Am vergangenen Montag um 14.20 Uhr fuhr Gerardo Seoane zum letzten Mal vom Gelände am Gladbacher Borussia-Park. Vorausgegangen war eine lange Krisen-Sitzung, in der die Bosse um Sport-Geschäftsführer Roland Virkus (58) den Rauswurf ihres Cheftrainers beschlossen hatten. Am frühen Abend gab der Klub schließlich auch offiziell die zweite Trainer-Entlassung der neuen Bundesliga-Saison nach Erik ten Hag (55) in Leverkusen bekannt. Vorerst übernimmt U23-Trainer Eugen Polanski (39).
Zwei Jahre und drei Monate lang hatte die Klub-Führung dem Schweizer trotz öffentlicher Dauer-Kritik den Rücken gestärkt, mit der Einstellung seines Vertrauten David Zibung als Sportkoordinator sogar vieles nach ihm ausgerichtet – nach dem blamablen 0:4 gegen Bremen fehlte nun doch der Glaube an die Wende. Dafür gibt es Gründe.
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SPORT BILD zeigt Seoanes Fehler-Liste!
► Seine Sieglos-Serie: Nach saisonübergreifend zehn Spielen ohne Sieg in Folge hatten intern auch die größten Seoane-Fürsprecher keine Argumente mehr. In dieser Saison schoss Borussia noch kein Tor, das letzte erzielte der aktuell verletzte Tim Kleindienst (30) am 3. Mai beim 4:4 gegen Hoffenheim.
► Die brenzlige Gesamtsituation: Zur Wahrheit gehört, dass es im Verein mehr Schuldige für die Krise gibt als nur Seoane. Die finanzielle Lage ist angespannt, die Erwartungshaltung immens. Transfers ließen sich erst spät umsetzen, eine konstante Spieler-Achse hatte er nie, zu viele Profis zeigten individuelle Patzer und nach Rückschlägen fiel das Team zu schnell auseinander. Seoane beschwerte sich zwar nie, muss sich aber vorwerfen lassen, dass er keine Strukturen aufbauen konnte, um dauerhaft mehr aus dem Kader rauszuholen. Eine spielerische Weiterentwicklung und eine klare DNA seines Fußballs war nicht konstant erkennbar.
► Zu wenig Emotionalität: Einer der Hauptgründe! Dem ruhigen und sachlichen Schweizer gelang es nicht, das mächtige Gladbacher Umfeld hinter sich zu bringen. Aktivität war zwar eines seiner Schlagworte, doch Seoane setzte meist zu sehr auf Sicherheit statt auf mutigen, risikoreichen und mitreißenden Fußball.
Nur 4:4 in Turin: Frust-Interview nach Tor-Spektakel
Quelle: SID, BILD17.09.2025
► Seine Wechsel: Auch bei seinen Wechseln entschied sich Seoane zu häufig für die zurückhaltendere und defensivere Variante. Beispiel: Beim 0:4 gegen Werder wechselte er trotz Rückstands erst ab der 60. Minute. Seine Erklärung („Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir in der ersten Halbzeit mit einem Wechsel das Spiel ändern konnten“) kam bei seinen Jokern nicht gut an.
► Umstrittenes Leistungsprinzip: Teile des Kaders werfen ihm vor, zu wenig auf Leistung gesetzt zu haben. Fakt ist, dass Seoane an schwächelnden Stars wie Julian Weigl (29) lange festhielt.
► Die Kabinen-Revolte: SPORT BILD hatte enthüllt, dass sich vergangene Rückrunde ein Kreis von Führungsspielern bei Seoane gegen die Aufstellung von Stürmer Tomas Cvancara (25) eingesetzt hatte. Dass Seoane ihn beim 3:4 in Kiel dennoch aufstellte, unterstreicht zwar seine Haltung, soll bei einigen Profis aber zu Vertrauensverlusten geführt haben.
► Die Neuhaus-Problematik: Seoane schaffte es nicht, das schwelende Dauer-Thema rund um ihn und Spielmacher Florian Neuhaus (28) endgültig zu schließen. Vor allem Neuhaus’ verwandelter Elfmeter – obwohl er als Schütze nicht eingeteilt war – zum 2:2 in Bremen 2024 hatte für Zoff zwischen beiden gesorgt.
► Die Talente-Klemme: Seoane entwickelte mehrere Talente wie Rocco Reitz (23) oder Lukas Ullrich (21) zu gestandenen Profis. Immer wieder litt er unter Fan-Vorwürfen, er würde anderen Juwelen wie Fabio Chiarodia (20) zu wenig Einsatzzeiten geben – genau dieser patzte nun aber entscheidend gegen Werder.