Wenn sie den Film heute sieht, ist der Ohrwurm sofort wieder da: „Für eine Nacht voller Seeligkeit, da geb’ ich alles hin. Doch ich verschenk’ mein Herz nur dann, wenn ich in Stimmung bin.“

Sobald die Melodie dieses Liedes erklang, stieg die Stuttgarterin Johanna Fritz aufs Parkett. Immer und immer wieder, stundenlang, „bestimmt 300 Mal“. Es war ihre Aufgabe am Hollywood-Set, im Sommer 2007.

Hollywood-Stars kamen im Sommer 2007 nach Berlin

Johanna lebte noch nicht in Stuttgart, sondern in Berlin, und studierte Kommunikationsdesign. In ihrer Freizeit nahm sie Tanzstunden in einer Berliner Tanzschule, Standard-Latein.

Dort kam die Einladung. Es hieß, eine Filmproduktion brauche tanzende Komparsen für einen Kinofilm, der im Raum Berlin gedreht werden sollte, erinnert sie sich. „Es war komplettes Neuland für mich. Da ich alles rund ums Thema Film liebe, war gleich klar, dass ich da mitmachen möchte.“

Heute ist Johanna 44 Jahre alt und lebt seit 17 Jahren in Stuttgart. Damals war sie 26 und erfuhr, dass der Film, zu dem sie eben zugesagt hatte, „der Film mit Tom Cruise ist“, wie es in ihrer Tanzschule hieß. Trotzdem war sie in ihrem Kurs die einzige, die sich meldete.

Die Stuttgarterin Johanna Fritz drehte am Set von „Operation Walküre“ mit Hollywood-Star Tom Cruise. Foto: Johanna Fritz / IMAGO/Avalon.red

Der Film mit Tom Cruise trägt den Titel „Operation Walküre“. Er handelt vom Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944, das bekanntermaßen scheiterte.

Tom Cruise spielt darin Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Berufsoffizier der Wehrmacht und zeitgleich Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Und späterer Attentäter. An der Seite des Hollywood-Stars: ein Ensemble um Kenneth Branagh, Bill Nighy und Carice van Houten. Und sie alle kamen im Sommer 2007 für die Dreharbeiten nach Berlin.

Hollywood-Set in ehemaligem Offizierskasino

Von der Einladung bis zum Drehtag vergingen „ein bis zwei Monate“, sagt Johanna. Sie wusste, sie würde tanzen müssen, mehr aber nicht. „Es gab kein Briefing oder so.“

Im Morgengrauen ging es los, erinnert sie sich. Ihr Tanzpartner holte sie ab. Er war von der gleichen Tanzschule wie sie. Sie kannte ihn nicht. Ebenso wenig die anderen Komparsinnen und Komparsen am Filmset. „Es waren an die hundert.“

Das Filmset war ein ehemaliges Offizierskasino in Potsdam. Gedreht werden sollte eine Szene, die später im Film so zu sehen ist: Bei einem Empfang im Offizierskasino sitzt der General der Nachrichtentruppe und spätere Widerstandskämpfer Erich Fellgiebel (Eddie Izzard) an einem Tisch, unterhält sich mit Frauen und trinkt einen Whiskey leer.

In seinem nächsten Whiskeyglas findet er eine versteckte Botschaft, die ihm zu verstehen gibt, dass er sich mit Stauffenberg treffen soll. Im Hintergrund tanzen derweil weitere NSDAP-Mitglieder mit ihren Frauen auf dem Parkett.

„Wir haben diese Szene bestimmt 300 Mal gedreht“

Johanna sollte eine der vielen tanzenden Frauen auf dem Parkett spielen, ihr Tanzpartner einen beliebigen NSDAP-Mann. Am Set ging es für Johanna zunächst in die Maske und in den Kostümraum. Mit Hochsteckfrisur, Ballkleid und High Heels kam sie wieder raus, rundum verwandelt. „Eigentlich bin ich eher so der Flip-Flop-Typ“, sagt sie.

