Spielzeug jenseits von Vorurteilen: „Spielzeug ist für alle da“
Jungs spielen mit Autos und Mädchen mit Puppen – das ist totaler Schwachsinn. Das sollten inzwischen alle schon gehört haben, aber man kann es kaum oft genug wiederholen. Das unterstreicht auch Susann Hoffmann mit ihrem Buch „Spielzeug ist für alle da!“. Sie zeigt darin nicht nur, wie sowohl männlich wirkende als auch weiblich wirkende Kinder mit Autos spielen, wie ein Junge eine Puppe versorgt und ein Mädchen auf einem Skateboard fährt. Sie erzählt, dass es dabei auch um Eigenschaften geht, die tief in jedem Menschen liegen können. Jemand spielt mit Puppen, weil dieser Jemand sich gerne um andere kümmert, und jemand anderes macht gerne Sport, weil es da um Zusammenarbeit geht. Das sind Eigenschaften von Menschen, nicht von Mädchen oder Jungen.
Die Bilder in diesem Buch sind einfach gehalten: starke Farben, klare Formen und viel Freude in den Gesichtern. Der große Bonus: Ganz nebenbei zeigt das Buch eine vielfältige und freundliche Welt, wie sie sich die meisten wünschen. Da spielen Kinder mit unterschiedlichen Hautfarben zusammen, auf dem Basketballfeld geht ein Pass an ein Kind im Rollstuhl und beim Kuscheltierkaffeekränzchen sitzt ein Kind mit Hörgerät. So schön könnte alles sein.
Weitere Infos zum Buch
Susann Hoffmann: „Spielzeug ist für alle da!“
Für Menschen ab 2 Jahren
Zuckersüß Verlag
26 Seiten, Pappbilderbuch
ISBN: 978-3-949-31507-7
Bücher für Vorschulkinder – von 3 bis 6 Jahre
Friedlicher Reimespaß: „Ritter Otto will nicht kämpfen“
Wir kennen diese Geschichten, die von den zarten Burgfräuleins in Nöten und den tapferen Rittern, die sie retten. Denn natürlich sollen Jungs mutig und abenteuerlustig sein. Sie sollen gerne kämpfen und noch lieber siegen. Dafür, dass jedoch nicht alle Jungen zwingend diese Charakterzüge aufweisen (müssen), ist Ritter Otto der beste Beweis.
Als die Einladung zum Turnier bei ihm eintrudelt, haben er und sein Pferd gar keine Lust. Doch die Pflicht muss erfüllt werden und so machen sich die beiden auf den Weg. Doch die geplanten Spiele und deren Regeln sind für den kleinen Ritter zu viel. Also schreibt er kurzerhand die Ankündigung um: kein Schwertkampf und Lanzenreiten, sondern Topfschlagen und Eierlaufen. „Nun gilt: Statt schlagen, hauen, ringen; nacheinander Lieder singen!“
Das kleine Pappbuch „Ritter Otto will nicht kämpfen“ lebt von einem ganz eigenen Witz. Das beginnt bei den liebevollen Illustrationen der eigenwilligen Ritter und endet bei den oft auch albernen Reimen. Doch das Schönste ist die Grundstimmung der Geschichte: All die harten Ritter beschweren sich nicht, sondern machen mit. Sie genießen die neuen Wettkämpfe sogar so sehr, dass sie am Ende gar keinen Sieger brauchen. Es ist ein kleiner Traum, wie eine Welt sein könnte, in der sich niemand ständig besonders stark und unverwundbar zeigen muss und alle sein können, wer und wie sie wollen.
Weitere Infos zum Buch
Günther Jakobs: „Ritter Otto will nicht kämpfen“
Für Menschen ab 3 Jahren
Carlsen Verlag
70 Seiten, Pappbilderbuch
ISBN: 978-3-551-17179-5
Für unangenehme Fragen: „Untenrum“
Keine leichte Situation für Eltern: Plötzlich fragt das Kind nach dem, was zwischen den Beinen ist. Vielleicht benutzt das Kleine dabei auch seltsame und unangemessene Wörter, vielleicht auch witzige wie „Rüsselchen“ oder Schneckchen“. Doch wie soll das Gespräch nun weitergehen, wie reden Eltern mit Kindern über das Intimste? Für viele Menschen bleibt das ein Tabuthema – weil es sie selbst peinlich berührt oder weil sie Angst haben, Kindern zu viel zuzumuten.
