Karlsruhe (Baden-Württemberg) – Die Redensart „vom warmen Eis“ zu träumen bedeutet, dass man schier unmögliche Pläne verfolgt. Doch das ist jetzt Forschern erstmals gelungen: Deutsche Wissenschaftler haben ein künstliches Material erfunden, das den Bahnen und Spielfeldern in Eislauf-Hallen sogar überlegen ist. Es fährt sich darauf erstmals wie auf echtem Eis. Und: Die Flächen benötigen keine stromfressende Kühlung.

Eiskunstlauf bei Zimmertemperatur!

Gleiteigenschaft wie auf echten Eisflächen

„Das Material wird aus Granulat von veredeltem Polyethylen hergestellt, die Oberflächenschicht setzt der Kufe kaum Widerstand entgegen“, sagt Thomas Götz (61), Sprecher des Fraunhofer-Instituts, zu BILD.

Eishockeyspielerinnen testen das Material, das etwa 250 Euro pro Quadratmeter kostet, 10 Jahre lang halten soll und danach angeblich einfach umgedreht und weiterverwendet werden kann

Eishockeyspielerinnen testen das Material, das etwa 250 Euro pro Quadratmeter kostet, 10 Jahre lang halten soll und danach angeblich einfach umgedreht und weiterverwendet werden kann

Foto: Glice

Wissenschaftler im Labor in Karlsruhe (Baden-Württemberg) haben das warme Eis unter anderem auf Start-Stopp-Verhalten und auf Reibungswiderstand getestet. Götz: „Solche Versuche werden auch bei Kugellagern oder Windkraftanlagen gemacht. Wir haben jetzt eine Gleiteigenschaft erreicht, die der von Wassereis in nichts nachsteht.“

Eishockey trotz Klimawandel

Der erste Moment beim Schlittschuhlaufen sei besonders kritisch, heißt es in der Mitteilung der Forscher. Ein hoher Anfangswiderstand behindert den Start eines Eisläufers oder Eishockeyspielers.

Prof. Dr. Matthias Scherge vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) hat die künstlichen Eisplatten zusammen mit seinen 60 Forschern im Labor in Karlsruhe entwickelt

Prof. Dr. Matthias Scherge vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) hat die künstlichen Eisplatten zusammen mit seinen 60 Forschern im Labor in Karlsruhe entwickelt

Foto: Stock-Müller/Fraunhofer IWM

Die Ergebnisse im sogenannten Tribologie-Labor (dort werden Reibung und Verschleiß getestet) zeigten Reibungskoeffizienten von 0,035. Diese liege sogar leicht unter dem etwa eines zugefrorenen Sees.

Bald auch Wettbewerbe auf Kunsteis?

Bei einem Reibungskoeffizienten von 1 sei Gleiten unmöglich, erst unter 0,1 funktionieren Schlittschuhe, ab 0,05 verlaufe das Gleiten „reibungslos“.

Im Simulator bewegt sich eine Kufe über eine Probe aus dem neuen künstlichen Eis

Im Simulator bewegt sich eine Kufe über eine Probe aus dem neuen künstlichen Eis

Foto: Glice AG

Interessant sei das Material etwa für Eishallen, die aufgrund der hohen Energiekosten schließen müssten oder Weihnachtsmärkte, die durch den Klimawandel ihre Schlittschuhbahnen bei manchmal frühlingshaften Temperaturen nicht mehr betreiben können.

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„Wir sind auch schon im Gespräch mit Eishockeyvereinen, die sich vorstellen können, auf dem Material sogar Wettbewerbe auszutragen“, sagt Viktor Meier (46), Chef des Schweizer Unternehmens „Glice“, das zusammen mit den Fraunhofer-Wissenschaftlern an dem Material geforscht hat. „Wir haben jetzt so viele Bestellungen, dass wir gar nicht hinterherkommen.“