Der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord und fasziniert Anleger wie selten zuvor. Doch trotz der glänzenden Fundamentaldaten und der enormen Rally steigt die Gefahr einer überfälligen Korrektur. Wer jetzt in Gold investiert, muss mit kurzfristigen Rückschlägen rechnen – auch wenn die langfristigen Perspektiven für das Edelmetall intakt bleiben.
Goldpreis-Rally am Limit
Der Goldpreis hat zuletzt eine beeindruckende Rally hingelegt, die ihn bis auf ein neues Rekordhoch von 3.703 USD am Dienstag führte. Beflügelt von neuen Zinshoffnungen aufgrund schwacher Arbeitsmarktdaten aus den USA und einem technischen Ausbruch nahm die Aufwärtsdynamik nach einer viermonatigen Pause wieder Fahrt auf. Doch erste Risse in der glänzenden Fassade mehren sich.
Seit Jahresbeginn ist der Goldpreis bereits um rund 40 Prozent gestiegen, nachdem er im Vorjahr schon um 27 Prozent zugelegt hatte. Damit schlägt er den US-Leitindex S&P 500, der in diesem Jahr lediglich ein Plus von 12 Prozent verzeichnet, deutlich. Dieser Höhenflug wird durch anhaltende Zentralbankkäufe, eine schwächere Dollar-Entwicklung, die Aussicht auf Zinssenkungen der Fed und geopolitische Risiken, welche Gold als klassisches Absicherungsinstrument attraktiv machen, angetrieben.
Auch die stark wachsende Schuldenlast in den USA und vielen anderen Ländern treibt die Anleger in den sicheren Hafen. Viele Analysten bleiben daher langfristig positiv für das Edelmetall eingestellt. Kurzfristig häufen sich jedoch Warnsignale, dass die Dynamik des Marktes an ihre Grenzen stößt. Die Rally hatte sich zuletzt aufgrund der schwachen Arbeitsmarktdaten und deutlichen Revisionen der Beschäftigungszahlen beschleunigt, da die Märkte nun drei Zinssenkungen der Fed in diesem Jahr einpreisen. Niedrigere Kreditkosten kommen Gold zugute, das selbst keine Zinsen abwirft. Doch all das dürfte inzwischen in den Kursen eingepreist sein.
Gold: Die Alarmglocken läuten
Aus technischer Sicht befindet sich Gold klar im Aufwärtstrend. Der jüngste Kursschub resultierte aus dem Ausbruch aus einem Dreieck sowie aus dem Horizontalwiderstand bei 3.430 US-Dollar. Solche Ausbruchsrallyes erstrecken sich üblicherweise über die Höhe des Dreiecks, was in diesem Fall einem Kurspotenzial von rund 11 Prozent und einem Ziel von bis zu 3.800 US-Dollar entspricht. Innerhalb dieser optimistischen Spanne mehren sich jedoch Anzeichen einer starken Überhitzung. So sendet beispielsweise der RSI bereits ein klassisches Frühwarnsignal für eine bevorstehende Korrektur. Der RSI liegt trotz eines leichten Kursrückgangs auf allen Zeiteinheiten – vom Tageschart bis hin zum Monatschart – deutlich über der kritischen 70-Punkte-Marke und signalisiert damit einen überkauften Markt.
Vor allem im größeren Zeitfenster schlagen die Alarmglocken: Auf Wochenbasis deutet der RSI seit Monaten eine leicht bärische Divergenz an, er erreicht jedoch dennoch überhitzte 73 Punkte. Besonders alarmierend ist der Blick auf den Monatschart. Mit einem RSI von knapp 89 bewegt sich der Goldpreis auf einem Niveau, das seit mehr als 45 Jahren nicht mehr erreicht wurde. Historisch betrachtet folgten auf solche extremen Übertreibungen Kursrückgänge von 20 bis 30 Prozent, wie zuletzt während der Finanzkrise oder bei den Korrekturen in den Jahren 2020 und 2022. Der folgende Gold-Chart von TradingView zeigt die Entwicklung seit 1980 und die Rücksetzer, nachdem der Preis ähnlich stark überkauft war wie aktuell.
