Es ist nicht bekannt, ob der Busfahrer des 1. FC Nürnberg im Ernstfall in der Lage wäre, eine Flanke zu verwerten und den Ball mit einem sauberen Kopfstoß im gegnerischen Tor unterzubringen. Man weiß auch nicht, ob ein Mitarbeiter der Pressestelle einen Stürmer des VfL Bochum abgrätschen könnte, wenn es denn darauf ankäme. Und es ist ebenso wenig überliefert, ob der Zeugwart die Bälle nur aufpumpen oder ob er mit ihnen auch jonglieren kann. Es ist aber ohnehin eher nicht davon auszugehen, dass Nürnbergs Trainer Miroslav Klose den Busfahrer, einen Mitarbeiter der Pressestelle oder den Zeugwart in seine Startelf berufen wird, wenn es der Club an diesem Samstag mit Bochum zu tun bekommt.
Bei der Pressekonferenz vor dem Spiel betonte Klose zwar, es gehe „nur darum, wer in dieser Situation liefern kann und vom Kopf her gewappnet ist“. Bei der Frage, wem bloß ein Platz auf der Bank bleibe, treffe es deshalb „vielleicht mal einen, der eigentlich ein bisschen besser ist als der andere“. Aber so weit, dass der Busfahrer den Vorzug vor Mohamed Ali Zoma erhält und der Zeugwart Finn Ole Becker ersetzt, so weit dürfte es Miroslav Klose dann doch eher nicht treiben. Nürnbergs Trainer weiß ja, wie viel gerade auf dem Spiel steht.
Im DFB-Pokal hat seine Mannschaft nicht einmal die Hürde FV Illertissen genommen, und nach den ersten fünf Spielen in der zweiten Fußball-Bundesliga steht der Club mit nur einem einzigen Punkt da. Es sind also schon wieder höchst angespannte, ja prekäre Zeiten in Nürnberg. In Anbetracht der miserablen Ergebnisse ist es allerdings erstaunlich ruhig in einem Umfeld, dem oft nachgesagt wird, schwierig zu sein und unrealistische Erwartungen zu hegen. Ein einziger Sieg, heißt es, genüge schon, um Träume von der Bundesliga in die weite Welt hinauszutrompeten. Bei einer Niederlage werde infrage gestellt, ob es überhaupt noch Sinn ergebe, am Spielbetrieb teilzunehmen – und der Weg zwischen Himmel und Hölle sei oft kaum länger als der vom Trainingsgelände zum Max-Morlock-Stadion. Dieser Tage aber ist nichts von alledem auszumachen – auch und gerade nicht in Bezug auf Klose.
„Es scheint so, dass es die Mundpropaganda ist, dass wir viele Dinge gut machen“, sagt Nürnbergs Trainer, „es freut mich ungemein, dass wir so eine Stimmung haben.“ Tatsächlich scheint das Umfeld registriert zu haben, dass es gute Gründe für den vollkommen verkorksten Saisonstart gibt – und diese in erster Linie nicht in Kloses Ressort fallen.
Klose bekommt die Probleme beim Verteidigen von Standards nicht in den Griff
Zwar muss dem Coach zur Last gelegt werden, dass er wiederkehrende Probleme wie die Verteidigung gegnerischer Standards und Flanken einfach nicht in den Griff bekommt. Und auch der Umgang mit Robin Knoche, den er erst im Kapitänsamt bestätigt und dann auf die Bank gesetzt hat, ist fragwürdig – doch der Kern allen Übels ist eher in den Büros der Geschäftsstelle als auf dem Trainingsplatz zu verorten.
Wenn Sportvorstand Joti Chatzialexiou noch länger gebraucht hätte, um den Kader fertigzustellen, wäre Klose irgendwann vielleicht doch in Versuchung gekommen, Busfahrer oder Zeugwart aufzubieten. Jetzt aber nimmt er es, wie es ist. Und kämpft. Und tut und macht. Auf die Frage, ob es einen Punkt gebe, an dem er einen Rücktritt in Betracht ziehe, sagt Klose: „Das sind Sachen, mit denen ich mich nicht beschäftige. Ich bin schon in meiner Karriere durch viele Tiefen durchgegangen und habe immer irgendwo Reserven rausgeholt. Und das ist jetzt auch als Trainer so.“
Klose verschreibt sich also mit allem, was er hat, der Aufgabe, die er gerade bewältigen muss. Und dafür, auch das war eine Botschaft der Pressekonferenz, hat er sich Scheuklappen angelegt. Nürnbergs Coach blendet alles aus, was um ihn herum geschieht. Dabei ist es gar nicht so schlimm. Da ist kein Sturm der Entrüstung, der ihm entgegenschlägt – und es hat auch noch niemand geäußert, dass sogar der Busfahrer, ein Mitarbeiter der Pressestelle oder der Zeugwart auf dem Trainerstuhl besser aufgehoben wären als er: Miroslav Klose.