Stand: 19.09.2025 17:11 Uhr

Die Olympionikin Rebecca Langrehr war hierzulande eine der besten Modernen Fünfkämpferinnen. Dann versank ihr Verband im Chaos und sie verlor ihre sportliche Perspektive. Bis die USA ihr ein verlockendes Angebot machten. Von Jakob Lobach

Es wird ein Aufbruch in ein Abenteuer der anderen, der neuen Art, wenn Rebecca Langrehr kommende Woche Donnerstag ins Flugzeug gen USA steigt. Der Bundestaat North Carolina an der Ostküste des Landes wird das Ziel der modernen Fünfkämpferin aus Berlin sein – genauer gesagt die Stadt Charlotte.

Annika Zillekens GER - moderner Fünfkampfim Finale bei den Olympischen Spielen am 11.08.2024 in Paris. (Quelle: Imago Images/Baptiste Autissier)

Eine Olympische Sportart zerstört sich selbst

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Neustart nach dem Verbandschaos

Zugegeben: Aufs erste Hören dürften die meisten Menschen erst einmal wenig mit Charlotte verbinden. Sportlich vielleicht noch die Basketballer der Hornets aus der NBA oder den 165.000 Sitzplätze großen Motorspeedway. Aber dass es in Charlotte auch beste Bedingungen für Modernen Fünfkampf gibt, dürften die wenigsten wissen.
 
Unter besagten Bedingungen wagt die leidgeplagte Rebecca Langrehr nun einen dringend nötigen sportlichen Neustart – und will dabei irgendwann auch für die USA bei Wettkämpfen antreten.
 
Um diese Hoffnung und Langrehrs Schritt in die USA im Allgemeinen zu verstehen, braucht es ein Verständnis des Chaos, das zuletzt im deutschen Modernen Fünfkampf herrschte und noch immer herrscht. In aller Kürze: Der Deutsche Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF) wählte Ende 2024 einen neuen Präsidenten. Einziges Problem war, dass die Wahl mit 30:30-Stimmen in einer Pattsituation endete. Zwei verfeindete Präsidenten beanspruchten mitsamt ihren Lagern die Führung und Verwaltung des Verbandes und dessen Apparates für sich.
 
Die deutschen Athleten konnten nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen, weil es fortan zwei Kaderlisten gab, aber keine verbindliche. Deshalb stellte auch die Sporthilfe ihre Förderungen der Athleten ein.
 
„Die ganze Querelen haben uns daran gehindert, richtig zu trainieren, und haben die Gruppen noch tiefer gespalten“, sagt Rebecca Langrehr. „Wir haben den Spaß am Sport verloren.“ Das „Wir“ beinhaltet zahlreiche Deutsche Fünfkämpfer, unter denen das Schicksal von Langrehr allerdings noch einmal heraussticht.

„Systematisch aussortiert und unter Druck gesetzt“

„Die Geschichte fängt schon vor den Olympischen Spielen an“, sagt die Berlinerin, die vergangenes Jahr in Paris Teil des deutschen Teams war. Der DVMF habe damals avisiert, auch seine Spitzenathletinnen in eine große Trainingsgruppe unter der Führung des Männer-Bundestrainers Andrii Iefremenko zu bündeln. Dass verschiedene Sportler und auch Verbandstrainer diesem zuletzt Machtmissbrauch verschiedener Art vorwarfen, ist Teil des Verbandschaos.

Rebecca Langrehr und patrick Dogue beim Verbandstag der Modernen Fünfkämpfer | Bild: picture alliance/dpa/Albert

Für Langrehr war es Teil ihrer Entscheidung, sich nicht der Trainingsgruppe des Trainers anzuschließen. „Ich wollte gerne bei meiner Heimtrainerin weiter trainieren“, sagt sie, „und das ist damals schon nicht gut angekommen.“ Zusätzlich war Langrehr in den vergangenen Monaten als Athletensprecherin zusammen mit Patrick Douge eine unangenehme, weil ehrlich-kritische Stimme im Verbandsohr. Auch deshalb sei sie nach den Olympischen Spielen sukzessive „systematisch aussortiert und unter Druck gesetzt“ worden, sagt sie.

Ein gutes Angebot aus den USA

Das Ergebnis ist, dass eine der besten Fünfkämpferinnen Deutschlands – wie auch Dogue – keine echte Perspektive mehr in Deutschland hatte. Langrehr flog sogar aus der Sportförderung der Bundeswehr. Eine im negativsten Sinne bemerkenswerte Entwicklung, die auch den Leichtathletikverbänden in den USA nicht verborgen geblieben ist. „Die USA sind auf meine Trainerin zugekommen und haben mir ein Angebot gemacht „, erzählt Langrehr und ergänzt: „Ich fühle mich sehr wertgeschätzt, fühle mich gewollt und gewünscht.“
 
Zumal das Angebot aus den USA es nicht nur exzellente Trainingsbedingungen beinhaltet, sondern auch die Aussicht, irgendwann unter US-amerikanischer Flagge bei Wettkämpfen anzutreten. „Der Plan ist, über mein Visum irgendwann auch die Staatsbürgerschaft zu bekommen“, sagt Langrehr. Weil sie allerdings keinerlei Vorfahren in den USA hat, könnte dies einige Geduld brauchen.

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Der Verband berappelt sich langsam wieder

Viel Geduld brauchten zuletzt auch die Vertreter der beiden zerstrittenen Verbandslager. Vor rund zwei Wochen trafen die sich unter dem Druck der drohenden Abwicklung des gesamten Deutschen Verbands für Modernen Fünfkampf zu den konstruktiven Gesprächen seit Langem. In einer mehr als sieben Stunden langen Sitzung einigten sie sich auf eine Doppelspitze mit zwei Vizepräsidenten. Dass ausgerechnet Rebecca Langrehrs Vater Jan einer dieser Vizepräsidenten ist, passt auf ironische Art und Weise ins Chaos der vergangenen Fünfkampf-Monate.
 
An den Auswanderungsplänen von Rebecca Langrehr ändert dies allerdings nicht. Zu tief seien die Spuren, die der vielschichtige Stress der vergangenen Monate hinterlassen habe. „Ich habe 14 Jahre fast jeden Tag hier trainiert und fast mein ganzes Leben hier verbracht“, sagt Langrehr über den Stützpunkt in Potsdam, „aber ich habe das letzte Jahr über so gelitten, dass ich zum Teil gar nicht mehr hierherkommen wollte.“
 
Deswegen bleibe es bei ihrem Wunsch einer Veränderung. Ein Wunsch, den Langrehr sich kommende Woche mit ihrem Abflug in Richtung North Carolina erfüllt.

Sendung: rbb DER TAG, 24.09.2025, 18:30 Uhr

Rundfunk Berlin-Brandenburg