Könnten sich Nahrungsergänzungsmittel mit Curcumin schädlich auf den Nachwuchs auswirken? Studien an Drosphila melanogaster legen diese Vermutung nahe. Bild: Dirk (Beeki®) Schumacher/Pixabay
Lisa Seyde 19.09.2025 – 06:08 Uhr 5 min
Kurkuma kennt man entweder als eigenständiges Küchengewürz mit satter gelber Farbe, oder als Bestandteil von Currypulver. Sein Hauptinhaltsstoff, das Curcumin, wird zunehmend auch für Nahrungsergänzungsmittel angepriesen – als entzündungshemmend, antioxidativ und gesundheitsfördernd. Entsprechende Präparate werden als Allheilmittel für mehr Wohlbefinden beworben.
Curcumin stammt aus den Wurzeln der Gelbwurzgewächse der Gattung Curcuma. Es wird seit circa 5000 Jahren für Speisen und zur Behandlung von Krankheiten verwendet, vor allem in Indien, China und Südostasien.
Doch eine neue Untersuchung der Justus-Liebig-Universität Gießen zeigt, dass die Wirkung des Stoffes komplexer und problematischer sein könnte, als bisher angenommen. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Anika Wagner hat in einem Modellversuch mit Fruchtfliegen Hinweise auf mögliche Risiken für die nachfolgende Generation gefunden.
Curcumin beeinflusst neben den Stoffwechselprozessen auch die sogenannte Epigenetik. Dabei handelt es sich um chemische Veränderungen der DNA oder ihrer Hüllproteine, der Histone. Solche Veränderungen betreffen nicht die genetische Information selbst, sie steuern jedoch, ob bestimmte Gene aktiviert oder abgeschaltet werden.
Die epigenetischen Signale können an Nachkommen weitergegeben werden.
Um die Wirkung von Curcumin genauer zu untersuchen, nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die ein bewährtes Modellobjekt in der Biomedizin ist: Ihre Gene ähneln zu rund 75 Prozent denen des Menschen, gleichzeitig sind Zucht und Beobachtung einfach und kostengünstig.
Curcumin wird gelöst, um es im Fütterungsexperiment einzusetzen. Bild: Jessica Reuther
Die Versuchstiere erhielten unterschiedlich dosiertes Curcuminfutter. Die Ergebnisse waren eindeutig: Bei den behandelten Fliegen verbesserte sich sowohl die Lebenserwartung als auch die körperliche Leistungsfähigkeit. Die Tiere zeigten eine gesteigerte Kletteraktivität und lebten länger als unbehandelte Kontrollgruppen.
Unerwartete Effekte bei den Nachkommen
Anders sah es bei den Nachkommen aus, die kein Curcumin erhielten. Hier zeigte sich ein gegenteiliger Trend: Die Kinder der mit Curcumin gefütterten Mütter hatten eine deutlich kürzere Lebensspanne. Wurden die Väter behandelt, betraf die reduzierte Lebensdauer vor allem die weiblichen Nachkommen.
Die Forschenden stellten geschlechtsspezifische Unterschiede in den molekularen Mechanismen fest.
Curcumin veränderte in den Elterntieren bestimmte epigenetische Enzyme, sogenannte Histon-Acetyltransferasen (HATs) und Histon-Deacetylasen (HDACs). Auch bei den Nachkommen ließen sich veränderte Muster beobachten – jedoch verbunden mit negativen Folgen für Gesundheit und Langlebigkeit.
Übertragbar auf den Menschen?
Die Ergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen. Dennoch machen sie deutlich, dass der beliebte Pflanzenstoff möglicherweise unterschätzte Risiken mit sich bringt. Bedenkenswert ist auch, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Curcumin häufig in höheren Dosierungen eingenommen werden, als es über die normale Ernährung möglich wäre.
Derzeit existieren kaum systematische Studien, die potenziell negative Wirkungen von Curcumin oder anderen bioaktiven Substanzen auf die nächste Generation untersuchen.
Prof. Dr. Anika Wagner vom Institut für Ernährungswissenschaft der JLU ergänzt: „Dies unterstreicht, dass weitere Studien dringend notwendig sind, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen und mögliche schädliche Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären.“
Aufruf zur Vorsicht
Die Forschungsergebnisse fügen sich in die wachsende Debatte über die Sicherheit von Supplements. Auch wenn viele pflanzliche Inhaltsstoffe mit positiven Effekten beworben werden, fehlen häufig Langzeitstudien, besonders zu transgenerationalen Auswirkungen.
Die Gießener Studie beweist, dass selbst natürliche Substanzen nicht automatisch unbedenklich sind. Sie liefert zugleich eine Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, die klären sollen, inwieweit auch Säugetiere oder Menschen betroffen sein könnten.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher bleibt vorerst nur, vorsichtig zu sein. Bis gesicherte Erkenntnisse vorliegen, sollten Curcuminpräparate kritisch hinterfragt werden, vor allem, wenn sie in hohen Dosen angeboten oder beworben werden.
Quellenhinweis:
Hof-Michel, S., Hernandez, B. O. F., Vilcinskas, A., & Wagner, A. E. (2025): Curcumin Induces Transgenerational and Sex-Specific Effects on Lifespan, Gene Expression, and Metabolism in the Fruit Fly Drosophila melanogaster. BioFactors, 51, 4, e70039.