Leerstand ist in Düsseldorf schwer zu greifen. Für die Stadtverwaltung, weil es bisher keine wirkliche Struktur gibt, über die leer stehende Gebäude identifiziert werden. Für Bürger – besonders denen auf Wohnungssuche – weil sie sich wundern, weshalb Wohnraum leer steht, obwohl der doch benötigt wird. Studierende der Kunstakademie haben im Immermannhof eine leere Gewerbefläche wiederbelebt – zumindest kurzzeitig.

In Zusammenarbeit mit dem Kunstverein 701 e.V. stellt die Klasse Alexandra Bircken der Düsseldorfer Kunstakademie für die kommenden vier Wochen ihre Arbeiten aus. „Yes, beautiful“, heißt die Ausstellung, deren kuratorischer Ausgangspunkt jener teilweise Leerstand des Büro- und Geschäftsgebäudes gegenüber dem Hauptbahnhof war, in dem nun die Arbeiten der Studierenden stehen. Dieses stehe „exemplarisch für die aktuelle Verwaisung der Innenstädte und dem daraus resultierenden Bedarf an Neuorientierung und strukturellem Wandel“.

„Dass es so viel Leerstand gibt, ist eigentlich ein Skandal“, sagt Professorin Alexandra Bircken bei der Ausstellungsvorstellung, wo doch gleichzeitig so viele Wohnungen fehlten. Für ihre Studierenden jedoch ist der von einer Glasfassade umgebene Erdgeschossraum, der seit geraumer Zeit nicht genutzt wird, nun ein Podium – und eine „künstlerische Herausforderung“, wie Bircken sagt. „Es ist spannend, in einem vorhandenen Raum etwas zu verändern und das Konzept so anzupassen, dass mit den Gegebenheiten gewinnbringend gearbeitet wird“, so die Professorin. Denn die Ausstellungsfläche durfte nicht entkernt werden, Teile des Restmobiliars aus der Zeit, als die Räumlichkeiten noch als Touristeninformation genutzt wurden, stehen noch.

Einer, der seine Arbeiten am Donnerstagvormittag vorstellt, ist Niels Fäßle. Er hat unter anderem Beton in Formen gegossen, die an ein „auf Kipp“ gestelltes Fenster erinnern. Der Beton hängt an einer der bestehenden Zwischenwände. Das nur ein wenig geöffnete Fenster sei als „Geste die kleinste Form von Öffentlichkeit, die man zu Hause zulässt“, sagt Fäßle. Student Tayyib Sen hat für die Ausstellung unter anderem eine Fußmatte aus Stahlwolle geschaffen, mit dem Titel „‘welcome’, kleingeschrieben“, wie er betont. „Es geht darum, den Moment einzufangen, in dem man in einen Raum kommt“, sagt er. In einen Raum allerdings, in den man nur aus Höflichkeit eingeladen wurde. Deshalb sei auch die Tür davor nur angewinkelt geöffnet. Die Botschaft sei: „Eigentlich wollen wir gar nicht, dass du reinkommst – aber wir halten die Tür offen.“ Andere Arbeiten verkörpern eine Kapitalismuskritik oder demonstrieren soziale Hierarchien, wie die von Paula Rinderele, oder sind ein „humoristischer Blick“ auf Statussymbole, wie die gekreuzten Golfschläger von Lillith Sachsenhauser.

Natürlich interpretiert der Betrachter künstlerischer Arbeiten auch selbst viele Inhalte in diese herein, mal mehr, mal weniger, mal vollkommen andere als die, die tatsächlich als Inspiration dienten. Doch es liegt nahe, in den Schaffungen der Studierenden nicht nur einen kreativen Umgang mit vorhandenem Raum zu erkennen, sondern auch die Düsseldorf- und großstadtspezifische politische Dimension des Themas Raum.

Konkreter: Wohnraum und Leerstand. Das zu Hause ist für Menschen der Ort, an dem sie sich zurückziehen und idealerweise sicher fühlen können. Viele Düsseldorfer Mieter beklagten in den vergangenen Monaten, dass ihnen genau das verloren gehe, weil sie entmietet würden, also aus ihren Wohnungen verdrängt. Gleichzeitig stehen schätzungsweise mindestens 10.500 Wohnungen (Zensus 2022) leer. Wieso das so ist? Das ist nicht immer eindeutig. Willkommen jedenfalls, fühlen sich viele Bürger nicht mehr. Drastischer ist der Leerstand noch in Bürogebäuden, allein rund um den Kennedydamm soll die Quote bei rund 35 Prozent liegen. Es wurden schon Rufe laut, diese in Wohnraum umzuwandeln – und manch ein Immobilienentwickler sagt: das geht. Es wäre an der Zeit, kreativ zu werden, die „Gegebenheiten des Ortes“ zu nutzen, wie es in der Ausstellungsbeschreibung heißt, damit zu arbeiten, wie Professorin Bircken sagt. Vielleicht können die Kunstakademie-Studierenden nun selbst andere dazu inspirieren.