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18.09.2025
Jahrelang ging der Fleischkonsum in Deutschland zurück – bis die Branche im Vorjahr erstmals wieder ein leichtes Plus verzeichnete. Steckt hinter dieser Entwicklung der Proteinboom? Schließlich überfluten seit Jahren High-Protein-Produkte die Supermarktregale. Sie gelten als Fitnessbaustein und Lifestyle-Motor – und Fleisch ist traditionell eine der klassischen Quellen.
Viele Jahre lang zeigte die Kurve nach unten: weniger Fleisch, mehr Alternativen. 2024 jedoch registrierte die deutsche Agrarstatistik eine Kehrtwende – wenn auch eine kleine. Der Pro-Kopf-Verzehr stieg dem Bundesinformationszentrum für Landwirtschaft zufolge um rund 300 Gramm auf 53,2 Kilogramm. Vor allem Geflügel legte zu, während Schwein und Rind stagnieren oder verlieren.
Für die Branche ist dieser Ausschlag mehr als eine Randnotiz. Er kommt in einer Phase, in der das Wort „Protein“ als Verkaufsargument boomt. Hersteller von Fleischprodukten positionieren sich zunehmend als Anbieter von „natürlichem Eiweiß“, flankiert von Marketingkampagnen, die Fitness und Leistungsfähigkeit in den Vordergrund stellen. Gerade Geflügel profitiert von diesem Narrativ: Es gilt als mager, proteinreich und vergleichsweise günstig – ein Vorteil in Zeiten hoher Lebensmittelpreise.
Die großen Profiteure sind andererwo zu suchen
Gleichzeitig zeigt der Markt, dass der Proteinboom nicht automatisch in die Kassen der Fleischindustrie spielt. Die Produktion von pflanzlichen Fleischalternativen hat sich in Deutschland binnen fünf Jahren mehr als verdoppelt, Start-ups und große Marken konkurrieren um Marktanteile.
Handelsketten weiten ihr Sortiment an High-Protein-Produkten aus – nicht nur im Kühlregal für Wurst und Huhn, sondern ebenso bei Snacks, Molkereiprodukten oder pflanzlichen Alternativen. Für die Fleischwirtschaft bedeutet das: Sie bewegt sich in einem verschärften Wettbewerb um die Deutungshoheit beim Thema Eiweiß.
Strategisch betrachtet zeigt sich ein ambivalentes Bild: Der leichte Anstieg des Fleischkonsums kann als Signal dienen, dass der Proteinboom der Branche kurzfristig Rückenwind verleiht – insbesondere in Segmenten wie Geflügel. Doch langfristig bleibt der strukturelle Abwärtstrend intakt. Wenn Konsumentinnen und Konsumenten Protein nicht mehr exklusiv mit Fleisch verbinden, sondern auch mit Erbsen, Soja oder Molke, wird es für klassische Fleischproduzenten schwieriger, den Boom für sich zu monopolisieren.
Hartes Match um die Eiweiß-Kundschaft
Für die Industrie stellt sich daher weniger die Frage, ob der Proteinboom den Fleischkonsum dauerhaft ankurbelt. Entscheidend wird sein, ob die Unternehmen ihre Rolle im wachsenden Proteinmarkt behaupten – durch Innovation, Preisgestaltung und Glaubwürdigkeit. Denn die Nachfrage nach Eiweiß steigt, aber der Wettbewerb um seine Quellen ist härter denn je.