Wer zu spät kommt, den bestraft Heidi Klum. Kaum hat man anders als rund hundert Pressekollegen (selbst die New York Times ist angeblich vertreten) die Anmeldefrist für das Pre-Wiesn-Fest des Jahres um ein paar Hundertstelsekunden verbummelt, sitzt man auch schon vor der Glotze. Und nicht bei allerfeinstem Spätsommerwetter mit einem 12,5-Millionen-Follower-Superstar im wunderbar lauschigen Innenhof des Hofbräuhauses. Gut, dass Pro7 mehr als drei Stunden Sendezeit freiräumt, um dem Rest der Welt die Bilder vom wahrscheinlich schon bei der Premiere legendären „HeidiFest“ in die gute Stube zu schicken.

Am Dienstagabend hatte Klum im blauen Dirndl die BR-Abendschau gecrasht, den verdutzten Moderator überrumpelt und an ihrer Löwenmähne herumfummelnd gesagt: „Guck mal, wie schön wir aussehen.“ Dann jodelt sie, erzählt, dass sie keinen Kaffee mehr trinkt („Geht mir voll auf die Pumpe“), zehn Masskrüge schleppen kann und bei ihrem ersten Wiesn-Besuch am Samstag sechs Mass zischen will. So kennen wir sie: immer ein bissl drüber, aber always gudd druff, wie sie in L.A. wohl sagen.

Am Nachmittag vor dem „HeidiFest“ geht’s im TV mit einer Stunde Pre-Show zur Pre-Wiesn-Sendung los. Heidi, jetzt im roten Dirndl und Blümchen im Haar, Herz-Kettchen um den Hals und ein zweites mit „Tom“, fährt in der Brauereikutsche vor, die Kaulitz-Boys kommen separat, Tochter Leni ist natürlich auch dabei. Heidi sagt: „Ich bin ja verliebt, dann kann man rot tragen. Hans und Franz mögen auch Dirndl.“ Hans und Franz sind übrigens – für Nicht-Bunte-Leser – die Namen ihrer Brüste. Am Abend zuvor war sie noch im Stadion: „Mein Mann liebt Bayern München über alles. Aber spät war’s schon.“ Und sonst so? Ach ja, sie liebe nicht nur das Hofbräuhaus, sondern auch das Essen da, „deftige Schweinshaxe, Klöße, Sauerkraut und all das“. Und dann haut sie noch den ersten Merksatz aus dem Regal mit den Lebensweisheiten raus: „Das Wichtigste ist Spaß zu haben mit Freunden.“ Dann mal los!

Als es zur Primetime mitten rein in die organisierte Schunkel-Fröhlichkeit der Schwemme geht, wird die Gastgeberin erst mal von einem Profi-Tänzer ordentlich durch die Luft gewirbelt, bevor Marianne und Michael den naheliegenden Gassenhauer „In München steht ein Hofbräuhaus“ zum Besten geben. „Hallo und herzlich willkommen“, quiekt Klum, um gleich zur Sache zu kommen: „Wir machen jetzt mal ‚nen Anstich, dass wir alle ein Bier trinken können.“ Ein Schlag, viel spritzendes Bier, noch ein paar Schläge, und schon meldet sie: „O‘zpaft is! Seht ihr, wie gut ich das kann? Oans, zwoa, gsuffa. Oh, ich hab‘ nur Schaum.“ Kaum hat sie einen Schluck genommen, folgt schon der nächste Knaller: „Ein bisschen Spaß muss sein“, von Roberto Blanco. Der hat vorher erzählt, dass er jetzt auf Mallorca daheim ist, mit 88 ein neues Album herausgebracht hat und keinen Grund sieht aufzuhören, warum auch?

Im Hofbräuhaus sind wir längst schon beim nächsten Hit: „Live is life!“ – Himmel, wo soll das bloß enden? Nach Ross Anthony und Lucas Cordalis dann ein echter Wiesn-Hit: Lou Bega mit „Mambo No. 5“ – Sänger und Song gut gealtert, Respekt. Während in der Schwemme längst alle auf den Tischen tanzen, ist der TV-Glotzer schon ganz weich in der Birne und direkt dankbar für die erste Werbepause. Anstrengend, so viel geballte gute Laune aus der Ferne.

Schuhplattler statt Background-Sänger, herrlich

Fast logisch, dass es mit einer Polonaise weitergeht – die hat ja noch gefehlt. Nicht gerechnet hat man allerdings mit „The Weather Girls“, offenbar die Einzigen, die bei ihrem nicht totzukriegenden Klassiker „It’s raining men“ ohne Playback auskommen wollten. Sagenhafte Idee dazu: Schuhplattler statt Background-Sänger, herrlich. Dann ist Heidi plötzlich in einem Bett, im Kornfeld. Mit wem? Kann ja nur Jürgen Drews sein, auch schon 80, der Gute. Beinahe folgerichtig erklingt weniger später „Cheri Cheri Lady“, immerhin nur von Thomas Anders, ohne Dieter Bohlen.

„The Weather Girls“ posieren vor der Sendung für die Kamera.„The Weather Girls“ posieren vor der Sendung für die Kamera. (Foto: Hannes Magerstaedt/Getty Images)Trotz kürzlich verkündeter Trennung offenbar immer noch ein dolles Duo: die  Wildecker Herzbuben.Trotz kürzlich verkündeter Trennung offenbar immer noch ein dolles Duo: die  Wildecker Herzbuben. (Foto: Hannes Magerstaedt/Getty Images)

Wer fehlt noch? Haddaway, die Wildecker Herzbuben und die Münchner Freiheit jedenfalls nicht. Ah ja, Peter Kraus. „Rote Lippen soll man küssen“ bekommt der auch mit 86 noch hin, so wie Michael Holm mit 82 „Tränen lügen nicht“ und Howard Carpendale mit 79 „Ti amo“. Ein harter Schnitt ist der Auftritt einer Handvoll Dragqueens, deren Outfit nun wirklich nicht mit weniger als 47 Zeilen zu beschreiben wäre. Doch leider muss auch hier gespart werden, und so ist es nach zwei Stunden Trash vom Feinsten und Hits von vorvorgestern irgendwann geschafft. Heidi hat’s dagegen noch vor sich: Bevor sie am Sonntag zur 21. Staffel von Germany’s Next Topmodel nach Berlin fliegt, geht sie am Samstag erstmals aufs Oktoberfest. Dahin, wo wirklich Wiesn-Stimmung ist