Doch es ist wichtig, wie die Menschen hinter dem Buch in einem Nachwort für die Eltern schreiben. Kinder erleben die Welt mit ihrem ganzen Körper und können wohl kaum ihr Geschlechtsorgan ignorieren. Wer darüber nicht reden darf, entwickelt im schlimmsten Fall ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper. Vor allem brauchen Kinder auch Worte, um über Probleme zu sprechen, über Schmerzen und Grenzüberschreitungen.
Das Buch „Untenrum“ ist ein wunderbarer Anlass, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen. Anhand eines recht alltäglich wirkenden Gesprächs innerhalb einer recht durchschnittlichen Familie wird viel Wissen vermittelt, aber auch zum kreativen Kennenlernen des eigenen Körpers eingeladen. Lo fragt ihre Eltern aus, denen zwar die Schamesröte ins Gesicht steigt, die aber nach bestem Wissen Auskunft geben. Schnell wird klar, dass es dabei um mehr geht: Fortpflanzung, Menstruation, Geschlechter zwischen Mann und Frau und die Grenzen, die berücksichtigt werden sollten. Begleitet wird das durch die cartoonhaften Illustrationen von Yayo Kawamura: grobe Linien, verspielte Details und eine fast schon gekritzelte Bobfrisur.
Weitere Infos zum Buch
„Untenrum – Und wie sagst du?“
Geschrieben von Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt
Illustriert von Yayo Kawamura
Für Menschen ab 4 Jahren
Beltz Verlag
38 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-407-75711-1
Was Freundschaft bedeutet: „Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“
Es gibt viele Vorurteile über Seeräuber und Prinzessinnen. Vermutlich treffen viele zu. Aber eines stimmt nicht zwingend: dass Seeräuber Jungs und Prinzessinnen Mädchen sind. Mara kennt sich bestens auf den sieben Weltmeeren in ihrer Fantasie aus. Gemeinsam mit ihrem Hund Landratte, bewaffnet mit Holzsäbel und drei Enterhaken, segelt sie von Abenteuer zu Abenteuer. Milo hingegen ist eher still und etwas vorsichtig. Er liebt Ballettgeschichten, tanzt vor Freude in seinen Elfenkleidern und verziert Dinge, die ihm Angst machen, mit bunten Bändern.
Nils Pickert erzählt mit „Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“ von einer Freundschaft, von der jeder Mensch wohl träumt und wie sie sich Eltern für ihre Kinder wünschen. Denn natürlich geht es nicht nur darum, dass Mädchen mutig und Jungs grazil sein können – das wissen wir doch eigentlich. Pickert zeigt auch, wie sich die beiden Kinder bereichern, wie sie voneinander lernen und aneinander wachsen.
Doch es gibt auch Probleme. Es ist kein Streit, sondern eine „schreckliche Vermissung“. Dass Mara mit ihrem Papa verreist, wird für Mara und Milo zur fast unüberwindbaren Probe. Die sie aber schließlich doch meistern. Doch es ist nicht leicht und das berührt vielleicht sogar diejenigen, die vorlesen.
Weitere Infos zum Buch
„Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“
Geschrieben von Nils Pickert
Illustriert von Lena Hesse
Für Menschen ab 5 Jahren
Carlsen Verlag, gebunden
ISBN: 978-3-551-52195-8
Stark sein: „Ein Junge wie Du“
Kommt es wirklich auf mich an? Kann ich unter den Milliarden von Menschen einen Unterschied machen? Das Buch „Ein Junge wie du“ von Frank Murphy sagt ja: „Dich gibt es nur einmal! Und die Welt braucht einen Jungen wie dich.“ Dieses Kinderbuch will Mut machen: Jungs sollen zu sich selbst stehen und können werden und machen, was sie wollen – sei es Sport, Backen oder Gärtnern. Der Autor sagt, dass Jungs für ihre Träume arbeiten und kämpfen müssen, aber auch, dass es in Ordnung ist, Angst zu haben oder zu straucheln und deswegen zu weinen.
Jeder dieser Gedanken wird mit niedlichen und detailreichen Bildern illustriert. Mal gibt der Text die Szene vor, mal bietet das Bild eine klare Idee davon, was der Text meinen könnte. Das Buch ist nämlich auch eine Aufforderung, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sei neugierig, begegne Menschen mit einem offenen Ohr, sei freundlich und hilfsbereit, kämpfe für wichtige Themen. „Mache jeden Ort besser, als du ihn vorgefunden hast.“
Weitere Infos zum Buch
„Ein Junge wie du“
Geschrieben von Frank Murphy
Illustriert von Kayla Harren
Für Menschen ab 3 Jahren
Zuckersüß Verlag, gebunden
ISBN: 978-3-982-13795-7
Räume für Gefühle: „Das Grand Hotel der Gefühle“
Es gibt so viele und so große Gefühle, dass ein Mensch schnell davon überfordert sein kann. Vor allem Jungs bekommen da schnell Probleme, weil ihnen immer noch erzählt wird, dass sie stärker als Gefühle sein sollen. Dabei besteht das Geheimnis darin, jedem Gefühl richtig zu begegnen und es am besten zu umarmen. Die Autorin und Illustratorin Lidia Branković hat dafür ein schönes Bild gefunden.
