Nachdem mehrere Dutzend Frauen am Donnerstag zeitweise eine der beiden großen Treppen in der Eingangshalle des Abgeordnetenhauses blockiert und besetzt haben, hat Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) am Freitag Kritik geäußert. Anlass der Protestaktion waren Kürzungen bei Frauenprojekten, die im Haushaltsentwurf des schwarz-roten Senats vorgesehen sind.

„Die Versammlungsfreiheit ist ein konstitutives Element unserer freiheitlichen Demokratie. Doch auch dieses Grundrecht hat aus gutem Grund seine Grenzen, die zu respektieren sind“, sagte Seibeld dem Tagesspiegel. Für den geordneten und sicheren Ablauf der parlamentarischen Arbeit sei jede Form von Störung und jede Behinderung des Parlamentsbetriebs im gesamten Abgeordnetenhaus unzulässig.

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„Kundgebungen oder Sitzblockaden im Parlamentsgebäude sind daher kein zulässiges Mittel des Protests“, sagte Seibeld. Der Ordnungsdienst des Abgeordnetenhauses und die Polizei seien professionell vorgegangen, die Sitzblockade sei rasch und friedlich beendet worden.

Cornelia Seibeld, Präsidentin des Abgeordnetenhauses Berlin

© Klaus J.A. Mellenthin/Abgeordnetenhaus

Vertreter der Oppositionsfraktionen von Linke und Grüne störten sich zunächst weniger daran. Die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Bahar Haghanipour (Grüne) teilte auf Instagram ein Video ihres Fraktionskollegen Vasili Franco von der Aktion, darüber der Schriftzug: „Berliner Abgeordnetenhaus wird besetzt“. Später teilte sie noch ein Video des RBB.

Offenbar erst am Freitag bemerkte Haghanipour dann, dass sie als Vizepräsidentin eine besondere Verantwortung hat – auch für das Abgeordnetenhaus. Am Nachmittag fügte sind unter den Videos einen Kommentar hinzu, wohl um sich abzusichern: „Ich kann den Frust der Demonstrantinnen gut nachvollziehen. Dennoch sind Demonstrationen im Abgeordnetenhaus nicht gestattet – also besser nicht nachmachen.“ Beim normalen Scrollen durch ihre Reels sind die Kommentare nicht gleich zu sehen. User müssen erst in den Kommentarbereich klicken.

Bahar Haghanipour (Grüne).

© Vincent Villwock

Auch die Linksfraktion und ihr Co-Chef Tobias Schulze verbreiteten ein Video bei Instagram. Darin sagte er: „Hier ist was wirklich Besonderes passiert im Abgeordnetenhaus: nämlich ein Flashmob.“ Auf Nachfrage, ob er dafür sei, dass das Parlament von Demonstranten gestürmt werde, sagte Schulze am Freitag: „Nein. Die Aktion war nicht richtig, aber die hat auf ein drängendes Problem aufmerksam gemacht.“

Linke-Fraktionschef Tobias Schulze.

© Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Dutzende Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern hatten sich an der Protestaktion vor und im Abgeordnetenhaus beteiligt. Dafür wurden sie sogar einfach als Besucher durch die Sicherheitsschleuse gelassen – am Einlass wusste man nichts von den Protestplänen. Dann stellten sie sich auf eine der Treppen und riefen: „Berlin lässt uns verrecken.“ Als der Ordnungsdienst kam, setzten sie sich auf die Treppen. Nach Eintreffen der Polizei und Gesprächen verließen die Frauen das Parlament, auf eine Strafanzeige gegen die Beteiligten wurde verzichtet.

2,6 Millionen Euro werden eingespart

Mit der Aktion wollten die Frauen auf mögliche einschneidende Kürzungen aufmerksam machen. Initiiert worden war sie von der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG). Von Einsparungen betroffen wären deren Angaben zufolge unter anderem Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen, Beratungsstellen und die Hotline der BIG.

Laut dem Berliner Frauen Netzwerk (BFN) sollen laut dem vom Senat beschlossenen Haushaltsentwurf für 2026/27 knapp 2,6 Millionen Euro bei Frauenprojekten eingespart werden. Die Projekte sollen demnach zwei Prozent weniger Fördergeld bekommen als bisher. Zugleich werde das Land Berlin zusätzlich anfallende Kosten wegen Tarifanpassungen und Mieterhöhungen nicht mehr übernehmen. „Damit summieren sich die Kürzungen bei einigen Projekten auf bis zu zehn Prozent und eine tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiter*innen ist nicht mehr möglich“, heißt es in einem offenen Brief des Netzwerks.

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„Neben den gravierenden Auswirkungen beim Personal durch Stellenabbau und Gehaltskürzungen sind die Folgen für Berlinerinnen fatal, da frauenspezifische Angebote reduziert oder ganz eingestellt werden müssen“, warnt das Netzwerk.

Konkret bedeute das weniger Beratung in Gewaltsituationen, weniger Betreuung von Frauenhausplätzen, weniger Gruppenangebote für Betroffene sexualisierter Gewalt, aber auch weniger psychosoziale Hilfe in Krisensituationen. Zugleich werde es weniger Unterstützung für Migrantinnen und Geflüchtete geben, weniger Sprachmittlung und Rechtsberatung sowie weniger arbeitsmarktpolitische Angebote und Kinderbetreuung.