Stand: 17.09.2025 07:48 Uhr

Die Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Konzert in Belgien wühlt die Kulturszene seit Tagen auf. Der Musiker selbst hat dazu geschwiegen – bis jetzt. Aus Deutschland erfährt er breite Unterstützung.

Der israelische Dirigent Lahav Shani hat sich nach seiner Ausladung von einem Musikfestival im belgischen Gent erstmals öffentlich zu Wort gemeldet und Kritik an der aus seiner Sicht „bedauerlichen Entscheidung“ geübt.

„Das Festival-Management handelte unter dem Vorwand, dass ‚Musik eine Quelle der Verbindung und Versöhnung sein sollte‘, wie in den Medien zitiert wurde. Aber damit nahmen sie dieser Aussage jegliche Bedeutung, indem sie dem politischen Druck nachgaben und von mir verlangten, eine politische Erklärung abzugeben, obwohl ich mich seit langem und öffentlich für Frieden und Versöhnung einsetze“, erklärte Shani in einer Stellungnahme, die von den Münchner Philharmonikern veröffentlicht wurde.

„Unfreiwillig in Sturm hineingezogen“

Er sei mit seinen beiden Orchestern „unfreiwillig in einen unerwarteten öffentlichen Sturm hineingezogen worden, der schnell zu einem diplomatischen Vorfall eskalierte“, schrieb der 36-Jährige, der designierter Chefdirigent der Münchner Philharmoniker ist.

Das Flanders Festival in Gent hatte ein für den 18. September geplantes Gastspiel der Philharmoniker unter Shanis Leitung vergangene Woche abgesagt. Als Grund wurde angegeben, dass Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist und seine Haltung zur israelischen Regierung nicht klar sei.

Scharfe Kritik aus Deutschland

Der Schritt traf in Deutschland auf scharfe Kritik. Dem Festival wurde Antisemitismus vorgeworfen. Der belgische Regierungschef Bart de Wever ging klar auf Distanz und sprach von einem Schaden für sein Land. Shani erinnerte in seiner jetzigen Stellungnahme an den brutalen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.000 Toten.

„Kein Israeli war von diesen Ereignissen unberührt. Die israelische Gesellschaft trauert weiterhin um die Folgen des unmenschlichen Angriffs der Hamas und sehnt sich nach der Rückkehr von 48 Zivilisten, die immer noch unter unerträglichen Bedingungen als Geiseln gehalten werden“, schrieb er.

Shani spricht von „Katastrophe“ in Gaza

„Dennoch habe ich, wie viele Israelis, meine menschlichen Werte nicht aufgegeben. Die Bilder und Berichte aus Gaza sind zutiefst erschütternd, und es ist unmöglich, angesichts der Katastrophe, die dieser Krieg über die Zivilbevölkerung in Gaza gebracht hat, gleichgültig zu bleiben“, schrieb er weiter. „Es muss alles getan werden, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und den langen Prozess der Heilung und des Wiederaufbaus für beide Gesellschaften zu beginnen.“

Der Dirigent bedankte sich für die breite öffentliche Unterstützung und hob dabei den belgischen Regierungschef hervor sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Shani nach der Absage in Berlin willkommen geheißen hatte.

Kulturausschuss lädt Shani zu Gespräch ein

Die Ausladung Shanis von dem belgischen Festival hat zudem ein Nachspiel im Kulturausschuss des Bundestags. Das Gremium werde sich noch in diesem Jahr mit dem Thema Antisemitismus im Kulturbetrieb und den deutsch-israelischen Kulturbeziehungen beschäftigen, sagte der Ausschussvorsitzende Sven Lehmann der Nachrichtenagentur dpa.

Er habe dazu Lahav Shani in den Ausschuss eingeladen. Es sei dem Ausschuss ein Anliegen, Shanis Perspektive zu hören. „Die Einladung von Shani soll auch eine Geste der Solidarität sein“, sagte der Grünen-Politiker. „Musik und Kunst sollen verbinden und nicht neue Gräben schaffen.“ Man dürfe nicht zulassen, dass Künstlerinnen oder Künstler in Europa wegen ihrer Herkunft oder Religion unter Generalverdacht gestellt würden. „Europa ist auf kulturellen Austausch und Freiheit gegründet. Diese Werte müssen und wollen wir verteidigen“, so Lehmann.