Anmutig neigt die Madonna ihren Kopf und schaut fast gelangweilt auf den Drachen, der sich unter ihrem zarten Fuß windet. Auf ihrem Arm hält das propere Jesuskind dem Drachen ein Kruzifix entgegen. Das Gute triumphiert über das Böse, mit üppig sich bauschenden Gewändern.
Wie aufwendig die Herstellung dieser Großplastik aus Meissener Porzellan nach einem Entwurf aus dem Barock gewesen sein muss, kann man nur erahnen. Auf dem Foto, das Gerhard Weber Ende der 1980er-Jahre in der Manufaktur schoss, stehen gleich zwei Exemplare davon auf einem Tisch, neben Kaffeetasse und ein paar Bananen.
Als Honecker dem Papst Porzellan aus Meißen schenkte
Eine solche „Maria vom Siege“ reiste als diplomatisches Geschenk für Papst Johannes Paul II. 1985 mit Erich Honecker in den Vatikan. Dort verliert sich deren Spur, erzählt Kurator Sebastian Bank. „Wir hätten sie gerne ausgestellt, aber im Vatikan ist sie verschollen.“
Meissener Porzellan im Dienste der Politik – das sei nur einer der vielen Aspekte, denen sich die Ausstellung „Die blauen Schwerter. Meissen in der DDR“ widmet, erläutert Bank. So gehe die Schau chronologisch von 1945 bis 1990 vor. „Auf der einen Seite wollen wir diesen Neubeginn zeigen, die Relevanz der Meissener Manufaktur für den jungen Staat DDR.“ Auf der anderen Seite richte man den Blick in die Manufaktur hinein: „Also zu schauen, wer sind eigentlich die Menschen, die in der Manufaktur arbeiten und die eben dieses Luxusgut Meissener Porzellan herstellen?“
Arbeitsalltag in der Meissener Porzellanmanufaktur
Die Fotos von Gerhard Weber zeigen diese Menschen. Von 1988 bis 1992 begleitete er mit seiner Kamera den Arbeitsalltag in der Meissener Porzellanmanufaktur. Auf den großformatigen Schwarzweißfotografien blickt man in die Werkstätten für Guss und Dekormalerei, ins Weißlager und ins Depot.
Man sieht Arbeiterinnen und Arbeiter mit konzentriertem Blick, ganz in ihr Tun versunken, beim Mittagsschlaf unter dem Arbeitstisch oder beim gemeinsamen Feiern. Selbst nach der Wende scheint der Produktionsalltag in der Manufaktur zunächst fast ohne große Veränderungen weiterzugehen.
Nach dem Weltkrieg: Entwürfe für eine neue Gesellschaft
Den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt die Ausstellung unter anderem mit Entwürfen für repräsentative Wandbilder, etwa für das Haus der Ministerien in Berlin oder den Palast der Republik. Ab den 60er-Jahren kommen immer neue Designs für Plastiken und Service dazu.
Wie etwa das Jagdservice „Großer Ausschnitt“ mit nahezu fürstlichen Ausmaßen und einer wunderbar filigranen Bemalung – ein Meisterwerk des Künstlerkollektives um Ludwig Zeppner, Peter Strang und Heinz Werner.
Die Künstler genossen das Privileg, für dessen Entwicklung in einem Turm auf Schloss Moritzburg arbeiten zu können, erzählt Sebastian Bank: „Sie konnten sich wirklich dort zurückziehen und Studien in der Natur entwickeln. Sie konnten schauen, wie verhält sich das Wellenspiel des Wassers an dieser Stelle? Da spielen dann auch Schwäne für die Entwürfe eine Rolle oder auch geöffnete Blütenblätter.“
Dazu sind Hirsche, Wildschweine und jede Menge Jägersleut‘ mit feinstem Pinselstrich auf die Teller, Schüsseln, Leuchter und Terrinen gemalt. Ein Ausweis des Könnens, mit dem sich die Manufaktur auf den Messen in Leipzig und Hannover für den Export ins westliche Ausland empfahl, erklärt Sebastian Bank. Immerhin 90 Prozent der Produktion waren für den Export bestimmt. Deshalb weist auch das Jagdservice ein besonders exklusives Dekor auf.
Geschirr, Figuren und Vasen erzählen Geschichten
„Wir haben ein Unterglasurdekor mit Chromoxidgrün bei den dargestellten Blättern, ein Aufglasurdekor mit verschiedenen Farben und dazu noch eine Vergoldung“, zählt Sebastian Bank auf. „Also die meisten Künstler haben in dieser Zeit wirklich alles herausgeholt, was man aus diesem Porzellan herausholen konnte, auch technisch gesehen.“
Die technische Raffinesse ist das eine. Die Ausstellung im Japanischen Palais zeigt darüber hinaus, wie vielfältig und fantasievoll die Entwürfe waren, die in der Meissener Porzellanmanufaktur während der DDR entstanden. Jede Tasse, jede Figur, jede Vase erzählt eine Geschichte.
Apropos Geschichten: Die haben auch Bürgerinnen und Bürger beigesteuert. Einem Aufruf auf der Website der SKD folgend, erzählen sie von ihren ganz persönlichen Erlebnissen mit dem Meissener Porzellan. Auf einem Bildschirm kann man in der Ausstellung in diesen Erfahrungsberichten stöbern.