Zum Weltkindertag am Samstag, 20. September, ist eine Aktion auf dem Wilhelmsplatz in Stuttgart geplant. Es geht um die Kinderrechte, den Kinderschutz und um gute Bildung in der Kita. Wir haben im Vorfeld mit der Erzieherin Melahat Ernst gesprochen.

Frau Ernst, warum ist der Aktionstag am Samstag wichtig?

Weil die Rahmenbedingungen in den Kitas immer schlechter werden. Erzieherinnen und Erzieher sind am Limit. Die Eltern, die Kinder, eigentlich wir alle sind die Leidtragenden. Und die Politiker ergreifen nur wenige Maßnahmen, um uns aus der Misere zu helfen.

Welche Probleme sind in der Kita derzeit am drängendsten?

Die Rahmenbedingungen sind schlecht. Es gibt viel zu wenige Erzieherinnen und Erzieher. Es werden überall neue Kitas aufgemacht. Und weil die Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben, werden die Gruppen vollgepackt. Aber es fehlt an gut ausgebildetem Fachpersonal. Ich habe das Gefühl, dass mittlerweile jeder, der sich bewirbt, auch genommen wird – ohne auf die Qualität zu achten. Die Einrichtungsleitungen und die Gemeinden sind da unter Druck. Aber um Kinder zu begleiten, braucht es ganz viel Know-how und eine bestimmte Haltung. Dies erlangt man nicht in einer kurzen Schulung, dafür ist eine richtige pädagogische Ausbildung notwendig.

Wie macht sich zu wenig Fachpersonal im Kita-Alltag bemerkbar?

Es geht nur noch um Betreuung und nicht mehr um Begleitung und Bildung. Manchmal komme ich mir dann vor wie im Kinderparadies eines Möbelhauses. Ich verstehe mich aber als Bildungsbegleiterin. Mir ist es wichtig, dass Kinder wachsen und lernen können.

Haben Sie ein Beispiel?

Wir haben zum Beispiel immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung in den Kitas. Wie sollen diese später gut in der Schule starten können, wenn in der Kita keine Zeit bleibt, um auf ihre Sprachentwicklung zu achten? Man schaut nur noch, dass das Kind versorgt ist, aber sieht nicht mehr, was die Kinder mitnehmen oder wo sie Unterstützung brauchen. Das ist schade!

Ohne eine verlässliche Kita-Betreuung ist es für Eltern fast unmöglich, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Foto: imago/Westend61

Was braucht es, damit sich alle im System Kita wieder wohlfühlen können?

Vor allem braucht es mehr Fachpersonal. Ich habe Verständnis dafür, wenn beide Elternteile arbeiten wollen oder müssen. Aber wenn Fachpersonal fehlt, kann ich eine Kita nicht bis zum Anschlag voll machen – auch nicht, wenn der Rechtsanspruch im Raum steht. Denn wir können es nicht leisten. Die Politiker haben es versäumt, rechtzeitig genügend Erzieherinnen und Erzieher auszubilden.

Und jetzt?

Nun müssen sie handeln und den Beruf wieder attraktiver machen. Und es muss wieder mehr auf die Qualität geachtet werden. Es genügt nicht, einen Orientierungsplan aufzustellen. Der Orientierungsplan sagt uns, was wir zu tun haben und wie wir ein Kind fördern können. Aber das wissen wir auch so. Was wir brauchen, ist die Zeit und sind die Kapazitäten, um es umsetzen zu können. Nur dann kann das Kind wieder in den Fokus rücken, und das ist das Wichtigste.

Zur Person
Melahat Ernst (55) ist seit 30 Jahren staatlich anerkannte Erzieherin und arbeitet in einer Kita in Stuttgart.

Zum Aktionstag
Zum Weltkindertag am Samstag, 20. September, laden die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Landeselternvertretung der Kindertagesstätten und der Verband Kita-Fachkräfte zu einem Aktionstag auf dem Wilhelmsplatz in Stuttgart ein. Unter der Überschrift „Gemeinsam für gute Bildung in Kitas“ gibt es von 10 Uhr an ein buntes Programm mit Reden und Musik für Eltern mit ihren Kinder sowie die Beschäftigten in den Einrichtungen.