Ihr Buch lädt in „Das Grand Hotel der Gefühle“ ein. Die Hoteldirektorin erzählt von dem anstrengenden Alltag in der Anlage, und ihre große Aufgabe ist es, jedem Gast genau das zu geben, was der Gast braucht: Die Traurigkeit will es leise haben und die Wut braucht viel Platz. Es ist wichtig, genau hinzuschauen, denn manche Gefühle sind beinahe unsichtbar, die Angst ändert ständig ihre Gestalt und die Dankbarkeit wird oft vergessen. Es ist nicht leicht, die Gefühlsgäste zufriedenzustellen, doch oft helfen die Gefühle auch dabei.
Ihre Vision bebildert Lidia Branković mit kindlichen und fantasiereichen Illustrationen. Dass die Wut einen brennenden Kopf hat, scheint naheliegend, doch andere Gefühle nehmen die seltsamsten Formen an. Doch die meisten von ihnen würde man wirklich gerne kennenlernen. Ein solches Gefühlshotel zu führen, scheint mühsam, aber auch eine wundervolle Arbeit zu sein.
Weitere Infos zum Buch
Lidia Branković: „Das Grand Hotel der Gefühle“
Für Menschen ab 4 Jahren
Hatje Cantz
32 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-775-75594-8
Bücher für Grundschulkinder – von 6 bis 10 Jahre
Bessere Gute-Nacht-Geschichten: „Boys!“
Ihre „Good Night Stories for Rebel Girls“ von Francesca Cavallo sind fast schon Kult und unter feministischen Eltern äußerst beliebt. Es sind Geschichten, die erzählen, wie stark Mädchen und Frauen sein und dass sie alles schaffen können. Doch dann fragte sich die italienische Autorin: Was ist eigentlich mit den Jungs? Auch die suchen sich nicht aus, später Männer zu werden, die andere unterdrücken und bei sich selbst keine Gefühle zuzulassen. Sie wurden über Jahrhunderte dazu erzogen. Als Gegengewicht schrieb Cavallo nun also „Geschichten für eine neue Generation von Jungs“, die Gefühle zulassen und nicht immer den Kampf suchen.
Dafür führt sie uns jedoch nicht in einen ominösen Märchenwald, sondern in den Outer Space. Vielleicht wollte sie die Weiten des Weltraums nicht den neuen Männern wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Peter Thiel überlassen. Das spiegelt sich in der wunderbaren Gestaltung des Buches wider: Am Beginn jeder Geschichte schauen wir auf einen anderen Planeten, der beispielsweise komplett von Wasser bedeckt oder von riesigen Protzbauten bestimmt wird. Luis San Vicente illustriert die Geschichten mit kantigen Schwarz-Weiß-Bildern, die den kleinen Witz der Erzählungen unterstreichen.
Cavallo berichtet von einem Hai-Vater, der lieber mit seinem Kind spielen will, als es abzuhärten. Oder ein Schrottsammler lässt das Abenteuerleben hinter sich, um sich um einen kleinen Jungen zu kümmern. Ein Pirat und eine Piratin wetteifern um Schätze, bis sich die Piratin schwer verletzt. Also muss sich der Pirat rührend um sie kümmern. Sie bedankt sich, will aber trotzdem keine Beziehung – und für ihn ist es einfach in Ordnung. Oder da ist ein Mann, der seinen ganzen Planeten durcheinanderbringt, weil er den höchsten Turm bauen möchte, und schließlich stirbt sein Sohn. Beide werden zu Geistern und stellen allein durch ihre Anwesenheit die Frage, wie wir mit unseren Kindern umgehen wollen.
Weitere Infos zum Buch
Francesca Cavallo: „Boys! Geschichten für die neue Generation von Jungs“
Illustriert von Luis San Vicente
Für Menschen ab 6 Jahre
dtv
192 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-423-64125-8
Nach innen horchen: Gefühlstagebuch „Ein gutes Gefühl“
Vielleicht ist das die Ursache für viele Probleme: Viele „Männer“ haben Probleme mit ihren Gefühlen. Lange Zeit hieß es, dass „echte Männer“ stärker als die Gefühle wären. Doch das bedeutete oft auch, dass sie ihre Gefühle unterdrückt haben und so oft nicht verstanden, was in ihnen los war.
