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Das Arbeitszeitgesetz steht vor dem Umbruch: Union und SPD wollen die 40-Stunden-Woche beenden. Die Resonanz ist gemischt. Forscher erheben neue Einsprüche.
München – Die Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) plant, das aktuelle Arbeitszeitgesetz zu überarbeiten. Bereits im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf verständigt, eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit zu ermöglichen. Welche Auswirkungen könnte eine solche Novelle des Arbeitszeitgesetzes auf die Beschäftigten haben?
Die Regierung um Kanzler-Merz plant, die Höchstarbeitszeiten anzuheben. © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka und picture alliance/dpa | Marcus Brandt Die Regierung plant mit der Reform des Arbeitszeitgesetzes – diese Neuerung könnte es bringen
Mit der Überarbeitung des Arbeitszeitgesetzes möchte die Bundesregierung den Beschäftigten mehr Flexibilität bieten. Zudem sollen wirtschaftliche Impulse gesetzt und das Arbeitsvolumen trotz des demografischen Wandels erhalten bleiben. Die bisherige Regelung, die ein maximales Arbeitspensum von 40 Stunden pro Woche mit acht bis zehn Stunden täglich vorsieht, könnte bald der Vergangenheit angehören.
Regierungsvertreterinnen und -vertreter schlagen vor, die wöchentliche Obergrenze auf 48 Stunden anzuheben, wie zuletzt unter anderem n-tv und der Staatsanzeiger berichteten. Laut dem Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung würde dies Arbeitstage von bis zu 12 Stunden und 15 Minuten ermöglichen, was die derzeitige Höchstgrenze von 10 Stunden deutlich überschreiten würde.
Minister unter Merz: Komplette Liste des Kabinetts – von Klingbeil bis zu „neuen Gesichtern“Fotostrecke ansehenUnion und SPD hoffen, mehr Flexibilität bei Arbeitszeiten fördert die Beschäftigung
Der Regierung schwebt vor, dass Beschäftigte, die an einem Tag länger arbeiten, den Überschuss gegebenenfalls an anderen Tagen durch kürzere Arbeitszeiten ausgleichen können. Dadurch bliebe an jenen anderen Tagen mehr Zeit für Familie und private Angelegenheiten.
Unions- und SPD-Politikerinnen und -Politiker sehen in der Reform des Arbeitszeitgesetzes auch eine Chance, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Sie hoffen, dass durch flexiblere Arbeitszeiten mehr Menschen, darunter Eltern, pflegende Angehörige oder ältere Beschäftigte, wieder in den Arbeitsmarkt eintreten. Auch Unternehmen sollen von den gelockerten Arbeitszeitregelungen profitieren, indem sie flexibler auf Auftragsspitzen reagieren und ihre Mitarbeitenden bedarfsgerechter einsetzen können.
Neue HSI-Analyse bringt neue Kritik an den Plänen zur Arbeitszeit-Reform hervor
Die Reaktionen auf die Pläne der schwarz-roten Regierungskoalition zur Überarbeitung des Arbeitszeitgesetzes sind jedoch gemischt. Der Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw) befürwortet die Anpassung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Vertreterinnen und Vertreter des vbw argumentieren gegen den häufig geäußerten Einwand, dass Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden täglich gesundheitsschädlich seien. Sie behaupten, dass längere Arbeitstage durch kürzere an anderen Tagen ausgeglichen werden könnten.
Dem widersprechen die Vertreterinnen und Vertreter des HSI jedoch entschieden. Arbeitsmedizinische Erkenntnisse zeigen, dass Arbeitstage von mehr als acht Stunden die Gesundheit gefährden. Langfristig führen solche Arbeitszeiten häufiger zu stressbedingten Erkrankungen, einschließlich psychischer Erkrankungen, Burnout und Erschöpfungszuständen. Auch das Risiko für körperliche Erkrankungen wie Schlaganfälle, Diabetes und Krebs steigt bei Arbeitstagen, die acht Stunden überschreiten.
Dr. Amélie Sutterer-Kipping und Dr. Laurens Brandt vom HSI argumentieren, dass die von der Bundesregierung angestrebten Ziele durch deregulierte Arbeitszeiten nicht erreicht werden können. Neben den gesundheitlichen Risiken längerer Arbeitszeiten dürfte sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht wesentlich verbessern. Im Gegenteil: „Die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeiten stellen wichtige Schlüsselfaktoren für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar“, betonen die HSI-Forschenden. Quellen: Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI), Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw), n-tv, Staatsanzeiger (fh)