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Die Löhne in Deutschland sind höher und dennoch: Immer mehr polnische Arbeitnehmer kehren in die Heimat zurück. Dort läuft manches besser.
Berlin – In Deutschland bilden Polen nach den Türken die zweitgrößte Gruppe ausländischer Beschäftigter. Doch zum ersten Mal seit 30 Jahren ziehen mehr Polen zurück in ihr Heimatland als neue in Deutschland Jobs anfangen. 2015 lag die Differenz zwischen Menschen, die aus Polen einwandern und auswandern, noch bei einem Plus von 63.000 Personen in Richtung Bundesrepublik. Vergangenes Jahr gab es erstmals ein Minus von über 10.000 Personen. Auf dem Deutsch-Polnischen-Wirtschaftsforum in Berlin spricht man von einer positiven Entwicklung. Der durchschnittliche Mindestlohnverdienst liegt in Polen monatlich etwa 1000 Euro unter dem in Deutschland. Aber es gibt andere Gründe, wieso sich polnische Arbeitnehmer in ihr Heimatland verabschieden.
Merz-Ministerin Reiche zum Polen-Trend: „Da ist der Wille zu spüren, zu wachsen.”
„Die jüngsten Migrationsbewegungen zwischen Deutschland und Polen sind Ausdruck einer strukturellen Entwicklung. Die wirtschaftliche Dynamik in Polen hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verbessert und nähert sich zunehmend dem deutschen Niveau an“, erklärt die Deutsch-Polnische-Handelskammer (AHK) auf Anfrage des Münchner Merkurs von Ippen.Media. „Damit verliert Deutschland für viele polnische Arbeitskräfte an Anziehungskraft.“
Immer mehr polnische Arbeitnehmer in Deutschland orientieren sich in Richtung Heimatland. ©
IMAGO / serienlicht / Canva
Während die deutsche Wirtschaft aktuell stagniert und zuletzt sogar leicht rückläufig war, ist das Bruttoinlandsprodukt in Polen 2024 im Vorjahr um 2,8 Prozent gestiegen. Für 2025 liegt die aktuelle Prognose sogar bei 3,4 Prozent. „Da ist der Wille zu spüren, zu wachsen“, sagte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) auf dem Deutsch-Polnischen Wirtschaftsforum in Berlin. Deutschland könne von Polen lernen, so die Merz-Ministerin. Die Erwerbslosenquote liegt in Polen bei 3,1 Prozent, in Deutschland bei 3,7 Prozent.
Rückkehr nach Polen: Weniger Lohn, aber deutlich günstigere Lebenshaltungskosten
Dabei ließe sich argumentieren, dass der gesetzliche Mindestlohn bei Vollzeitarbeit in Deutschland aktuell bei 2161 Euro im Monat beträgt und im Nachbarland „nur“ 1100 Euro. Allerdings ist die Lohnuntergrenze damit in Polen im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gestiegen. Ein positives Signal für viele, die in der Vergangenheit keine Hoffnung in den polnischen Arbeitsmarkt gesteckt hatten.
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Hinzu kommt: Das Preisniveau für die privaten Konsumausgaben in Deutschland lag im Jahr 2024 um 8,6 Prozent über dem Durchschnitt der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Einen der niedrigsten Werte registrierte das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) hingegen in Polen. 2024 lagen die Lebenshaltungskosten dort 27 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.
Viele Polen verlassen Deutschland: Für Pflege-, Bau- und Logistik-Branche könnte es zum Problem werden
Ein Warn-Signal für Deutschland? Schließlich hat knapp eine halbe Million der Arbeitnehmer in Deutschland polnische Staatsangehörigkeit. Noch zeichneten sich keine wirtschaftlichen Folgen ab, so die AHK. Aber: „Besonders für Branchen wie Pflege, Bauwesen und andere Bereiche, in denen polnische Arbeitskräfte traditionell eine wichtige Rolle bei der Abdeckung von Personalengpässen spielen, kann das merkbare wirtschaftliche Auswirkungen haben.“
Laut dem Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeiten – Stand 2024 – 2,72 Millionen Staatsangehörige aus anderen EU-Ländern in Deutschland. „Was zeigt, dass Deutschland nach wie vor ein interessanter Standort für Arbeitnehmer ist“, so die AHK. (Quelle: Eigene Recherche, AHK)