Die Bücher „Ein gutes Gefühl“ 1 und 2 versuchen, Kinder an die eigenen Gefühlswelten heranzuführen. In den zwei Büchern werden insgesamt 30 (20 im ersten, 10 weitere im zweiten Band) vorgestellt. Viele sind positiv wie Liebe, Stolz und Zufriedenheit, andere sind auch negativ wie Wut, Scham oder Ablehnung. Jedes Gefühl wird als kleines Monster gezeigt: fantasievolle, aber schlichte Gestalten. Ein Text erläutert das Gefühl mit Wortumfeld (wer Wut fühlt, ist wütend oder sauer) und gibt Beispiele, wann die Gefühle auftreten.
Dabei geht es nicht darum, Gefühle in gut und schlecht einzuteilen. Die Kinder sollen einfach ihre Gefühle verstehen, benennen und einordnen können. Die Vorstellung der Gefühle ist nämlich nur ein Teil. Hauptsächlich geht es darum, über 100 Tage ein Gefühlstagebuch zu führen. Die Kinder sollen aufschreiben, was sie erlebt und dabei gefühlt haben. So sollen sie sich besser verstehen lernen. Außerdem gibt es zahlreiche Spielereien und Rätsel im Buch zu entdecken.
Weitere Infos zum Buch
„Ein gutes Gefühl“ von Jan Lenarz
Für Menschen ab 6 Jahren
Ein Guter Plan
152 Seiten, gebunden
„Ein gutes Gefühl 2“ von Jan Lenarz
Für Menschen ab 6 Jahren
Ein Guter Plan
152 Seiten, gebunden
Zu sich selbst finden: „Der Katze ist es ganz egal“
Ab sofort will Leo anders genannt werden: Jennifer. Denn Leo ist ab sofort ein Mädchen. An dieser Stelle könnte die Geschichte bereits vorbei sein, doch dann gebe es dieses Buch nicht. Denn Jennifers Familie versteht es nicht: Jennifer sei doch ein komischer Name und überhaupt sei Leo doch ein Junge. Die Zurückweisung verwirrt Jennifer so sehr, dass sie doch wieder zu Leo wird. Zum Glück hat sie gute Freundinnen und Freunde in der Schule, die Jennifer helfen, zu sich zu stehen. Gemeinsam mit Stella, die mit ihren abrasierten Haaren kaum wie ein typisches Mädchen aussieht, schwänzt Jennifer und zieht sich zum ersten Mal ein Kleid an. Doch alle fragen sich nun, wo Leo/Jennifer ist.
Franz Orghandl versucht, sich ganz in die Gefühlswelt einer jungen trans Person hineinzufühlen. Dabei macht die Geschichte klar: Es geht hier nicht um Trends oder um Coolness, sondern um ein tiefsitzendes Gefühl. Jennifer verzweifelt so sehr an der Ablehnung ihrer Eltern, dass sie noch verwirrter ist als zuvor. „Der Katze ist es ganz egal“, sagt der Titel, doch ihrer Familie ist es das nicht. Dabei ist es doch alleine Jennifers Sache, wie sie sich fühlt. Übrigens spielt die Coming-out-Geschichte in Wien und so können Interessierte gleich noch einige schöne Worte Wienerisch lernen.
Weitere Infos zum Buch
Franz Orghandl: „Der Katze ist es ganz egal“
Illustriert von Theresa Strozyk
Für Menschen ab 9 Jahren
Klett Kinderbuchverlag
104 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-954-70231-2
Bücher für Tweens – von 10 bis 12 Jahre
Wilde Klassenfahrt: „Yunus, Zocken, Liebeszeugs“
Kaum sprießen die ersten Barthaare, scheint alles kompliziert zu werden. Plötzlich muss man sich Gedanken machen um die Liebe, die Beziehung des besten Freundes und Geschlechtsorgane. Und weil gerade sowieso alles so kompliziert ist, will Yunus gar nicht auf Klassenfahrt gehen. Doch eine richtige Wahl hat er nicht. Bereits im Bus steht er vor großen Entscheidungen: Zu wem soll er sich setzen? Dann bekommt er auch noch von einer unbekannten Nummer Liebesnachrichten. Der Detektiv*innen-Club seiner besten Freundin Selma kommt dieses Rätsel gerade recht und sie beginnen zu ermitteln.
Der Jugendroman „Yunus, Zocken, Liebeszeugs“ verkommt darüber jedoch nicht zur klischeehaften Liebesgeschichte, sondern taucht in die Gefühlswelt eines zwölfjährigen Jungen ein. Yunus kommt nicht immer mit, wenn es dann auch um große Themen wie Rassismus oder Sexismus geht. Als seine coolen, aber arroganten Freunde ihn zum Zocken einladen, lässt er alle stehen. Dass alle böse auf ihn sind, überfordert ihn, weil er eigentlich nicht ständig Rücksicht nehmen möchte, sondern einfach in Ruhe Videospiele spielen will. Er weint und findet nach viel Mühe die richtigen Worte, um sich zu entschuldigen. Es geht ihm auch viel besser, als er bei einer spontanen Demo mitmacht, weil es in der Jugendherberge keine Essensalternativen für Menschen beispielsweise mit Allergien oder einem veganen Lebensstil angeboten wird.
Es gibt queere Liebe und unerwiderte Gefühle. Es geht darum, seine Gefühle zu erkennen, die Gefühle von anderen zu akzeptieren und ehrlich zueinander zu sein. Wie Yunus an diesen Herausforderungen wächst, macht Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Zwischen den Kapiteln gibt es auch immer wieder kleine wunderbar gestaltete Schaubilder über die wichtigen Themen im Teenage-Leben wie Pickel, richtiges Küssen (nur wenn beide wollen!) und Gefühle.
Weitere Infos zum Buch
Laura Melina Berling: „Yunus, Zocken, Liebeszeugs“
Illustriert von Hannah Rödel
Für Menschen ab 10 Jahren
Leykam
152 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-7011-8264-0
Echte Jungsfreundschaft: „Best Bro Ever“
So richtig begeistert ist Måns nicht davon, dass er seine Mutter nach Malmö begleiten muss. Während sie dort als Voice-Actor animierten Filmgestalten eine Stimme verleiht, soll Nora (die 17-jährige Tochter eines Bekannten) auf ihn aufpassen. Zum Glück, wenn auch nicht unter glücklichen Umständen, lernt Måns Mikkel kennen. Mikkel ist kompromisslos und treu. Die beiden Jungs werden nicht nur Freunde, sondern Blutsbrüder. Doch dann sieht Mikkel den Pass von Måns, in dem steht, dass er einen anderen Namen hat und als Mädchen geboren wurde.
Auf ganz eigene Weise erzählt der Roman „Best Bro Ever“ von Trans-Identität. Anstatt das Thema von Anfang an in den Mittelpunkt zu rücken, stellt es uns den Jungen Måns erstmal vor, der auf einem Auge Farben besser sieht als auf dem anderen und der Skateboardfahren liebt. So wird klar, dass es nicht um Geschlecht geht, sondern zuerst um die individuelle Persönlichkeit.
Dabei lebt der Jugendroman auch von viel Humor, wenn sich Måns beispielsweise darüber lustig macht, dass den Menschen keine bessere Ortsbezeichnung als „Mühlenacker“ eingefallen ist. Das entschärft auch die üblichen Dramen. Ja, Måns‘ Vater kommt mit der Transidentität seines Kindes nicht klar, doch er ist kein harter „Mann“, sondern ein echt liebenswerter und verpeilter Typ, der sich für das Klima einsetzt und einfach Zeit braucht. Auch Mikkel muss nicht groß überzeugt werden, dass trans sein in Ordnung ist. Er wünscht sich nur Offenheit und Ehrlichkeit.
Weitere Infos zum Buch
Jenny Jägerfeld: „Best Bro Ever!“
Für Menschen ab 10 Jahren
Verlag Urachhaus
155 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-8251-5342-7
Queere Liebe kurz erklärt: „Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?“
Diese kryptische Buchstabenreihe hat sich schon ziemlich gut durchgesetzt. Doch was bedeuten LGBTIQ* eigentlich und welcher Buchstabe trifft auf mich zu? – das mögen sich junge Menschen zu Beginn ihrer Pubertät fragen. Das Buch „Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?“ kann Abhilfe schaffen. Nicht spielerisch, aber faktenbasiert und in leicht verständlicher Sprache erklären Linda Becke und Julian Wenzel hier die Grundbegriffe rund um Queerness, Gender und Diversität, um Geschlechteridentität und sexuelle Vorliebe.
Begleitet werden die Erläuterungen von den bunten und poppigen Illustrationen von Birgit Jansen. Die Erklärungen werden außerdem ergänzt durch Interviews mit unterschiedlichen Menschen, die aus ihrem queeren Leben berichten. Letztlich will dieses Buch doch nicht nur Wissen vermitteln, sondern klar machen: Egal, wie ich mich fühle oder liebe, es ist in Ordnung. Dabei können Worte wie trans oder schwul helfen.
