mit den präpandemischen Jahren vergleichbar ist.
Mit 102,3 Fällen pro 100.000 ist auch die Gruppe der 10- bis 19-Jährigen stark betroffen. Während die Inzidenz in dieser Alterskohorte seit dem Sommer rückläufig ist, steigen die Fallzahlen bei Kleinkindern (1-4 Jahre) und Kindern zwischen 5 und 9 Jahren derzeit weiter an. Erwachsene über 20 Jahre sind dagegen nicht überproportional betroffen; auch die Hospitalisierungsraten bleiben auf dem Niveau der Vorjahre.
Impfstatus der Erkrankten: Schutzlücken identifiziert
Von den übermittelten Fällen mit vollständigen Angaben zum Impfstatus (n = 6.475) war ein Großteil ungeimpft oder hatte keine Auffrischimpfung entsprechend STIKO-Empfehlung erhalten. Besonders besorgniserregend ist der geringe Anteil geimpfter Schwangerer: Bei 81 % der Mütter von erkrankten Säuglingen wurde angegeben, dass in der Schwangerschaft keine Pertussisimpfung erfolgt sei (501 von 619 Fällen).
Demgegenüber zeigen nationale Impfquoten eine deutlich bessere Ausgangslage: 80 % der 15 Monate alten Kinder hatten im Jahr 2021 drei DTaP(Diphtherie, Tetanus und Pertussis)-Dosen erhalten, über 90 % waren bei Schuleintritt vollständig immunisiert. Die Diskrepanz zwischen Impfstatus der Fälle und den Bevölkerungsdaten weist auf eine gute Schutzwirkung der Impfung bei rechtzeitiger Verabreichung hin.
Todesfälle und Risikogruppen
Für das Jahr 2024 wurden bisher fünf Todesfälle im Zusammenhang mit Pertussis übermittelt. Vier der Verstorbenen waren den Meldedaten zufolge ursächlich an Pertussis erkrankt, eine Person verstarb an einer anderen Grunderkrankung. Besonders betroffen sind Säuglinge und Personen mit relevanten Vorerkrankungen.
Internationale Entwicklung vergleichbar
Die Fallzahlentwicklung in Deutschland spiegelt einen internationalen Trend wider. Auch in vielen europäischen Ländern sowie in Nord- und Südamerika wird im Jahr 2024 eine erhöhte Pertussis-Aktivität beobachtet. Hinweise auf eine veränderte Virulenz des Erregers gibt es nicht. Das ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) stuft das Risiko für schwere Verläufe bei geimpften Kindern und Erwachsenen mit aktueller Auffrischimpfung als gering ein. Ein moderates Risiko besteht für ältere Menschen ab 65 Jahren oder Personen mit einer Immunschwäche.
STIKO-Empfehlungen konsequent umsetzen
Die STIKO empfiehlt eine Grundimmunisierung gegen Pertussis im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Schwangere sollten unabhängig vom Impfstatus im dritten Trimenon geimpft werden, um Neugeborene frühzeitig zu schützen. Weitere Auffrischimpfungen werden im Vorschulalter, im Jugendalter und für Erwachsene im Rahmen der nächsten Tetanusimpfung empfohlen.
Für enge Kontaktpersonen von Säuglingen – wie Eltern, Großeltern und medizinisches Personal – ist eine Auffrischimpfung alle zehn Jahre indiziert. Bei engem Kontakt zu Erkrankten kann eine frühzeitige Chemoprophylaxe die Erkrankung verhindern oder abmildern.
Ärztliche Kontakte zur Impflücken-Schließung nutzen
Die ungewöhnlich hohen Fallzahlen im Jahr 2024 verdeutlichen die Dringlichkeit einer konsequenten Impfprävention. Der frühzeitige Schutz von Säuglingen durch mütterliche Impfung und rechtzeitige Grundimmunisierung ist von entscheidender Bedeutung. Ärztliche Kontakte sollten zur Kontrolle und Auffrischung des Impfstatus genutzt werden, um zukünftige Ausbrüche zu verhindern.