Fed als Risikoereignis
Nach der fulminanten Rally der vergangenen Wochen wäre es keine Überraschung, wenn die Goldpreis-Rally eine Verschnaufpause einlegt. Im Fokus steht die Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed am Mittwochabend, die zum entscheidenden Risikoereignis für die Edelmetallmärkte werden könnte. Im Vorfeld dieses wichtigen Termins haben die Märkte ihre Erwartungen an Zinssenkungen deutlich nach oben geschraubt.
Aktuell rechnen die Anleger fest mit einer sofortigen Zinssenkung und erwarten im weiteren Jahresverlauf zwei weitere Schritte. Die Fed selbst hat bislang allerdings lediglich zwei Senkungen in Aussicht gestellt. Umso größer ist das Risiko, dass Fed-Chef Jerome Powell die hochgesteckten Erwartungen auf der anschließenden Pressekonferenz bremst. Schon ein nüchterner, datenabhängiger Ausblick ohne zusätzliche Signale für weitere Zinsschritte könnte ausreichen, um die Hoffnungen der Investoren zu dämpfen.
Ein hawkisher Auftritt Powells würde die Märkte zwingen, ihre Erwartungen neu zu justieren – ein Szenario, das den heiß gelaufenen Edelmetallen Gold und Silber spürbaren Gegenwind bescheren könnte. Nur wenn der Fed-Chef einen klar dovishen Ton anschlägt und zusätzliche Zinssenkungen in Aussicht stellt, dürfte die jüngste Rally beim Goldpreis neuen Auftrieb erhalten. Andernfalls droht eine überfällige Abkühlung, die den steilen Anstieg der vergangenen Wochen zumindest vorübergehend stoppen könnte.
Rücksetzer sind wahrscheinlich
Ein potenzieller Rücksetzer könnte den Goldpreis zunächst bis an das alte Allzeithoch von 3.500 USD bzw. bis zur Ausbruchsmarke von 3.430 USD zurückführen. Möglicherweise erreicht er sogar den Bereich um 3.400 USD, wo die 50-Tage-Linie (3.420 USD) als wichtige Unterstützung verläuft. Auslöser hierfür könnten der „Sell-the-News“-Effekt nach der anstehenden Notenbanksitzung oder Umschichtungen von Investoren in andere Edelmetalle und Kryptowährungen sein.
Trotz dieser kurzfristigen Risiken bleibt die fundamentale Ausgangslage für Gold intakt. Die Kombination aus geopolitischen Unsicherheiten, Inflationssorgen, sinkenden Fed-Zinsen und fortgesetzten Käufen der Zentralbanken spricht mittel- bis langfristig für eine anhaltende Stärke. Anleger sollten jedoch die wachsende Gefahr einer technischen Korrektur nicht ignorieren. Anstatt der Rallye hinterherzulaufen, könnte man auf einen Rücksetzer warten. Geduld zahlt sich aus, denn nach einer möglichen Abkühlung dürfte sich erneut eine attraktive Einstiegschance ergeben.
Disclaimer
Die hier angewandte fundamentale und technische Analyse stellt keine Anlageberatung dar. Es handelt sich auch nicht um Kauf- oder Verkaufsempfehlungen von Wertpapieren und sonstige Finanzinstrumenten. Die Wertentwicklung der Vergangenheit bietet keine Gewähr für künftige Ergebnisse. Die bereitgestellten Analysen sind ausschließlich zur Information bestimmt und können eine individuelle Anlageberatung nicht ersetzen. Eine Haftung für mittelbare und unmittelbare Folgen aus diesen Vorschlägen ist somit ausgeschlossen.
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken