Rüsselsheim/Amberg – Wahre Liebe rostet nicht. Josef (88) und Bertha (87) Augsberger lieben sich. Seit 62 Jahren. Und ihren Opel gleich mit!
Am 13. November 1963 holte Josef den lapislazuli-blauen, zweitürigen Opel Rekord A beim Autohändler in Amberg (Bayern) ab. Und gab ihn nie wieder her. Als Jung-Landwirt Josef, 23 Jahre alt, das erste Mal seien Bertha mit dem neuen Auto abholt, ist Ludwig Erhard (1897–1977) gerade zum Bundeskanzler ernannt worden
294.574 Kilometer sind Josef (88) und Bertha (87) mit ihrem geliebten Opel bereits gefahren
Foto: Katrin Denkewitz
Bertha: „Wo hast du den her?“ – Josef: „Den hab‘ ich mir verdient. Auf dem Mähdrescher“
Als Josef mit der großen Limousine in den Hof ihrer Eltern rollt, war Bertha hin und weg: „So elegant bin ich noch nie zu einem Rendezvous abgeholt worden!“ Die beiden kannten sich erst seit einigen Wochen. „Wo hast du den her?“, fragt Bertha. Und der Jung-Landwirt antwortet keck: „Den hab‘ ich mir verdient. Auf dem Mähdrescher.“
Ein Stück Wohnzimmer: Die Rückbank wurde mit einer selbst gehäkelten Decke und einem Kissen von Bertha geschmückt
Foto: Katrin Denkewitz
Seitdem haben die beiden einen Bund fürs Leben mit ihrem Opel geschlossen: 294.574 Kilometer lang, mit 31 TÜV-Stempeln. Nie eine Beanstandung bei den Prüfern, ohne Unfall, ohne Panne. Die Treue der Augsbergers zu ihrem Rekord ist ein Rekord. Deshalb wurden die beiden mit ihrem Auto von Opel geehrt: „62 Jahre Erstbesitz.“
Der Band-Tacho im Rekord geht bis 160 km/h. Der Wagen fährt aber maximal 134 km/h mit seinen 55 PS. Auf der Kilometer-Anzeige steht aktuell 94.574, hat aber schon zweimal nach 100.000 km wieder bei Null zu zählen angefangen
Foto: Katrin Denkewitz
So sah es damals auf unseren Straßen aus
Knallbunte Autos, quirliger Verkehr. Ein seltener Verkehrswacht-Film aus der Heimat von Josef und Bertha Augsberger zeigt, wie es Mitte der Sechzigerjahre, als die beiden das Auto frisch hatten, auf den Straßen Ambergs zuging.
Über diesen Link kommt man zum 28 Minuten langen Film bei YouTube.
1967 heiraten beide: im Rekord. Dann Hochzeitsreise: im Rekord. Bertha: „Wir sind nach Österreich gefahren, wollten über den damals neu ausgebauten Gerlospass.“ Doch wegen gewaltiger Schneefälle war der gesperrt. Bertha: „Also haben wir umgedreht – und unser Opel hat uns wieder sicher nach Hause gebracht.“
Das Auto hat bis heute das gleiche Kennzeichen. Aktuell mit einem „H“ am Ende, für Historsich. Dafür wurde das alte DIN-Nummernschild abgenommen
Foto: Katrin Denkewitz
Das Auto wurde am 13. November 1963 beim Landratsamt Amberg (heute Amberg-Sulzbach) angemeldet
Foto: Katrin Denkewitz
Ihre zwei Söhne und auch ihre Enkel wuchsen im Rekord auf. Bis heute nutzen Josef und Bertha den Opel als Alltagswagen. „Warum nicht? Er hat uns nie im Stich gelassen.“ Bereits zweimal sprangen die fünf Kilometer-Stellen des Tachos wieder auf null zurück. Noch 5426 Kilometer, dann nullt der Tacho ein drittes Mal.
Der Opel war auch noch nie in der Werkstatt. Er hat keine Schramme, keinen Parkrempler. Das Chrom glänzt wie am ersten Tag im November 1963. Der Landwirt, der seine Landmaschinen stets selbst wartet, macht alle nötigen Reparaturen allein. Zuletzt war ein neuer Auspufftopf fällig. Der 1,5-Liter-Motor mit 55 PS läuft seit 62 Jahren zuverlässig wie eine Nähmaschine. Spitze: 134 km/h. Aber darauf haben es Josef und Bertha nie ankommen lassen.