Erst sollten die Bücher ins Lafayette an der Friedrichstraße. Das ist gescheitert. Nun soll der Bestand der Berliner Zentral- und Landesbibliothek an den Alex, ins Galeria-Kaufhof. Der Senat prüft ein Angebot des Eigentümers – ein ernsthaftes, wie es heißt. Von Boris Hermel und Kirsten Buchmann
Der Turm hinter dem Galeria-Kaufhof am Berliner Alexanderplatz schraubt sich täglich weiter in die Höhe, unten kündigt der Bauzaun an: „hier entsteht was Neues“. Wenn es nach dem Eigentümer Commerz Real geht, könnte es so aussehen: In den unteren Etagen bleibt ein abgespecktes Warenhaus, obendrüber zieht die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) ein, die bisher auf die sanierungsbedürftigen Standorte der Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg und die Stadtbibliothek in der Breiten Straße in Mitte aufgeteilt ist.
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Senat sieht „echte Perspektive“
Vor gut zwei Wochen hat der Senat darüber in großer Runde mit Commerz Real verhandelt. Dabei signalisierte der Konzern, dass er den Mietvertrag mit Galeria bis nächsten Sommer verlängern wird. Für Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey war das die Voraussetzung, sich der ZLB-Idee ernsthaft zu nähern. „Natürlich ist es vorstellbar, dort eine Mischnutzung zu haben, quasi Warenhaus und Bibliothek, sozusagen Wissen und Shopping zusammen“, sagt die SPD-Politikerin. Das seien Konzepte, die auch anderswo auf der Welt Erfolg hätten. „Das kann schon eine echte Perspektive haben, deshalb finden wir es inhaltlich gut“, sagt Giffey.
Auch Jonas Fansa, Generaldirektor der ZLB, ist begeistert von der Idee: „Der Alexanderplatz bietet sich dafür aus bibliotheksfachlicher und stadtentwicklerischer Sicht sehr gut an. Die Verhandlungen dazu liegen jetzt aber bei der Politik.“
Das kann schon eine echte Perspektive haben, deshalb finden wir es inhaltlich gut.
Dass Galeria-Kaufhof dafür mächtig schrumpfen müsste, ist für Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg nicht das Problem. Das Warenhaus von heute oder morgen brauche nicht mehr die ganze Fläche, die es bisher hatte. „Ein verkleinertes, aber immer noch ausreichend großes Warenhauskonzept dann zu kombinieren mit so einer tollen öffentlichen und hochfrequenten Nutzung, das ist eine gute Idee.“
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Giffey: Warenhaus muss groß genug bleiben
Franziska Giffey aber formuliert eine Bedingung für die Verhandlungen mit Commerz Real über den ZLB-Standort. Die Fläche fürs Warenhaus dürfe 14.000 bis 15.000 Quadratmeter nicht unterschreiten. „Man kann nur ein Konzept denken, wo man so eine Größenordnung fürs Warenhaus mindestens erhält, weil man sonst einfach zu wenig Produktvielfalt hat,“ so die Wirtschaftssenatorin.
In trockenen Tüchern aber ist der Deal noch lange nicht – denn die Commerz Real geht wohl von einem Preis von rund 600 Millionen Euro für die Immobilie am Alexanderplatz aus. Aufs Land kämen außerdem die Sanierungskosten für die Bestandsgebäude in Kreuzberg und in der Breiten Straße in Mitte zu. Eine Perspektive für beide Immobilien müsse laut Giffey Teil des Gesamtkonzeptes sein.
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Zur Finanzierung der Großinvestition kann sie sich vorstellen, Teile des Sondervermögens für Investitionen einzusetzen, das der Bund den Ländern in den nächsten zwölf Jahren zur Verfügung stellt – für Berlin sind das insgesamt 5,2 Milliarden Euro.
Für den Alexanderplatz jedenfalls wäre die ZLB eine echte Belebung, wirbt die Commerz Real für ihr Angebot. Genauso klar dürfte aber sein, dass auch der Konzern selbst von der Bibliothek als Ankermieter profitieren würde – nämlich bei der Vermarktung seiner 38.000 Quadratmeter Büroflächen im neuen Hochhaus hinter Galeria-Kaufhof.
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Grüne warnen vor „Mondpreis“
Auch für die oppositionellen Grünen hat die Idee einer ZLB am Alexanderplatz durchaus Charme. Eine solche Lösung würde die Zentral- und Landesbibliothek endlich von den „verheerenden“ baulichen Zuständen in ihren Bestandsgebäuden befreien.
Daniel Wesener, grüner Sprecher für Kulturfinanzierung, sieht das Land durchaus in einer guten Verhandlungsposition. „Vieles deutet darauf hin, dass die Commerz Real diese Immobilie loswerden will, weil sie nicht die Renditeerwartungen erfüllt, die sie in ihren Büchern stehen hat“, so der frühere Berliner Finanzsenator. „Das kann ein guter Deal für das Land Berlin sein. Was aber nicht geht, ist, dass die öffentliche Hand Mondpreise bezahlt, nur um die Renditeerwartungen eines Immobilienfonds zu erfüllen.“
Hinter den Kulissen geht der Millionen-Poker zwischen Senat und Commerz Real längst weiter. Bis zum Frühjahr soll eine Entscheidung stehen – wie sie ausfällt, ist offen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.09.2025, 19:30 Uhr