Marvin Schulz (Name verfremdet) könnte man im Rahmen der Umstände fast einen Glückspilz nennen. Ganz so plakativ drückte es der Vorsitzende Richter am Donnerstag im Leipziger Landgericht zwar nicht aus, doch er machte klar, dass der Angeklagte mit einer Bewährungsstrafe sehr gut bedient war und es wenig Sinn ergäbe, das Urteil anzufechten. Verurteilt worden war der 38-jährige Mann unter anderem wegen wilder Verfolgungsjagden mit der Polizei.

Tätlicher Angriff auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, verbotene Kraftfahrzeugrennen, Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel, Sachbeschädigung, unbefugter Gebrauch eines Kraftfahrzeugs, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Fahren ohne Fahrerlaubnis: Man braucht einen längeren Atem, um die Reihe der Vorwürfe gegen Marvin Schulz im Detail aufzulisten.

Das Amtsgericht von Eilenburg hatte den heute 38-Jährigen im August 2024 wegen dieser Delikte zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, obwohl durchaus auch ein längerer Gefängnisaufenthalt im Raum gestanden hätte. Dennoch legte Schulz Berufung ein, sein Fall landete beim Landgericht Leipzig.

Halsbrecherische Raserei durch die Dörfer

Alles begann am 2. Mai 2023 – damals brach Marvin Schulz mit dem Ford einer Bekannten ohne deren Einverständnis zu einer Spritztour auf. Eine Fahrerlaubnis besaß der gelernte Handwerker übrigens nicht, dafür hatte er Drogen intus und befuhr die Straßen im nordsächsischen Löbnitz. Als ihn eine Polizeistreife anhalten wollte, raste Marvin Schulz den Beamten kurzerhand davon, durchbretterte Ortschaften mit etwa 100 km/h und beschleunigte außerhalb sogar bis auf 170 Kilometer pro Stunde, sodass die Polizei Mühe hatte, zu dem Raser aufzuschließen.

Die aufgebaute Straßensperre in Bad Düben ignorierte Marvin Schulz, ein Polizist konnte sich nur durch einen beherzten Sprung zur Seite retten. Erst auf einem Feldweg in Sausedlitz endete die halsbrecherische Aktion. Kurz zuvor war der Angeklagte mit einem Polizeiwagen kollidiert, mehrere von ihnen hatten erneut eine Straßensperre errichtet. Der Sachschaden: mehr als 20.000 Euro. Man muss von Glück reden, dass kein Mensch verletzt oder gar getötet wurde.

Zwei weitere Taten folgten

Marvin Schulz habe sich als „beharrlicher Rechtsbrecher“ gezeigt, den auch seine Vorbelastung – Schulz hatte seit 2020 eine ganze Reihe teils einschlägiger Strafbefehle kassiert – nicht abgeschreckt habe, befand das Eilenburger Amtsgericht später. Erschwerend kam hinzu, dass Schulz, wiederum unter Drogeneinfluss und ohne Fahrerlaubnis, am 30. September 2023 in Eilenburg auf einem Kleinkraftrad unterwegs war.

Selbst als die Anklage gegen ihn schon fertig war, machte Schulz am 29. März 2024 mit einem Wagen die Straßen von Delitzsch unsicher, dabei das gewohnte Muster: Betäubungsmittel intus, aber keine Fahrerlaubnis. Wiederum nach einer gefährlichen Verfolgungsjagd nahmen Polizeibeamte den Dauerraser schließlich in einer Ortschaft fest.

Verteidiger: „Er ist einsichtig, dass er Mist gebaut hat“

Das Amtsgericht Eilenburg hatte Marvin Schulz besonders das hohe Gefährdungspotenzial seiner Raserei, die Vielzahl an Straftatbeständen, die Vorbelastung und die Ignoranz gegenüber der Rechtsordnung angekreidet. Für ihn sprach zumindest, dass er sich voll geständig zeigte und der Einfluss der Drogen ihn stark stimuliert hatte. Beim Berufungsprozess im Landgericht am Donnerstag ging es nicht mehr um die Schuldfeststellung und die Sachverhalte, doch das Strafmaß für Marvin Schulz befand dessen Pflichtverteidiger Christian Schößling als zu hoch. Sein Mandant sei „einsichtig, dass er Mist gebaut hat“, so der Rechtsanwalt.

Als neues Entlastungsargument führte er aber an, dass Marvin Schulz sich bei dem Polizisten, den er bei der ersten Tat leicht hätte verletzen oder gar töten können, per Brief um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht habe. Die Berufungskammer zeigte sich davon wenig beeindruckt, zumal das Schriftstück erst auf den 12. September datieren soll, nicht einmal eine Woche vor Prozessbeginn.

„Vielleicht ist es sinnvoll, mal einen Schlussstrich zu ziehen. Sie kommen von einer Verurteilung nicht los“, redete der Vorsitzende Richter Carsten Ruge Marvin Schulz ins Gewissen.

Gericht verwirft Berufung als unbegründet

Gemäß dem Willen der Staatsanwaltschaft verwarf das Gericht die Berufung des Angeklagten nach knapp zwei Stunden als unbegründet, während die Verteidigung einen Strafnachlass auf zehn Monate mit Bewährung hatte erreichen wollen. Angesichts der gravierenden Tatumstände und der Wiederholung seiner Verstöße hätten andere Kammern sicher weniger mild geurteilt, stellte Richter Ruge klar, die Bewährungsstrafe für Marvin Schulz sei „mit großem Augenmaß“ verhängt worden.

Der hatte sich in seinem letzten Wort dem Verteidiger angeschlossen. Nach eigener Aussage lebt er aktuell im elterlichen Haus und sei wegen psychischer Probleme krankgeschrieben, so der Vater eines Kindes. Er suche therapeutische Unterstützung. Gegen das Urteil kann er jetzt noch Revision einlegen.