Bevor die Kameras liefen, tanzten sich die Komparsen ein. Die Schauspieler kamen erst wenige Augenblicke, bevor die Kameras liefen, erinnert sich Johanna. Dann gingen die Dreharbeiten los.

Johanna und ihr Tanzpartner stiegen mit den vielen weiteren Komparsen aufs Parkett, „Für eine Nacht voller Seeligkeit“ erklang, und sie tanzten. Immer und immer wieder. „Wir haben diese Szene bestimmt 300 Mal gedreht“, sagt Johanna. Im Film dauert sie 33 Sekunden. „Man kann es sich vorher nicht vorstellen, wie viel Aufwand so ein paar Szenen für einen Film sind“, sagt Johanna.

Zwischen den Takes gab es für die Komparsen immer wieder lange Drehpausen, erinnert sie sich. „Das war teilweise echt ermüdend, weil wir einfach an unserem Tisch saßen und darauf gewartet haben, dass es wieder losging.“ Sobald das Lied erklang, „hieß es wieder: strahlen, tanzen und eintauchen in diese Zeit“, erzählt Johanna. Von der eigentlichen Szene um den NS-General und die versteckte Botschaft in seinem Whiskeyglas bekam sie auf dem Parkett gar nichts mit, sagt sie.

Trotz der vielen Takes und der langen Pausen sagt Johanna: „Die Stimmung war super, alle waren gerne da. Man hatte das Gefühl: Wir sind alle Teil von etwas, von einem Ergebnis, das wir erst später sehen werden.“

Und dann tauchte Tom Cruise auf

Als die Parkettszene im Kasten war, spät am Abend, wurden Johanna und ihr Tanzpartner noch für eine weitere Szene ausgewählt. „Ich fand’s so cool“, sagt sie. Denn in diese Szene sollte auch der Hauptdarsteller involviert sein: Tom Cruise. „Er hat alle Komparsen begrüßt und war sehr freundlich. Er war mit seiner Familie am Set, mit seiner damaligen Frau Katie Holmes und der gemeinsamen Tochter“, erzählt Johanna.

Tom Cruise reiste mit seiner damaligen Frau Katie Holmes und Tochter Suri im Sommer 2007 zu den Dreharbeiten nach Berlin. Foto: IMAGO/Avalon.red

Die Szene: Johanna und ihr Tanzpartner sollten in einem Gang stehen und sich unterhalten. „Durch den Gang lief dann Tom Cruise mit einigen weiteren Schauspielern, keine zehn Zentimeter von uns entfernt.“ Eine beiläufige Szene, aber sie und ihr Tanzpartner schafften es neben Tom Cruise in die Nahaufnahme, sagt sie.

Gegen 1 Uhr endete der Drehtag, mitten in der Nacht. Johanna bekam „150 oder 200 Euro“, sagt sie. „Es war echt super anstrengend, aber ich habe jede Minute geliebt.“

Beim ersten Schauen kam die Enttäuschung

Anderthalb Jahre später kam der Film in die deutschen Kinos. „Ich hab’ mich beim ersten Mal natürlich gesucht“, sagt Johanna. Sie fand sich nicht. Die Szene mit Tom Cruise taucht im Film gar nicht auf, bei der Parkettszene ist sie „eventuell einmal unscharf im Hintergrund“ zu sehen. „Du bist natürlich kurz enttäuscht, weil du auch den langen Drehtag im Hinterkopf hast“, sagt Johanna.

Für sie aber überwiegt die schöne Erinnerung an den Tag. „Die kann mir keiner nehmen. Und ich hab’ es letztlich ja genau dafür gemacht. Für mich.“ Wenn sie den Film heute sieht, sagt sie, kommt alles wieder hoch: die Tanzszene, das Warten, das Lied, der Ohrwurm.

Komparsen für Kinofilm im Raum Stuttgart gesucht

Für einen noch geheimen internationalen Kinofilm sucht eine Filmagentur Hunderte Komparsen im Großraum Stuttgart. Gedreht wird im Oktober und November. Alle Infos zur Bewerbung finden Sie hier. Johanna Fritz hat sich bereits beworben, sagt sie.