Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat es also getan: Er ist entgegen seiner Gewohnheit in ein Fahrgeschäft eingestiegen, das sich schneller als in Schrittgeschwindigkeit bewegt. Und er hat die Fahrt mit dem „Happy Sailor“ heil überstanden, aber es habe ihm dann schon gereicht, meint der OB später. Der „Happy Sailor“ ist eine von mehreren Neuheiten auf dem Oktoberfest. Es ist eine klassische Berg- und Talfahrt mit sich drehenden Gondeln, in der zwar auch Kinder ab acht Jahren alleine mitfahren dürfen, deren Geschwindigkeit, mit der die Runden absolviert werden, aber nicht zu unterschätzen ist.
Am Donnerstag, zwei Tage vor dem Anstich, haben der OB und Münchens Wirtschaftsreferent Christian Scharpf (SPD), der qua Amt auch Wiesnchef ist, beim alljährlichen Presserundgang die Neuheiten auf der Wiesn vorgestellt. In die Gondel des „Happy Sailor“ sind beide nur wenige Minuten nach der TÜV-Abnahme gemeinsam gestiegen, umringt von Fotografen und Fernsehteams.
Entgegen seiner Gewohnheit wagte sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (rechts) mit Wiesnchef Christian Scharpf in ein Fahrgeschäft: dem „Happy Sailor“. (Foto: Catherina Hess)
Dass es jedes Jahr etwas Neues gibt, gehört zum Wesen des Festes, das sich zwar traditionell gibt, aber immer auch einige Innovationen zu bieten hat. So gibt es dieses Jahr im Museumszelt auf der Oidn Wiesn eine neue Ausstellung namens „Jedes Bild ein Treffer“, die die Entwicklung der Jahrmarktfotografie von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die digitale Gegenwart beleuchtet. Ebenfalls neu auf der Oidn Wiesn ist die „Geisterhöhle“, eine historische Geisterbahn aus den frühen Sechzigerjahren, deren Schienen angeblich aus einem alten Bergwerk stammen.
Obwohl auf der Wiesn traditionell eigentlich keine Politik stattfinden soll, macht die Stadt trotzdem ein bisschen Werbung für den Bürgerentscheid am 26. Oktober, bei dem es darum geht, ob sich München für Olympische Sommerspiele bewerben soll oder nicht. So gibt es nun vor dem Olympia-Looping einen Foto-Spot, der als großes Fass mit einem herzförmigen Ausschnitt gestaltet ist, über dem steht: „Mein Herz schlägt für Spiele in München.“
Ebenfalls neu ist der „Sky Lift“, eine Art freistehender Aufzug, mit dem Fahrgäste in vier Gondeln, bei schönem Wetter auch auf den Dächern der Gondeln, 71 Meter in die Höhe fahren können. Die Gondeln sind barrierefrei, in jede passen 20 Menschen. Weitere Neuheiten sind der Weißbiergarten „Isarschänke“ und das Kinderfahrgeschäft „Die Montgolfiere“, dessen Namen an die Pioniere der Heißluftballonfahrt erinnern. Reiter und Scharpf fahren für die Kameras wieder gemeinsam mit, eine Gefahr des Höhen- oder Geschwindigkeitsrausches besteht hier nicht.
Das Kinderfahrgeschäft „Die Montgolfiere“ ist in diesem Jahr neu auf der Wiesn. (Foto: Catherina Hess)
Vor dem Olympia Looping posieren Oberbürgermeister Dieter Reiter und Wiesnchef Christian Scharpf in einem Fass. (Foto: Felix Hörhager/dpa)
In der „Isarschänke“ fließt heuer zum ersten Mal das Bier. (Foto: Catherina Hess)
Wie jedes Jahr sind beim Rundgang etwa 100 Leute dabei, unter ihnen auch der Zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) und die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) sowie zahlreiche Stadträte, Wiesnwirte und Schausteller. Der Tross marschiert, angeführt von Blasmusik, wie ein vorgezogener Trachtenumzug über die Theresienwiese, auf der noch fast überall geschraubt, gehämmert und ausgeladen wird. Es herrscht ein reger Lieferverkehr, die Zeit drängt – wie jedes Jahr übrigens.
An den einzelnen Stationen des Rundgangs beantworten der OB und der Wiesnchef geduldig alle Fragen der Medien, die sich zum Beispiel um den Bierpreis drehen. Während Scharpf, wie stets auch die Wiesnwirte, auf die allgemein gestiegenen Preise verweist, meint der OB, man könnte durchaus auch mal die Erhöhung des Bierpreises aussetzen, doch das sage er seit Jahren (auch er war 2012 und 2013 mal Wiesnchef) vergeblich. Dieses Jahr kostet die Mass Bier zwischen 14,50 und 15,80 Euro, im Vorjahr waren es noch 13,60 bis 15,30 Euro, zu Reiters Zeit als Festleiter gab es die Mass noch für unter zehn Euro.
Im Café Theres schließlich tritt der Gewinner des erstmals ausgelobten Wettbewerbs „A Liad für d’ Wiesn“ auf, der Rosenheimer Künstler Michael Fenzl. Sein Song „Bierdringa“ lebt von schnellem Balkan-Beat und seiner zum Oktoberfest passenden Ermunterung, Bier zu trinken. „Der Traum eines jeden Wiesnwirts“, so das Urteil von Wiesnchef Scharpf, der als Klarinettist mit Blaskapellenerfahrung quasi auch musikalisch vom Fach ist.
Wenn das Wetter so bleibt wie an diesem Donnerstag, so sind sich Wirte und Schausteller einig, kann für das Oktoberfest nicht viel schiefgehen, am ersten Wiesn-Samstag soll es hochsommerlich heiß werden. Eine Frage, die die Journalisten aber noch mehr interessiert als das Wetter, ist die Frage des Anzapfens. In den vergangenen Jahren schaffte Reiter den Anstich im Schottenhamel-Zelt stets mit zwei Schlägen, doch dieses Jahr hat er eine Operation an der rechten Schulter hinter sich, ausgerechnet an seinem Anzapf-Arm. Wird schon gehen, meint der OB. Zwei Schläge seien nach wie vor das Ziel. Wenn er es nicht schaffe, sagt er in die Runde, habe er wenigstens eine Ausrede.