Weitere Infos zum Buch
„Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?“
Geschrieben von Linda Becker und Julian Wenzel
Illustriert von Birgit Jansen
Für Menschen ab 11 Jahren
migo
128 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-968-46046-8
Bücher für Teenager – von 13 bis 16 Jahre
Verschiedene Seiten der Liebe: „Herzsturm-Sturmherz“
Viola ist in Storm verliebt und Storm ist in Viola verliebt. An dieser Stelle könnte die Geschichte vorbei sein. Doch: Für beide ist es das erste Mal und so fällt es ihnen schwer, zu ihren Gefühlen zu stehen. Viola traut sich kaum, etwas zu sagen und muss dann auch noch ansehen, wie Storm eine andere küsst. Storm will vor seinen Freunden nicht zugeben, ausgerechnet auf Viola zu stehen und muss erst noch rauskriegen, was „sich lieben“ überhaupt bedeutet.
Das ist alles nicht neu, auch schon oft erzählt. Doch Annette Herzog erzählt die klassische Girl-meets-Boy-Geschichte als Wendebuch. Das Buch wird also aus beiden Richtungen gelesen: erst die Geschichte von Viola, dann wird gedreht und es folgt die Geschichte von Storm (oder andersherum). Deshalb dreht sich das Buch nicht wirklich darum, wie die beiden endlich zueinanderfinden, sondern konzentriert sich darauf, wie ihre Lebenswelten aussehen. So muss sich Storm eben fragen, was es bedeutet, ein Junge zu sein. Er muss mit sexuellen Fantasien umgehen und lernen, wie man offen und ehrlich mit anderen Menschen umgeht.
Erzählt wird die Geschichte als Comic: Violas Sicht zeichnete Katrine Clante und Storms Geschichte hat Rasmus Bregnhøi illustriert. Beide Zeichenstile passen zusammen wie Viola und Storm: Die Linien sind grob und freihändig ausgeführt. Die Gefühlswelten spiegeln sich in den Naturdarstellungen. Immer wieder gibt es auch spannende Details und viel Fantasie zu entdecken. Es gibt einige mutige Ideen, wie ein Würfelspiel zur ersten Liebe oder eine riesige Prügelei zwischen Philosophenstatuen, die sich über die Bedeutung der Liebe streiten. Denn zwischen den einzelnen Kapiteln will der Comic auch Wissen vermitteln, wie Liebe sich äußern kann in der Natur oder in verschiedenen Kulturen.
Weitere Infos zum Buch
„Herzsturm – Sturmherz“
Geschrieben von Annette Herzog
Illustriert von Katrine Clante und Rasmus Bregnhøi
Für Menschen ab 12 Jahren
Peter Hammer Verlag
128 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-779-50584-6
Menstruation verstehen: „Mut zum Blut“
Viele Jungs haben im Unterricht oder im Gespräch mit den Eltern schon einiges über die Themen Fortpflanzung und Sexualität erfahren. Doch als Teenager kommen sie langsam in das Alter, in dem diese Fragen eine ganz andere Bedeutung bekommen. Denn viele von ihnen haben – vermutlich zum ersten Mal – eine ernstzunehmende Beziehung mit einem Mädchen. Um ihre Freundin richtig zu verstehen, hilft es, auch mehr über Menstruation zu erfahren.
Über Jahrhunderte war der weibliche Zyklus ein mysteriöser Vorgang. Die Menschen, vor allem Männer, verstanden nicht, was da passierte. Und auch weil sie es nicht verstanden, verteufelten sie es: Menschen, die ihre Monatsblutung hatten, wurden ausgeschlossen und regelrecht verteufelt. Bis heute ist die Regel darum ein Tabuthema, was es für menstruierende Menschen noch schwerer macht.
In ihrem Buch erklärt Chella Quint alles, was es rund um die Periode zu wissen gibt. Sie beginnt mit dem Aufbau der Vulva, den hormonellen Abläufen bis hin zum eigentlichen Vorgang: dem Ablösen der Schleimhäute im Uterus. Sie erklärt aber auch, wie das Thema über Jahrhunderte zur Ausgrenzung genutzt wurde, wie es nach dem Ausbleiben der Regel weitergeht und wie etwaige Schmerzen gelindert werden können. Dass sie dabei auch immer aus ihrem eigenen Leben erzählt, macht die Fakten lebendiger und in gewisser Weise auch glaubwürdiger – hier erzählt niemand besserwisserisch von oben herab. Begleitet wird der Text von bunten und freundlichen Illustrationen von Giovana Medeiros.
