Es ist eine für deutsche Flughäfen äußerst seltene Warnmeldung, die bei Fluggesellschaften eingetrudelt ist: Der Flugkraftstoff Jet A-1 sei wegen technischer Schwierigkeiten in der liefernden Raffinerie nicht verfügbar, sie sollten ihre  Versorgungspartner kontaktieren, hieß es in einer sogenannten Notice for Airmen. Einfacher gesagt: Am Flughafen Hamburg fehlt das Kerosin, damit Flugzeuge tanken können. Daher drohen Planänderungen, Verspätungen und schlimmstenfalls Flugausfälle.

„Die Fluggesellschaften am Hamburger Flughafen sind zurzeit von einem unvorhergesehenen Kerosinlieferengpass seitens der Raffinerie Heide betroffen“, bestätigte der Flughafen. Im Verlauf des Donnnerstag sei der Betrieb noch stabil gewesen. „Wir gehen jedoch davon aus, dass es in den nächsten Tagen zu Flugplan-Änderungen und Verspätungen am Hamburg Airport kommen kann“, hieß es weíter. Verantwortlich sei man dafür nicht. Fluggesellschaften organisierten sich Treibstoff über Verträge mit Lieferanten und dem Tanklagerbetreiber am Flughafen. „Wir sind selbst Betroffener dieser Lage. Das ist wie im Straßenverkehr: Der Betreiber der Autobahn ist nicht in der Verantwortung, wann und ob die Tankstellen an den Rastplätzen beliefert werden“, sagte Christian Kunsch, der Vorsitzende der Flughafen-Geschäftsführung.

Die Ursache für den Lieferausfall wird in den Anlagen der Raffinerie Heide GmbH in Schleswig-Holstein verortet. Dort werden auf Nachfrage als Grund allgemein „unvorhergesehene Umstände“ genannt. Die Raffinerie hatte zuvor „planmäßige Instandhaltungsarbeiten“ vom 15. September bis zum 4. Oktober 2025 angekündigt. Dazu hieß es allerdings: Speditionen könnten dennoch  „Benzin und Diesel für Tankstellen, Flugbenzin für den Hamburger Flughafen und Heizöl für Haushalte abholen. Engpässe sind nicht zu erwarten.“ Ob die Engpässe am Flughafen mit den Arbeiten zusammenhingen, blieb unbeantwortet. Man arbeite „mit Hochdruck an einer schnellen Lösung“.

Schaden für Flughafen, Airlines und Passagiere

Unruhe in der Luftfahrtbranche ist aber schon entstanden. Der Hamburger Flughafen erklärte, nicht nur dem Airport, sondern auch Passagieren und Fluggesellschaften entstünde ein „wirtschaftlicher Schaden, dessen Höhe zurzeit noch nicht näher beziffert werden kann“. Dazu kam, das kursierte, der Lieferausfall könne sich bis in die kommende Woche ziehen. Die Raffinerie erklärte im Tagesverlauf hingegen, dass am Donnerstagnachmittag die Lieferung von Flugkraftstoff wieder aufgenommen werden sollte. Die Fluggesellschaft Condor wies vorsorglich daraufhin, dass es zu „Anpassungen im Flugplan“ kommen könne. Passagiere wurden gebeten, sich rechtzeitig über den Status ihres Fluges zu informieren. Eurowings aus dem Konzern der Deutschen Lufthansa teilte mit, dass es zumindest aktuell keine Auswirkungen auf Flüge gebe. „Flugzeuge werden statt in Hamburg temporär an anderen Flughäfen betankt.“ 

Das erzeugt einiges an Aufwand. Für kürzere Strecken – im Inland, in Nachbarländer Deutschlands und auch bis nach Mallorca – können Flugzeuge den nötigen Kraftstoff schon im Tank nach Hamburg mitbringen. Das funktioniert jedoch nicht für längere Flüge, wozu in Luftfahrtkreisen Urlauberstrecken auf die Kanarischen Inseln oder nach  Ägypten genannt werden. Der Treibstoffbedarf wäre in diesem Fällen zu groß, zudem müssten Flugzeuge zuvor in Hamburg mit einem stark gefüllten Tank landen, was Sicherheitsfragen aufwirft. 

Für diese Flüge sollte Kerosin auf alternativen Wegen beschafft und per Lastwagen statt per Pipeline zum Hamburger Flughafen gebracht werden. Falls dies nicht gelänge, wären Zwischenstopps zum Nachtanken nötig. Diese versuchen die Airlines jedoch möglichst zu vermeiden. Die Zusatzlandungen kosten Zeit, sie können Flugpläne durchwirbeln, Besatzungen können an die zusätzlichen Höchstdienstzeiten stoßen. 

Diskussion über kritische Infrastruktur entbrannt

Ein Ausfall der Kerosinversorgung ist selten. Der Lieferkettenanalyst Ever­stream zählte acht Fälle in den vergangenen zwei Jahren. Zu Jahresbeginn hatte es den Flughafen Johannesburg in Südafrika wegen eines Brandes in der liefernden Raffinerie getroffen. Der Lufthansa-Konzern ließ damals notgedrungen Langstreckenflüge auf dem Rückweg nach Europa während Zusatzstopps in Durban oder in Windhuk in Namibia auftanken. Im Sommer war es vorübergehend in Budapest zu Engpässen gekommen. 

Die vorübergehenden Engpässe in Hamburg befeuern nun eine Debatte, wie kritische Infrastruktur in Deutschland gegen Störungen abzusichern ist. Aus Sicht des Flughafenverbands ADV zeigten die Schwierigkeiten in Hamburg die Anfälligkeit von Lieferketten. Zwar seien Flughäfen für einen sicheren Betrieb verantwortlich, aber nicht für Kerosinlieferungen. Der Vorfall sei ein Anlass, die Belastbarkeit vorgelagerter Infrastrukturen für die Versorgung der Flughäfen stärker in den Fokus zu rücken. Der Verband Barig, in dem Vertreter von Fluggesellschaften aus aller Welt, die Deutschland ansteuern, organisiert sind, will die Airports hingegen nicht aus der Verantwortung lassen. Flughafenbetreiber seien in der Pflicht, ihre Flughäfen gegen solche Störungen abzusichern. „Die akute Situation zeigt, dass der Flughafen Hamburg nicht von der Versorgung durch eine einzige Raffinerie abhängig sein sollte, sondern immer auch alternative Versorgungswege zur Verfügung stehen sollten“, erklärte der Verband.