Berlin – Seit ihrer Kindheit litt Silvia T. (48) unter starken Schmerzen im linken Arm. Kein Arzt konnte ihr helfen. Erst während einer Schmerztherapie in der Klinik besserten sich ihre Beschwerden. Doch mit der Krankenhausreform steht die stationäre Behandlung von bundesweit rund 4,8 Millionen betroffenen Patienten vor unsicherer Zukunft.

Wie einen Stromstoß beschreibt Silvia T. ihre Schmerzen. Fünf- bis sechsmal am Tag, jeweils für etwa zehn Minuten. „Wenn ich einen Schub hatte, habe ich mir eine Ecke gesucht, bis er vorbei war“, so Silvia T. Die Sachbearbeiterin war zuletzt krankgeschrieben und zog sich sozial zurück.

Im Franziskus-Krankenhaus in Tiergarten wird sie von dreißig Spezialisten, darunter Neurologen, Orthopäden, Anästhesisten, Psycho- und speziellen Physiotherapeuten untersucht und therapiert. „Wir versuchen, den Schmerz zu verstehen“, sagt Dr. Michael Schenk (63), Chefarzt der Abteilung Integrative Schmerztherapie.

Bei einer interdisziplinären Visite besprechen unter anderem Dr. Michael Schenk, Psychotherapeut Nikolaus Twickel, Schwester Gudrun Thieme und Schmerz-Physiotherapeutin Jutta Geidel (v.l.n.r.) mit Patientin Silvia T. (mi.) ihren Fall

Bei einer interdisziplinären Visite besprechen unter anderem Dr. Michael Schenk, Psychotherapeut Nikolaus Twickel, Schwester Gudrun Thieme und Schmerz-Physiotherapeutin Jutta Geidel (v.l.n.r.) mit Patientin Silvia T. (mi.) ihren Fall

Foto: VOLKMAR OTTO

Auf seiner Station (24 Betten) warten verzweifelte Patienten auf Linderung ihrer chronischen Schmerzen: Migräne, Rücken-, Gelenk- und Hüftschmerzen, Nerven- und Muskel- sowie Schmerzen nach Unfällen. 70 Prozent leiden zudem an Depressionen.

Körperliche und seelische Ursachen werden von Schenk und seinem Team aufgespürt. „Der klassische Schmerzpatient ist meist nicht richtig diagnostiziert, vielfach operiert und mit Medikamenten überdosiert“, sagt Schenk. Wichtig: „Wir versuchen auch immer herauszufinden, welche seelischen Faktoren den Schmerz verstärken.“

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An den bundesweit 350 Schmerzabteilungen wird rund 60.000 Patienten jedes Jahr geholfen. Das Problem: Mit der Krankenhausreform hat die stationäre Schmerztherapie keine eigene Leistungsgruppe erhalten. Doch nur für Leistungsgruppen gibt es Geld für die Behandlung.

Was es noch komplizierter macht: „Die Schmerzabteilungen sind bundesweit 26 verschiedenen Fachabteilungen zugeordnet, beispielsweise Innere, Chirurgie, Orthopädie…“, erklärt Schenk. Er ist Mitglied im Berufsverband der Schmerzärzte Deutschlands (BVSD). Diese Abteilungen müssen aber bestimmte Kriterien erfüllen, um weiter bestehen zu dürfen. „So muss eine internistische Abteilung eine Gastroskopiebereitschaft haben….“

Das Franziskus-Krankenhaus an der Budapester Straße in Tiergarten

Das Franziskus-Krankenhaus an der Budapester Straße in Tiergarten

Foto: VOLKMAR OTTO

Folge: 40 Prozent der Abteilungen mit Schmerztherapie stünden vor der Schließung! Die Klinik am Franziskus-Krankenhaus gehört zum Glück nicht dazu. Der BVSD fordert, die Leistungsgruppe „Schmerzmedizin“ per Gesetz zu ergänzen.

Bei Silvia T. wurde klar, dass gutartige Knötchen unter der Haut auf die Nerven drücken. „Durch die Behandlung haben meine Schmerzen stark an Intensität nachgelassen“, sagt sie.

Rund 24.000 Schmerzpatienten werden laut Prognose des BVSD künftig nicht mehr stationär versorgt werden können.