Stand: 19.09.2025 06:54 Uhr

Der mit einer Million Euro dotierte Körber-Preis geht in diesem Jahr an die Physikerin und Informatikerin Stephanie Wehner. Sie arbeitet an einem Quanteninternet – einem ultraschnellen und abhörsicheren Netz.

Der diesjährige Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft geht an die deutsche Physikerin und Informatikerin Stephanie Wehner. Wehner, 1977 geboren, ist Professorin für Quanteninformation an der TU Delft in den Niederlanden und Mitglied der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften.

Sie hat zur Quantenkryptografie geforscht und leitet die von ihr mitgegründete Europäische Quanteninternet-Allianz. Sie arbeitet daran, mit Quantentechnik ein Internet aufzubauen, das Anwender in Rekordzeit und abhörsicher verbinden kann.

Quantencomputer arbeiten mit Quantenbits

Ein klassischer Computer arbeitet mit den Zahlen 0 und 1, den Bits. Ein Quantenbit, auch Qubit genannt, könne hingegen den Wert 0 oder 1 oder beide gleichzeitig und alles dazwischen annehmen, erklärt Wehner. Qubits haben noch weitere eigenartige Eigenschaften: Sie können sich verschränken. Das bedeutet, wenn man den Zustand eines Qubits misst, kann man den Zustand eines anderen Qubits bestimmen. Selbst dann, wenn diese weit voneinander entfernt sind.

Zudem verändert sich der Zustand eines Qubits durch die Messung. Das bedeutet beispielsweise, wenn eine Kommunikation zwischen zwei Menschen mittels Qubits übertragen und abgehört wird, verändert sich der Zustand der Qubits. Damit wird beiden klar, dass sie abgehört werden.

Abhörsichere Quantenkommunikation über kurze Distanzen

In einem Quantennetzwerk, erläutert Stephanie Wehner, die früher als Hackerin Sicherheitslücken aufgedeckt hat, werde eben „keine klassische Information von A nach B geschickt, sondern Quanteninformation. Wie in einem herkömmlichen Netzwerk auch gibt es Geräte, die man genau so verbindet, wie ein Handy oder einen Computer“. Solche abhörsicheren, einfachen Qubit-Rechner sind inzwischen sogar kommerziell erhältlich, sagt Wehner, allerdings gelingt die Quantenkommunikation damit bislang nur über Distanzen um die 100 Kilometer.

Körber-Preisträgerin Wehner will ein Quanteninternet schaffen, in dem solche Quantengeräte über weite Distanzen miteinander verbunden werden können. Bis 2030 sollen 500 Kilometer, in zehn Jahren 1.000 Kilometer möglich sein. So können Geräte, die nur ein Qubit haben, sicher und schnell kommunizieren und entfernte Dinge schnell und exakt steuern: „Man könnte es zum Beispiel möglich machen, Teleskope miteinander zu verbinden, um ein besseres Bild vom Himmel zu bekommen.“

Quanteninternet ermöglicht perfekten Kopier- und Datenschutz

Ein Quanteninternet hätte noch weitere, interessante Eigenschaften: Beispielsweise können Informationen nicht kopiert werden, eben weil sich die Qubits bei einem Kopiervorgang bereits verändern. Und weil Qubits auch über Distanzen miteinander verschränkt sein können, werden Veränderungen an einem Qubit auch an einem weit entfernten angezeigt: „Man kann so auf einem Quantennetzwerk beweisen, dass Informationen gelöscht wurden.“ Sensible, persönliche Daten könnten dadurch wirklich geschützt werden.

Komplexere Quantencomputer arbeiten mit mehreren Qubits. Schon jetzt, so Andreas Reiserer von der TU München, gebe es welche mit 1.000 Qubits. Mit der Zahl der Qubits steigt die Rechenleistung exponentiell an. Noch können solche Quantenrechner nicht gut kontrolliert werden. Aber theoretisch ist ihre Rechenleistung so hoch, dass sie Berechnungen in wenigen Minuten durchführen, für die herkömmliche Rechner Jahrhunderte bräuchten.

Quantenbits sind fragil

Das Problem: Qubits könnten leicht gestört werden, veränderten ihren Zustand, es komme zu Fehlern, sagt Reiserer: „Die große Schwierigkeit ist, dass man, damit so ein System nicht seine Quanteneigenschaften verliert, es komplett isolieren muss von der Umgebung, dass man aber gleichzeitig noch selbst Zugriff hat auf diese Quanteneigenschaften.“

Störungen treten auch beim Transport von Qubits in einem Quanteninternet auf. Die Idee ist, so Stephanie Wehner, Qubits als Lichtteilchen, also als Photonen, über Glasfaser zu transportieren. Letztlich dieselben Glasfaser, über die auch das jetzige Internet läuft. Aber diese Leiter absorbieren Photonen. Etwa alle 100 Kilometer muss man sie daher verstärken, erklärt Andreas Reiserer. Mit herkömmlichen digitalen Bits ist das kein Problem, mit Qubits schon. Sie würden gestört.

Reiserer entwickelt zur Zeit einen technisch aufwendigen Quantenrepeater: „In naher Zukunft wollen wir das in die Praxis führen und wirklich auch zeigen damit, dass man dort alltagstaugliche Geräte bauen kann, die dann zum Beispiel in Serverräumen von Telekommunikationsanbietern integriert werden können.“

Ziel: Internet aus vernetzten Quantencomputern

Das ferne Ziel: Mittels solcher Repeater ein Internet aufbauen, das Quantencomputer zu einem Super-Quantencomputer vernetzen kann. Damit, so Reiserer, wären Rechenoperationen möglich, deren Anwendung man sich heute noch gar nicht vorstellen kann. So, wie man sich auch vor gut 40 Jahren noch nicht vorstellen konnte, was heute mit dem Internet möglich ist.

Stephanie Wehner will zunächst ein Quantennetz entwickeln, das einfachere Quantengeräte verbindet. Sie hat dazu auch schon ein Betriebssystem entwickelt. Damit sollen Quantenprogramme auf verschiedenen Geräten ausgeführt werden und diese miteinander vernetzt werden können, „ohne dass man Experimentalphysiker ist“, wie Stephanie Wehner betont. Mit dem Preisgeld des Körber-Preises – eine Million Euro – will sie weitere Anwendungen entwickeln, die in einem Quantennetz arbeiten können.

Preisverleihung in Hamburg

Der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft, verliehen von der gleichnamigen Stiftung, zeichnet seit 1985 jedes Jahr einen, laut eigener Auskunft, „Forschungsdurchbruch in den Physical oder den Life Sciences in Europa“ aus.

Die jetzige Ehrung fällt in das von den Vereinten Nationen ausgerufene Jahr der Quantenforschung, anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Quantenmechanik. Heute wird Stephanie Wehner der Körber-Preis im Hamburger Rathaus verliehen