Stand: 18.09.2025 09:35 Uhr

An Halloween 2014 wurde die damals 13 Jahre alte Caroline Bredlinger durch einen Gewehrschuss verletzt. Noch heute hat die österreichische 800-Meter-Läuferin deshalb Schmerzen. Von sportlichen Erfolgen hält sie das aber nicht ab. In Tokio nimmt die 24-Jährige erstmals an einer Leichtathletik-WM teil.

Am 31. Oktober 2014 endete – so sagt sie es selbst – von einem auf den anderen Moment die Kindheit von Caroline Bredlinger: Die Jugendliche war damals mit Freunden in dem Dorf Großhöflein im Burgenland unterwegs, als sie plötzlich stechende Schmerzen im Gesäß und im linken Bein verspürte.

Was passiert war, stellte sich erst später im Krankenhaus und bei den Ermittlungen der Polizei heraus: Ein betrunkener Mann hatte von einem nahegelegenen Balkon mit einem Gewehr wahllos in der Gegend herumgeschossen und sie getroffen.

Das Projektil zersplitterte an ihrem Beckenknochen, seitdem stecken 24 kleine Metallteile abgekapselt in ihrem Körper. Auch fast elf Jahre später verspürt sie noch immer Schmerzen, kann zum Beispiel nicht lange sitzen, ihr linkes Bein ist zudem schwächer als das rechte.

Laufen ist die wichtigste Sache in Bredlingers Leben

Dass die talentierte Läuferin nicht Schluss machte mit dem Sport nach ihrer Schussverletzung, überrascht nicht. Sie habe damals große Angst gehabt, nie mehr Laufen zu können. Denn Laufen, das war und ist seit Bredlingers Kindheit ihr Leben.

„Ich hatte als Kind zu viel Energie. Meine Mutter hat mich dann vor die Wahl gestellt: Turnen oder Leichtathletik? So bin ich zur Leichtathletik gekommen. Und beim Laufen hatte ich am meisten Talent“, erzählte sie kurz vor dem Abflug zur WM beim österreichischen Kurier-TV.

„Ich bin in der Form meines Lebens“

Es habe in ihrer Jugend extrem schwere Phasen gegeben, sie habe oft geweint. „Und es gab sehr viele Momente, an denen ich hätte aufhören können.“

Dass sie sich nun am heutigen Donnerstag (12.58 Uhr, im Live-Ticker bei sportschau.de) bei der WM in Tokio in ihrem 800-Meter-Vorlauf mit der Weltjahresbesten Keely Hogkinson aus Großbritannien und weiteren Topläuferinnen messen darf, ist für Bredlinger auch deshalb noch immer surreal: „Die WM-Teilnahme bedeutet mir unglaublich viel. Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung. Ich wollte das immer. Ich kann es noch immer nicht ganz glauben.“

Ihr Ziel ist die Qualifikation für das Halbfinale, dafür muss sie in ihrem Lauf nach Möglichkeit unter die ersten Drei kommen. „Ich bin in der Form meines Lebens, darauf habe ich jahrelang hingearbeitet. Eine persönliche Bestzeit wäre ein Traum“, sagte Bredlinger. Auf Sicht will sie auch den österreichischen Landesrekord von Stephanie Graf (1:56,64) angreifen, der seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney Bestand hat. „Das ist nicht unmöglich.“

Erstmals in ihrer Karriere unter zwei Minuten

Die WM-Teilnahme perfekt machte Bredlinger Ende Juni im slowenischen Maribor, als sie die 800 Meter bei der Team-EM in persönlicher Bestzeit von 1:58,95 Minuten gewann. „Da ist mir eine irrsinnige Last vom Herzen gefallen.“ Kurz zuvor war sie in Wien erstmals in ihrer Karriere unter zwei Minuten geblieben. Ende Juli siegte sie beim Istaf in Berlin in 1:58,99 Minuten. So machte die Österreicherin bereits die Qualifikation für die EM im kommenden Jahr in Birmingham perfekt.

Entschuldigung des Täters nimmt sie nicht an

Dabei hatte sie als Jugendliche und junge Erwachsene oft an sich gezweifelt. Direkt nach ihrer Schussverletzung hatte die Nachwuchsathletin noch auf mentale Hilfe verzichtet.

Dabei sei es nicht einfach gewesen, von der Polizei befragt zu werden und später im Gerichtssaal dem Täter gegenüber zu sitzen. Er wurde wegen schwerer Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt.

„Er wollte mir die Hand reichen, ich habe das abgelehnt. Die Entschuldigung des Täters bringt mir nichts. Sie ändert nichts daran, dass sich mein Leben verändert hat. Ob ich die Schmerzen jemals wieder loswerde, kann mir niemand sagen“, sagte die 24-Jährige dem „Standard“.

Mit ihrem Sieg beim Istaf in Berlin qualifizierte sich Caroline Bredlinger für die EM 2026.

Bredlinger blickt nicht zurück

Bis sie 20 Jahre alt war, kämpfte die Leichtathletin vergeblich darum, den Anschluss zu finden und wieder ihr altes Leistungsniveau zu erreichen. Dann nahm sie eine sechsmonatige Auszeit vom Leistungssport, 2020 folgte schließlich ein neuer Anlauf.

In jüngster Zeit sei sie nun im psychischen und physischen Bereich deutlich stärker geworden. „Wir haben immer geschaut, so gut wie möglich, aber auch so schonend wie möglich zu trainieren.“ Nicht nur Physiotherapie und das gezielte Training bei ihrer Mutter Ursula brachten sie voran, sondern auch Gespräche mit einem Sportpsychologen halfen. „Als es bei mir sportlich wieder bergauf ging, ging es mir auch mental wieder besser.“

Bredlinger wird zwar oft auf die Schussverletzung aus dem Jahr 2014 angesprochen, aber sie selbst will eigentlich gar nicht zurückschauen: „Könnte ich heute schneller laufen, wenn ich die Schmerzen nicht hätte? Ich weiß es nicht, mir fehlt der Vergleichswert. Ich kenne es nur noch so. Ich will nicht alles in meinem Leben an der Tatsache messen, dass ich mal angeschossen wurde. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe.“