Weitere Infos zum Buch
Chella Quint: „Mut zum Blut“
Illustriert von Giovana Medeiros
Für Menschen ab 8 Jahren
Zuckersüß Verlag
104 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-949-31500-8
Bücher für junge Erwachsene – ab 16 Jahren
Die Romantik ist tot: „Der Ursprung der Liebe“
Liv Strömquist ist Kult! Die schwedische Comic-Künstlerin hat einen ganz eigenen Weg gefunden, um feministische Betrachtungen zu vermitteln. Sie nimmt ein Phänomen aus der Popkultur, mit dem sie ein Phänomen einer vom Patriarchat geprägten Welt erklärt. Dabei legt sie Missstände, Wunden oder Widersprüche so gekonnt offen, dass man manchmal laut lachen muss und anschließend den Kopf schüttelt. Gepaart wird das mit einem rauen, fast schon gekritzelten Comic-Stil, der mit geschickten Wiederholungen und wilden Spielereien unglaublich dynamisch ist.
In „Der Ursprung der Liebe“ untersucht Strömquist das gestörte Verhältnis der westlichen Gesellschaft zur Liebe. Sie erklärt, dass die bestimmende US-Comedy eigentlich nur einen Witz kannte – nämlich, wie anstrengend Frauen nach Romantik verlangen. Dieser Witz hat verfangen. Sie geht weit zurück in die Geschichte, um die Idee der Liebe zu erforschen. Sie untersucht, ob die Liebe (voller gegenseitiger Unterstützung) ein Gegenentwurf zum Kapitalismus ist oder vom Kapitalismus perfekt angeeignet wurde.
Zu guter letzt geht es auch darum, wie die Liebe zur Ausbeutung der Frau genutzt wird. Das klingt kompliziert, aber wird so spannend erzählt, dass man immer weiterblättert. Wer davon nicht genug hat, kann mit „Der Ursprung der Welt“ über das weibliche Geschlecht oder „Ich fühl’s nicht“ über die Darstellung von Liebe in der Popkultur gleich weiterlesen.
Weitere Infos zum Buch
Liv Strömquist: „Der Ursprung der Liebe“
Avant Verlag
136 Seiten, Softcover
ISBN: 978-3-945034-89-7
Die Maske runterreißen: „Sei kein Mann“
Der Großteil der Welt lebt im Patriarchat. Das heißt, dass unsere Gesellschaft von Männern bestimmt wird und sie Männer bevorzugt. Jungs und Männer mögen jetzt denken: „Gut für mich!“ Doch das ist ein Trugschluss. Das stellt JJ Bola in seinem Buch „Sei kein Mann“ klar. Ja, die Gesellschaft setzt den Mann an erste Stelle, behauptet eine natürliche Stärke und Vormachtstellung von Männern. Doch gleichzeitig schränkt es Männer ein, wie Bola klar aufzeigt. Das beste Beispiel: Wenn Männer nicht weinen dürfen, können sie ihre Gefühle nicht verarbeiten und erkranken an ihnen.
Bola erklärt das in einem leicht und gut zu verstehenden Ton. Sein Buch richtet sich vor allem an Menschen, die sich mit den Mechanismen des Patriarchats noch nie beschäftigt haben und ist vor allem für junge Männer eine Einladung, die eigenen Privilegien zu hinterfragen – wer unter ihnen leidet und wie sehr sie selbst darunter leiden. Dafür erzählt Bola auch immer wieder offen aus seinem eigenen Leben. Das verknüpft Bola mit sehr konkreten Forderungen, die sich teilweise direkt umsetzen lassen können. Die Lektüre ist daher nicht nur für Jugendliche eine Bereicherung.
Weitere Infos zum Buch
JJ Bola: „Sei kein Mann. Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“
Hanser
160 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3-446-27283-5
Bücher für Eltern und Erwachsene
Kinder richtig begleiten: „Mädchen, Junge, Kind“
Mädchen können alles, was Jungs auch können. Jungs dürfen zu ihren Gefühlen stehen und weinen. Alle dürfen sein, wer sie wollen und lieben, wen sie wollen. Darin sind sich die meisten einig, und dann lieben die Mädchen doch Pink und die Jungs wollen nur mit Jungs Fußball spielen. Gendersensible Erziehung ist oft schwer.
Das Buch „Mädchen, Junge, Kind. Geschlechtersensible Begleitung und Empowerment von klein auf“ von Daniela Thörner bietet einen leichten Einstieg in gar nicht so leichte Fragen. Das schmale Buch ist nach den großen Entwicklungsstufen der Kinder gegliedert, die so ähnlich auch diesen Artikel bestimmen. Mit einfachen Worten erklärt Thörner, was gerade in den Kindern vorgeht und wie Ideen von Geschlecht auf sie wirken.
Dabei weist die Autorin auf eine große Schwierigkeit hin: Man kann Kindern zwar immer wieder erklären, wie etwas sein sollte, aber Kinder lernen vor allem durch Beobachtung. Wenn sie nie etwas von homosexuellen Beziehungen hören, dann wirken sie befremdlich auf sie. Wenn Mädchen immer nur rosa Kleider bekommen, dann ist das für sie die Norm. An diesen Stellen wird das Buch auch immer wieder konkret. Thörner greift Situationen aus dem Alltag auf und gibt Anregungen, wie sie so gestaltet werden können, dass Kinder ein breiteres Bild von Geschlecht bekommen.
Weitere Infos zum Buch
Daniela Thörner: „Mädchen, Junge, Kind. Geschlechtersensible Begleitung und Empowerment von klein auf“
Mit Beiträgen von Nils Pickert, Aileen Puhlmann und Linus Giese
Familiar Faces Verlag
116 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-982-36811-5
Fragen stellen: „Söhne großziehen als Feministin“
Die Antwort schien klar: Die Zukunft ist weiblich. Das war auch Shila Behjat klar, und sie hat es mit ihrer eigenen Biografie bewiesen. Entgegen rassistischen und sexistischen Stolpersteinen hat sie Karriere gemacht, hat Jura studiert und als Journalistin Erfolge gefeiert. Es war an der Zeit, dass Frauen sich den Platz nehmen, der ihnen zusteht, und dass sie Männer von den Richterstühlen, Ministerposten und DAX-Vorstandssitzen verdrängen. Feminismus bedeutete: Frauen stärken.
Dann wurde Behjat Mutter von zwei Söhnen, und ihr Blick hat sich nochmal geändert. Sehr persönlich berichtet sie in ihrem Buch „Söhne großziehen als Feministin“ von ihrem eigenen Werdegang und ihrem Leben als Feministin. Und sie erzählt von den Sorgen rund um die Geburt ihrer männlich gelesenen Kinder.
Wird ihr Kampf gegen gewisse Formen von Männlichkeit ihre Beziehung zu den eigenen Kindern stören? Kann sie als Mutter dem Anspruch gerecht werden, eine neue Generation von Männern zu erziehen, die das Patriarchat überwinden? Oder ist sie schuld, wenn ihre Söhne später selbst zu Problemmännern werden? Darf sie ihren Söhnen sagen, dass sie sich gegen Mädchen im alltäglichen Kampf um Erfolg und Ressourcen behaupten sollen – oder widerspricht das ihren eigenen Erfolgen? So wirft das Buch vor allem Fragen auf und sucht selbst noch nach Antworten. Behjat macht klar: Der Feminismus muss sich nun auch um Männer kümmern, damit die Welt wirklich gerecht werden kann.
Weitere Infos zum Buch
Shila Behjat: „Söhne großziehen als Feministin. Ein Streitgespräch mit mir selbst“
Hanser
200 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-446-27808-0
Mit Männlichkeit geschlagen: „Prägung“
Niemand entscheidet sich dazu, ein Mann zu werden oder zu sein. Männer werden von ihrem Umfeld und der Gesellschaft zu Männern gemacht. Wie das ungefähr aussieht, legt der Autor Christian Dittloff in seinem Buch „Prägung“, das zwischen Essay, Roman und Autofiktion schwankt, offen. Der Titel verrät schon ziemlich genau, worauf das Buch hinauswill: Der Autor will herausfinden, wie sein Selbstbild von Männlichkeit geprägt wurde.
Dafür nutzt Dittloff das Gedankenbild des Steinbruchs und arbeitet sich durch Erinnerungen. Er erzählt keine geradlinige Geschichte, bei der eins aufs andere folgte und am Ende ein „Mann“ stand. Mal legt er an einer Stelle einen Brocken Vergangenheit frei, dann arbeitet er wieder an einer anderen Gesteinsschicht. So wird deutlich, wie vielfältig das Bild von Männlichkeit geprägt wird, dass dieses Bild deswegen voller Widersprüche ist und wie beiläufig Vorstellungen gepflanzt werden können. „Prägung“ kann auch als Plädoyer gelesen werden, von Anfang an gemeinsam mit dem Kind alles zu hinterfragen.
Weitere Infos zum Buch
Christian Dittloff: „Prägung. Nachdenken über Männlichkeit“
Piper
240 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-827-01483-2
Redaktionelle Bearbeitung: vp