Man kam am frühen Mittwochabend auf dem Marienplatz kaum am Thema Münchner Olympia-Bewerbung vorbei. Neben dem Fischbrunnen standen den Passanten ein Info-Pavillon und etliche Bannerständer im Weg, dazwischen war eine stilisierte blaue Laufbahn abgesperrt, auf der man geradewegs ins Rathaus hinein hätte sprinten können. Dorthin also, wo unter dem Motto „Marktplatz Olympia“ eine sogenannte Dialogveranstaltung zur geplanten Bewerbung der Landeshauptstadt um Sommerspiele in den Jahren 2036, 2040 oder 2044 anberaumt worden war.
Ob diese Bewerbung ins Laufen kommt, soll am 26. Oktober in einem Bürgervotum entschieden werden. Am Mittwoch begann das Kreisverwaltungsreferat (KVR) damit, die Wahlbenachrichtigungen samt Briefwahlunterlagen zu verschicken. Und zum Start des Abstimmungsprozesses wollte das in Sachen Olympia-Bewerbung federführende Referat für Bildung und Sport (RBS) den interessierten Münchnerinnen und Münchnern eine Gelegenheit „für Austausch, Information und Beteiligung“ bieten, wie es in der Einladung hieß.
Die galt zwar grundsätzlich auch für die Gegner des vom Stadtrat im Mai mit großer Mehrheit beschlossenen Vorhabens, sich erneut um die Ausrichtung von Olympischen Spielen zu bemühen; aber diese Gegner waren nicht in einer aktiven Rolle vorgesehen, also als Teilnehmer eines Streitgesprächs zum Beispiel oder mit einem eigenen Info-Stand. Also machten die im Bündnis „NOlympia“ organisierten Bewerbungsskeptiker schon vor der Veranstaltung auf ihr Anliegen aufmerksam: Ein paar Schritte neben Fischbrunnen und Laufbahn schwenkten sie ihre Transparente und Plakate. „München spart sich Olympia – für unsere Zukunft“, hieß es auf einem.
Angesichts knapper Kassen auf allen Ebenen, vom Bund über den Freistaat bis zu den Kommunen, solle die Stadt ihr noch vorhandenes Geld lieber in soziale oder kulturelle Projekte stecken statt in eine „Bewerbung, von der man nicht weiß, ob sie jemals zielführend ist“, erklärte Stefan Jagel, der Kreisvorsitzende der Münchner Linken. Die Kosten für den nationalen Bewerbungsprozess beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) beziffert das RBS mit einer Spanne zwischen fünf und acht Millionen Euro. Dazu kommen freilich weitere Kosten für die Vorbereitung und Durchführung des Bürgerentscheids, inklusive der nun angelaufenen Werbemaßnahmen. Das sind noch einmal rund 6,5 Millionen Euro. Und das in einer Zeit, in der der Stadtkämmerer von den Referaten Einsparungen in Höhe von 90 Millionen Euro bis zum Jahresende verlangt.
Da kann durchaus der Eindruck einer gewissen Schieflage entstehen. Die Demo von „NOlympia“ vor dem Rathaus begründete Jagel am Mittwochnachmittag auch damit, dass die Veranstaltung im Inneren „nicht ausgewogen“ sei. Er hätte sich jedenfalls eine Debatte zwischen Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seinem Bündnis gewünscht, so Jagel weiter: „Aber der OB verweigert sich dem Dialog und macht lieber eine Imagekampagne.“
In der Tat fanden die Dialoge bei den Talkrunden im großen Sitzungssaal des Rathauses ausschließlich zwischen Menschen statt, die der gleichen Meinung sind – nämlich, dass es eine gute Idee sei, nach 1972 noch einmal Olympische Sommerspiele in München auszurichten. Im Falle eines Zuschlags sehen Wirtschaftsvertreter rosige Zeiten auf die Stadt und den ganzen Freistaat zukommen, einen Schub für die Baubranche und eine Vollauslastung der Hotellerie. Repräsentanten des Sports beschworen Impulse für Kinder-, Jugend- und Breitensport sowie die Sanierung von Sportanlagen.
Wahlbenachrichtigungen im Briefkasten
:Was man zum Bürgerentscheid über die Münchner Olympia-Bewerbung wissen muss
Von dieser Woche an verschickt die Stadt Wahlbenachrichtigungen an rund 1,1 Millionen Münchner. Sie entscheiden am 26. Oktober, ob München zum zweiten Mal Sommerspiele ausrichten will. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Abstimmung.
Der 67 Jahre alte OB Reiter und Bayerns ein Jahr älterer Innen- und Sportminister Joachim Herrmann (CSU) verbanden ihre Werbung für eine schillernde Zukunft durch Olympia mit der Erinnerung an eine blendende Vergangenheit. Nachdem sie im großen Sitzungssaal ausgiebig von den prägenden Erlebnissen und Einflüssen der 72er-Spiele geschwärmt hatten, kam der Oberbürgermeister zum wohl zentralen Punkt der Olympia-Bemühungen: „Wir erwarten Geld für Projekte, die wir sonst nicht finanzieren können.“ Dabei nannte er vorrangig Maßnahmen für den öffentlichen Nahverkehr wie den S-Bahn-Ringschluss sowie Aus- und Neubau der U-Bahnlinien 4 und 9. „Die werden nicht stattfinden, wenn wir Olympia nicht bekommen“, sagte Reiter.
Zur Kritik an der Bewerbung sagte Reiter nur, er möge es nicht, „wenn man Fakten an den Haaren herbeizieht“. Dabei bezog er sich auf das plakatierte Szenario drohender Mietsteigerungen von bis zu 144 Prozent, die es in der Vergangenheit in Olympia-Orten gegeben habe. „Sinnfrei“ fand Reiter das, da hätte man in der Pro-Olympia-Kampagne auch einfach Mietsenkungen von 20 Prozent behaupten können.
Zwei Stockwerke unter dem Sitzungssaal, in der Ratstrinkstube, hatten die Mitarbeitenden des „Team OlympiJA“ einen Info-Markt aufgebaut mit verschiedenen Ständen zu den wichtigen Aspekten der Bewerbung, unter anderem zu den Kosten. Besonders ins Auge fiel dabei ein Schaubild mit den „Durchführungskosten“ in Höhe von 4,5 Milliarden Euro für die Spiele 2024 in Paris – mit „95% Finanzierung aus dem privaten Sektor“.
Dass es daneben noch ein Budget in etwa gleicher Höhe für Investitionen in die Infrastruktur gab, erfuhr man freilich erst im Kleingedruckten auf einem anderen Plakat. Und dass in Frankreich weiterhin darüber gestritten wird, wo die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen der Spiele verbucht werden sollen, stand nirgendwo. Dabei sind das genau die Summen, die auch hierzulande von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssten.